Sicherheitstraining in Israel

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Julian D. ist gebürtiger Christ aus dem Libanon. Im Gelände eines Schießstandes nahe Sderot in Israel hat er sich gerade des ausladenden Gewandes eines arabischen Scheichs entledigt. Über sein rotes T-Shirt mit der Aufschrift „Hilfiger Denim“ schnallt er sich nun einen Stoffgürtel um. Aus Fächern des Gürtels schauen Drähte hervor. Der schlecht getarnte Selbstmordattentäter zieht sich eine schwarze Maske über…

Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 30. Mai 2011

Julian rennt auf Tische zu, wo Ärzte in weißen Kitteln unter riesigen UNO-Flaggen Patienten in arabischer Tracht befragen. „Terrorist, Terrorist“ ruft da einer. Einige der „Patienten“ tragen unter ihren Mänteln Uzi-Schnellfeuerpistolen. Einer springt auf und wirft sich auf Julian. Im hohen Bogen stürzt der auf den Rasen. Ein paar Schläge auf den Hinterkopf und schon ist der Gürtel des Selbstmordattentäters entschärft. Nach einer wilden Schießerei liegt Schwefelgeruch in der Luft. Eine Rauchbombe versperrt die Sicht. Neben Julian liegen noch drei weitere überwältigte Terroristen am Boden.

Die Szene ist einem mörderischen Anschlag auf ein UNO-Lazarett in Afghanistan am 6. November 2010 nachgestellt. Der Ort des Geschehens: 500 Meter vom Grenzzaun zum Gazastreifen entfernt in einem Schießstand, wo israelische Soldaten, Zivilisten und Polizisten Scharfschießen üben. „Macht schnell, wir müssen den Schießstand umgehend räumen“, ruft Mirza David den 42 Teilnehmern aus 17 Ländern eines Kurses für „Personenschutz in arabischen Ländern“ zu. Sieben Wochen lang trainieren Männer aus Albanien, Frankreich, Dänemark, den USA und anderen Ländern. Sie zahlen 2000 Euro pro Woche, um zu lernen, wie man sich in der arabischen Welt unauffällig bewegt und was man tun muss, um westliche Geschäftleute, Diplomaten, Botschaften und Firmensitze „unauffällig“ zu schützen.

Unter der Hand, mit der Bitte, es den Kursteilnehmern nicht zu verraten, erzählt Mirza, der Leiter der „Internationalen Sicherheits-Akademie Israel“, dass die israelische Armee nur 500 Meter von dem Schießstand entfernt einen Tunnel entdeckt und gesprengt habe. Palästinensische Extremisten hätten ihn unter dem Grenzzaun gegraben, um nach Israel einzudringen. „Die Armee weiß nicht, ob bei der Sprengung des Tunnels Palästinenser ums Leben gekommen sind. Spannung liegt in der Luft. Die Palästinenser können jederzeit Mörsergranaten oder Raketen abschießen, deshalb sollen wir hier verschwinden.“ Die Kursteilnehmer lernen, sich wie Araber zu kleiden, ihre Waffen versteckt zu halten und ihre Schützlinge durch „proaktives Angreifen“ in Sicherheit zu bringen. Mirza erzählt, dass Personenschützer möglichst einen Kopf größer als der VIP sein sollten, um „den Überblick“ zu behalten. Mit geübten Handgriffen packt Mirza einen Journalisten am Kragen und wirft ihn auf den Boden. Wie Araber verkleidete Männer springen aus einem Auto und rennen im Schießstand wild schießend auf den Erdhügel zu, um als Pappkartons dargestellte Terroristen „zu neutralisieren“. Mirza erklärt: „Es bringt überhaupt nichts, wenn sich der Leibwächter auf den am Boden liegenden VIP wirft. Der Attentäter würde dann beide erschießen. Der Angreifer muss ausgeschaltet werden.“ Das Chaos in der arabischen Welt habe jetzt erst begonnen und werde noch mindestens ein Jahrzehnt andauern. Geschäftsleute aus dem Westen benötigen ausgebildete Sicherheitsleute, die mit dieser neuen Situation umgehen können, Konvois organisieren, „übersichtliche Räumlichkeiten“ für Treffen ausmachen und zur Not auch schießen können. Mirza habe schon über 14.000 Sicherheitsleute aus aller Welt ausgebildet, trainiert oder beraten. Einer seiner Schüler war Ulrich Wegener vom deutschen GSG-9. „Was ich den Männern beibringe, kann man genau so gut in anderen Ländern lernen“, sagt Mirza. Was jedoch seine Akademie von anderen Ausbildungsstätten unterscheide, sei die Entwicklung „neuer Konzepte“. Vor drei Jahren habe er mit seinen Ausbildern, allesamt ehemalige hohe Offiziere der Armee und des Geheimdienstes, Sonderkurse „gegen Schiffspiraten“ angeboten. Tatsächlich fahren heute in Israel ausgebildete Sicherheitsleute auf Tankern und Kreuzschiffen vor der Küste von Somalia mit. Vor einigen Monaten haben sie tatsächlich Piraten in die Flucht geschlagen, als die versuchten ein Kreuzschiff zu entern.

Wegen der Aufstände in der arabischen Welt habe sich ein neues Sicherheitsproblem aufgetan. „Dafür müssen entsprechende Antworten gefunden werden“, sagt Mirza. Die Teilnehmer kommen aus „befreundeten Ländern“, oder melden sich „privat“ an. Deshalb werden sie „genau überprüft“. „Im März haben wir Araber in Montenegro ausgebildet“, sagt Mirza. Gerade erhielt er per SMS eine Anfrage aus Bahrein, Leibwächter für den König zu trainieren.

Die Motive der Teilnehmer sind sehr unterschiedlich. Julian erzählt: „Ich bin im Krieg aufgewachsen und habe gesehen, wie Kinder getötet wurden. Ich will lernen, mich verteidigen zu können, denn der Terror ist auch schon in Europa angelangt.“ Mit 17 ist er nach Österreich auswandert, „um nicht zum Militär eingezogen zu werden“. In Wien ist er in der „Gastronomie“ tätig. Julian möchte als Sicherheitsmann „Sinnvolles“ tun. Erst war er „skeptisch“, ausgerechnet nach Israel zu kommen, wurde jedoch positiv überrascht. „Ich dachte, die Israelis seien viel aggressiver, als sie tatsächlich sind.“ Jakob aus Frankfurt ist Investmentbanker in der Schweiz. Er habe sich angemeldet, „weil ich mal was anderes tun wollte und das Abenteuer suchte“. Adam aus Fulda hat kürzlich seinen „Militärdienst“ beendet: als Fallschirmspringer bei der französischen Fremdenlegion auf Korsika. Jetzt wolle er sich weiterbilden, um „im privaten Sektor Schutz und Sicherheit“ einen Job zu finden. „Die Israelis haben ein anderes Konzept. Vieles wird hier anders und wohl besser gemacht“, sagt Adam.

(C) Ulrich W. Sahm / haGalil.com

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