In der 2009 erschienenen Festschrift für Julius Schoeps, hrsg. von Irene Diekman/Elke-Vera Kotowski: Geliebter Feind. Gehaßter Freund (Berlin: vbb, 2009) fand ich meinen Namen in einem erstaunlichen Zusammenhang. Die Zeithistorikerin Margit Reiter spekuliert in ihrem Beitrag „Nachträgliche Wiedergutmachung. Philosemitismus bei den Kindern der Täter“ über deren Gründe, sich mit Judentum zu beschäftigen…
Auf S. 528 sammelt sie eine Reihe unrecherchierter „Fakten“ und Mutmaßungen über mich, die in ihrem verächtlichen Ton und im Gesamtzusammenhang des Aufsatzes so denunziatorisch und tendenziös wirken, daß man sie in der Boulevardpresse eher erwarten würde als in der Festschrift für einen namhaften Wissenschaftler.
Wenn Frau Reiter den Roman, über den sie referiert, gelesen hätte, wäre ihr aufgefallen, daß vor 26 Jahren mein Name Waltraud Anna Mitgutsch war. Es wäre ihr auch aufgefallen, daß dort keine „von Nationalsozialismus geprägte Mutter“ vorkommt (die Protagonistin ist ein im autoritär-katholischen Umfeld aufgewachsenes Bauernmädchen). Was Frau Reiter offenbar auch nicht weiß, ist, daß ein literarisches Werk kein Bekenntnisband ist und die Romanfiguren keine realen Personen sind. Es scheint ihr ausreichend, den Roman falsch zu lesen und dem Kurzschluß der Identität von Romanfiguren und Autorenbiographie aufzusitzen, um mich unter die „Kinder der Täter“ einzureihen.
Vollends abenteuerlich wird ihre wissenschaftliche Vorgangsweise mit dem vorsichtig in Klammern gesetzten Gerücht: „(soll angeblich auch zum Judentum konvertiert sein“). Diese Mutmaßung, offenbar stärkster Beweis und Gipfel des philosemitischen Täterkinderprofils, sichert sie mit einer Fußnote ab, in der sie aus einem dubiosen, in einem oberösterreichischen Kleinverlag erschienenen Verständigungstext folgendermaßen zitiert: „So zumindest die Behauptung bei Strobl: Auf dem Weg.“
Es wäre für die Verfasserin leicht gewesen, sich über ihr Spekulationsobjekt Gewißheit zu verschaffen. Jedenfalls ist das bisher noch allen Gymnasiasten gelungen, die Referate über mein Werk halten mußten. Ich habe eine homepage, ich stehe im Telefonbuch, ich wäre über meinen Verlag zu erreichen, ich bin mindestens einmal im Monat in Wien und wäre für ein kurzes Interview jederzeit zur Verfügung gestanden.
Da der Artikel nun einige verleumderische Unterstellungen enthält, möchte ich in Kürze die wichtigsten Punkte richtigstellen:
1) Ich nenne mich nicht bloß „Anna Mitgutsch“ , es ist der in meinem Paß eingetragene Name, unter dem alle meine Romane erhältlich sind. Ich stamme nicht aus der „oberösterreichischen Provinz“, es sei denn, die Verfasserin wollte Linz mit dieser Tautologie belegen. Aber das alles wäre auf meiner Webseite nachzulesen.
2) Weder meine Eltern noch meine Großeltern (auf beiden Seiten) waren Parteimitglieder, noch hegten sie Sympathien oder zogen irgendwelchen Nutzen aus dem NS-Regime.
3) Ich bin Jüdin durch einen halachischen Übertritt aus Überzeugung, weder aus Schuldgefühlen noch aus Philosemitismus. Seit 20 Jahren bin ich Vorstandsmitglied der jüdischen Kultusgemeinde in Linz. Auch das wäre recherchierbar gewesen und hätte der Verfasserin viele Konjunktive und tiefenpsychologische Vermutungen erspart.
Anna Mitgutsch