Doğan Akhanli, deutsch-türkischer Schriftsteller und Menschenrechtsaktivist, ist am Donnerstag, den 6.01.2011, wieder in Köln angekommen. Selbst bei seiner Ausreise wurde der für vier Monate willkürlich in türkischer Haft gehaltene Schriftsteller drangsaliert: Ursprünglich wollte er einen Tag früher Istanbul verlassen, Grenzbeamte ließen ihn jedoch nicht ins Flugzeug einsteigen, weil sein Visum abgelaufen sei. In Köln wurde er von zahlreichen Freunden empfangen…
Von Uri Degania
In einem mit „Trauma und Trauma des Doğan Akhanli“ überschriebenen eindrücklichen Interview mit dem WDR berichtet Doğan über seine Haftzeit und über die Bedeutung der breiten Solidarität durch Schriftsteller, Künstler und Politiker, über die er im Gefängnis durch seinen Rechtsanwältin regelmäßig informiert wurde. „Ohne diese Solidarität hätte ich diese vier Monate nicht so aushalten können. Ich habe die Unterstützung bis auf die Knochen gespürt und gemerkt, wie wichtig sie für Menschen ist, die zu Unrecht im Knast sind. Die Solidarität hat mir die Freiheit geschenkt. Ohne sie hätte ich wenigstens anderthalb Jahre dort bleiben müssen“, betonte Doğan Akhanli gegenüber Stephanie Zeiler vom WDR. Voller Genugtuung berichtet er jedoch auch über die Vorstellung seines neuen türkischsprachigen Buches „Fasil“ – es handelt von Folter – in Istanbul, in Anwesenheit zahlreicher Verwandte und Freunde, darunter auch Günter Wallraffs.
Über seine Gefühle bei seiner Ankunft in Köln bemerkt Doğan: „Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich tatsächlich in Sicherheit bin. Diese willkürlichen Handlungen, mit denen ich bis zur allerletzten Sekunde konfrontiert wurde, haben mich etwas erschüttert. Vor zwanzig Jahren bin mit meinem Sohn aus der Türkei geflohen. Gestern bin ich vom gleichen Flughafen als Fremder abgeschoben worden. Damit alles nach dem Gesetz läuft, haben sie mich dort nochmals für eine Nacht festgenommen. Ich durfte das Land nicht freiwillig verlassen.“
Und der deutsche Staatsbürger Akhanli fügt bezüglich des international heftig kritisierten Gerichtsprozesses hinzu: „Mein Glück war es, Deutscher zu sein. Das habe ich erst gestern noch bei der Grenzschutzpolizei im Istanbuler Flughafen erfahren. Sie haben mich dort zwei Stunden lang grundlos warten lassen. Am Ende habe ich gesagt, ich will jetzt ins Flugzeug einsteigen und verlangt, mit meinem Rechtsanwalt sprechen zu können. Dann haben Sie meine Hände genommen, ich habe protestiert und sie geschubst und gesagt: ‚Ich bin Deutscher, sie dürfen mich nicht anfassen‘. Danach war es still. Wenn ich das erlebe, frage ich mich aber, was wäre passiert, wenn ich türkischer Bürger wäre. Dann hätten sie mich vermutlich einfach geprügelt. Dieses Erlebnis war für mich ein Symbol dafür, wie dieser Staat, der seine Bürger eigentlich schützen sollte, diese seit hundert Jahren vertreibt, verfolgt und foltert.“
Die Haftzeit war für Doğan Akhanli eine traumatische Erfahrung. Sein betagter Vater war während seiner Haftzeit verstorben. Er war im August 2010 in die Türkei gereist, um seinen sehr kranken Vater noch einmal zu treffen. Doğan fügt gegenüber dem WDR hinzu:
„Ich glaube, dadurch, dass mein Vater während meiner Haftzeit gestorben ist, hat sich alles geändert. Sonst hätte ich auch heute noch mit den vier Monaten, der Haftzeit und alle Dingen, die mir passiert sind, ironisch umgehen und darüber lachen können. Aber durch das Trauma, das ich erlebt habe, ist alles ganz dramatisch geworden. Sie haben mir so weh getan und sogar die allerletzte Brücke zwischen mir und der Türkei zerstört. Da war es ganz wichtig, dass ich noch in mein Dorf reisen konnte, um eine neue Brücke zu bauen.“
Das vollständige Interview beim WDR
WDR-Radiobeitrag zum Thema
Taz-Interview: „Ich kämpfe um meine Freiheit“
Dogan Akhanli wird am 16. Januar 2010 (18 Uhr, Bürgerzentrum Alte Feuerwache) auf der Kölner Gedenkveranstaltung für den ermordeten armenischen Schriftsteller und Journalisten Hrant Dink erstmals öffentlich auftreten.
Gedenkveranstaltung Hrant Dink
Alte Feuerwache, Köln
SONNTAG 16. Januar | 18.00 Uhr | SAAL
EINTRITT 5,00 EUR
Podiumsgespräch mit
Rakel Dink (Ehrenvorsitzende des Hrant Dink Forums Köln),
Tugba Candar (Verfasserin der neuen Biographie von Hrant Dink „Hrant“),
Azu Becerik (Anwältin von Hrant Dink)
Film & Gespräch
Preview der aktualisierten Fassung des preisgekrönten Films „Mordakte Hrant Dink – Armenier in der Türkei“ (WDR/ARTE, 2011) von Osman Okkan und Simone Sitte
Der armenische Verleger und Journalist Hrant Dink wurde am 19. Januar 2007 in Istanbul von einem ultra-nationalistischen Minderjährigen vor dem Redaktionsgebäude seiner Zeitung Agos erschossen. Die Hintermänner des Anschlags und die Verstrickungen mit faschistisch-nationalistischen Parteien und den türkischen Sicherheitskräften bleiben bis heute im Verborgenen. Der Prozess gegen die Mörder Dinks dauert an.
Der Mord an dem armenischen Journalisten löste eine überwältigende, spontane Welle der Solidarität aus, Hundertausende gingen auf die Straße. Seitdem wurde die türkische Gesellschaft aufgerüttelt: durch schockierende Einzelheiten aus dem Prozess um die Ermordung des armenischen Journalisten Hrant Dink und durch immer neue Enthüllungen über die Verwicklungen des „tiefen Staates“ der Türkei in diesen Mord – aber auch in eine Vielzahl von weiteren politischen Morden in den vergangenen Jahren.
Seit 2007 versammeln sich jedes Jahr tausende Menschen zu Gedenkveranstaltungen in Köln, Berlin, Paris, Istanbul und an anderen Orten, um an den mutigen, versöhnlichen Menschenrechtler zu erinnern und in seinem Sinne den Dialog zwischen Türken und Armeniern weiterzuführen. Das große Bedürfnis einer breiten Bevölkerung auch in Deutschland, den von Hrant Dink wesentlich geprägten Dialog zwischen den Kulturen und Religionen weiter zu führen, ist Anlass für die Gedenkveranstaltung zu Hrant Dink.
Hrant Dink Forum, Tüday – Menschenrechtsverein, Kulturforum TürkeiDeutschland
Den Film “Mordakte Hrant Dink – Armenier in der Türkei†(WDR/ARTE, 2011) von Osman Okkan und Simone Sitte kann man auch bei youtube sehen:
http://www.youtube.com/watch?v=YBDdBHOcjvI
[…] Menschenrechtsaktivist […]
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