Eine andere Türkei

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Machen wir uns nichts vor. Die türkischen Löschflugzeuge haben das Feuer, das die Beziehungen zwischen der Türkei und Israel erfasst hat, nicht erstickt. Selbst wenn eine Formulierung gefunden werden sollte, die die Forderung der Türkei nach einer Entschuldigung und Entschädigung für die Opfer der Gaza-Flottille befriedigt, würden wir weiter mit einer von Grund auf problematischen türkischen Außenpolitik zurückbleiben…

Von Michael Herzog, Haaretz v. 15.12.10

Dies ist nicht die Türkei, die wir gekannt haben. Sie durchläuft einen Wandel, der sich in ihrer Außenpolitik ausdrückt: von einem zuverlässigen NATO-Mitglied und engem Verbündeten Israels hin zu einer Macht mit eigenständiger außenpolitischer Linie, die westliche Interessen hintertreibt, mit radikalen Akteuren flirtet und sich feindselig gegenüber Israel gebärdet.

Die Gründe hierfür sind vor allem anderen in der Eigenart der Führungsriege der „Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung“ zu suchen, die seit 2002 in der Türkei regiert. Es ist dies eine Führung mit einer „weichen“ kulturislamischen Weltanschauung, die vom säkular-kemalistischen Erbe abweicht und ein islamisches Solidaritätsgefühl auf dem internationalen Schauplatz pflegt. Auf dieser Grundlage hat der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu eine von wirtschaftlichen und außenpolitischen Ambitionen herrührende Doktrin entwickelt, die darauf angelegt ist, die Türkei zu einer dominanten Macht in ihren historischen Einflusssphären zu machen (eine Art „Neoottomanismus“) und auf dem Prinzip „Null Probleme mit den Nachbarn“ beruht.

All dies steht hinter Schritten wie der Annäherung der Türkei an Syrien und den Iran, dem Abstimmungsverhalten im UN-Sicherheitsrat gegen die Verhängung von Sanktionen gegen den Iran, dem Widerstand gegen die Anklage gegen den Präsidenten des Sudans wegen Völkermords in Darfur (Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan: „Undenkbar, dass Muslime einen Völkermord begehen“) oder dem – letztlich aufgegebenen – Widerstand gegen die Ernennung des früheren dänischen Ministerpräsidenten Anders Fogh Rasmussen zum NATO-Generalsekretär als „weiche“ Antwort auf die in der dänischen Presse veröffentlichten Mohammed-Karikaturen.

Israel ist das natürliche Opfer dieses Wandels gewesen. Das Feuer, das nach der Operation Gegossenes Blei – vor dem Hintergrund einer volkstümlichen türkischen Identifizierung mit den Palästinensern – in den Beziehungen ausgebrochen ist, ist seither angesichts des auf der Stelle tretenden diplomatischen Prozesses noch angefacht worden. Auch Israel hat Fehler begangen, aber die türkische Gaza-Flottille war ein Ergebnis der Krise und nicht deren Grund.

So ist nur ein Schatten der einst prächtigen sicherheitspolitischen Zusammenarbeit übrig geblieben. Die Türkei hat ihre Teilnahme an dem NATO-Raketenabwehrprogramm davon abhängig gemacht, dass Israel die relevanten Informationen nicht zugänglich gemacht werden, und in der türkischen Denkschrift zu den nationalen Bedrohungen wird Israels Politik als Quelle der regionalen Instabilität bezeichnet, die türkische Interessen bedroht. Erdogan attackiert regelmäßig Israel und seinen Ministerpräsidenten, und gerade sieht es so aus, als werde er der Bitte von Mahmoud Abbas entsprechen, das Vorantreiben der Anerkennung Palästinas durch die europäischen Staaten anzuführen.

Möglicherweise hat die Türkei die Gelegenheit zu einer humanitären Geste – gegenüber dem israelischen Volk, nicht gegenüber der Regierung – wegen des Preises genutzt, den sie in ihrem Verhältnis mit den USA für ihre Wendung gegen Israel zu entrichten hat. Aber wenn Israel eine Versöhnungsgeste erwägt, sollte es das strategische Bild in den Blick nehmen und sich fragen, wohin die Dinge führen könnten – zu einer kosmetischen Änderung, die Erdogan vor den Wahlen im Juni 2011 auf dem internationalen wie heimischen Schauplatz helfen würde oder zu einer wirklichen Versöhnung, die eine Rückkehr zur Zusammenarbeit ermöglichen würde.

Die Türkei ist ein großer und wichtiger Staat, und man darf nicht auf Beziehungen mit ihr verzichten. Israel muss der Türkei jedoch, wenn es ihr die Hand reicht, klar machen, dass sie den Stab nicht von beiden Seiten anpacken kann – eine antiisraelische Position einzunehmen und gleichzeitig zu behaupten, nicht die Richtung geändert zu haben, und zwischen Israel und seinen Nachbarn vermitteln zu wollen.

Brigadegeneral d. Res. Michael Herzog war früher Stabschef des Verteidigungsministers und ist derzeit Fellow am Washington Institute for Near East Policy.

7 Kommentare

  1. Also ich habe immer hinter die Israeli’s gestanden.
    Ich bin vor die Israeli’s und eher gegen die Palästinenser und vor allem gegen die Araber die ich persönlich nie gemogt habe.
    Die Juden und Türken haben eine lange gemeinschaftliche / befreundete Beziehung und war vor etwa 10 Jahren sehr eng miteinander verbunden, was mir auch ein großes Freude gemacht hatte.
    Ich war hier ein große Befürworter davon.
    Die zussamengeführte militärische Zussamenarbeit und freundschaftliche Beziehung war wichtig und gut.
    Hätte Israel in dieser Zeit einen Krieg mit egal welches Land in ein benachbarte Staat bekommen, hätte die Türkei jegliche militärische Hilfe angeboten um Israel zu helfen.
    Davon kann mann sicher sein.
    Es hat mehrere Gründe wieso die Beziehungen zurzeit zwischen die Türkei und Israel so schlecht sind.
    Es kann noch gut kommen, aber dann darf nicht mehr viel passierenn

  2. Es ist wirklich sehr unklug mal wieder in die Opferrolle zu schlüpfen, Israel ist kein Opfer, nein, ganz im Gegenteil, Israel wurde bis jetzt (bald hoffentlich nicht mehr) nur mit Samthanschuhen angefasst.
    Jedes andere Land hätte sich für ähliche Taten international verantworten müssen.
    Hört endlich auf mit eurem unerträglichen Selbstmitleid, schaut euch mal um, wer mag euch den wirklich noch?
    Es wird erst Frieden geben wenn Israel gelernt hat dass man sich das Eigentum anderer nicht einfach mit Waffengewalt holen kann.
    Das Recht des stärkeren ist das größte Unrecht.
     

  3. Schade wirklich schade wenn ich mir so diesen einseitigen Kommentar lese! Die Türkei war stets an der Seite Israels und hat Israel kurz nach ihrer Gründung anerkannt. Nun wollte die Türkei doch nur im Nahen Osten schlichten um endlich ein Ende für das Blutvergiesen bereiten. Doch die israelischen Regierungsverantwortlichen logen, verheimlichten ja sogar demütigten ihre türkischen Amtskollegen. Und die Ermordung von neun türkischen Zivilisten war dann die Spitze des Eisbergs!

  4. Selten habe ich eine treffendere Ãœberschrift gelesen wie die aus diesem Beitrag. Jedoch verstrickt sich der Autor des Beitrages in Aufführungen von „Belegen“, mit denen er versucht zu beweisen, dass sich die Türkei vom Westen abgewand hat, islamistisch und antisemitisch geworden ist.
     
    Da stellt sich zunächst die Frage, was daran verwerflich sein soll, sich seinen Nachbarn zu nähern, gar die Beziehungen zu normalisieren?? Immerhin hat die türkische Regierung die selben Schritte bei Armenien unternommen. Auch frage ich mich, warum die türkische Ablehnung gegenüber Rasmussen in diesem Beitrag für kritikwürdig gehalten wird. Immerhin bewies er nicht unbedingt fachliche Kompetenz in Sachen „Muhammed-Karikaturen“. Die Türkei begründete ihre ablehnende Haltung damit, dass die Nato zur Zeit gerade in muslimischen Ländern operierte, und das ein gewählter Rasmussen eine Gefahr für jeden Natosoldaten in muslimischen Ländern darstellte. Nie hat die türkische Regierung islamische Gründe für die Ablehnung genannt. Der Türkei eine andere Intention zu unterstellen kommt einer Diffamierung gleich.
    Warum ist es negativ, vor extremen Mitteln (Sanktionen) den Weg der Vernunft (Verhandlungen) zu bevorzugen? Selbstverständlich ist eine iranische Atommacht eine Gefahr, und auch die Türkei möchte in der Region keine Atomwaffen haben. Sollte es jedem klar sein, das das Ziel der Türkei das selbe ist wie der der westlichen Staaten, nur der Weg ist etwas anders. So hat die Türkei mit Brasilien zusammen geschafft, wozu der Westen Ahmedinedjad nicht überreden konnte, den Uranaustausch in der Türkei. Übrigens ist diese Idee ja nicht neu gewesen, es war eine Idee des Westens. Warum hat sich der Westen von dieser Übereinkunft distanziert?
    Kommen wir zu dem leidigen Thema Hilfsflotille. Wir wissen heute alle, dass die Enterung der „Mavi Marmara“ in internationalen Gewässern statt fand. Auch wenn die aktuelle israelische Regierung lediglich von defensiver Gewalt spricht, zeigen doch die Verletzungen der Toten und die Selektion unter den Mitgliedern der Mavi Marmara auf, dass Aktivisten gezielt getötet worden sind. Auch tut sich Israel bei der Wahrheitsfindung keinen Gefallen, wenn das Bildmaterial, welches von Boardkameras und Aktivisten aufgezeichnet worden ist, weiterhin beschlagnahmt bleibt. Ist es denn verwunderlich, dass ein Land gereitzt reagiert, wenn neun seiner Staatsbürger von einem anderen Land, wenn auch befreundet getötet wurde?
     
    Die Türkei kann auch heute wieder ein Freund Israels sein, doch die Wiederherstellung der Beziehungen liegt in der Hand der israelischen Regierung. Auch wenn Herr Liebermann behauptet, dass durch eine Entschuldigung die Sicherheit Israels gefährdet sei, frage ich mich inwiefern eine Entschuldigung Israel gefährden sollte?? Ich persönlich denke, dass gerade millitärische Gewaltakte Israels die größte Gefahr für den Frieden Israels ist.
     
    Michael Herzog interpretiert die Entsendung der Löschflugzeuge völlig falsch. Es ist ein Signal dafür, dass Israelis und Türken nicht verfeindet sind, und das das Schicksal der Israelis auch die Türken berührt. Es ist nichts weiter als eine humaniistische Geste gewesen

  5. Der Konflikt zwischen Israel und Türkei schadet nur Israel. Die Türkei dagegen boomt dank seiner vergessenen Nachbarn (Iran,Syrien).
    Ein Land muss gute Beziehungen zu sein Nachbarland haben damit es wirtschaftlich voran kommt. Daher bitte im um Verständnis.
    Ich empfehle Isarel sich bei der Türkei zu entschuldigen und eine Entschädigung für die Opferfamilien zu bezahlen. Nur dann würde politisch weiter gehen.
    Ich und viele Türken stehen eher zu den Israelis als zu den Palästinensern, die Araber waren die jenigen die uns Osmanen aus den heiligen Ländereien vertrieben und ermordet haben.

  6. Leider fehlt es in dem Bericht wieder mal an dem, woran es dem israelischen Regime immer gemangelt hat – An einer gesunden Portion Selbstkritik.
    Die Türkei ist nicht allein Schuld daran, das die Beziehungen zwischen den beiden Ländern vereist sind.

    Und im Gegensatz zur israelischen Seite kritisiert die Türkei ausdrücklich nur die israelischen Machthaber – Und nicht die Juden als Volk.
    Insofern kann man den Vorwurf des Antisemitismus weit von der Türkei weisen.

  7. kritisieren ist nicht attaktieren…hört auf kinder zu attackeieren und umzubringen dann wird auch das kritisieren aufhören…warum startet ihr nicht eine umfrageweltweit,dann könnt ihr jasehen,was die weltbevölkerung von eurer ‚demokratischen‘ politik hält….weiter so israel…

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