Zaun unter Beschuss

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Etwa sechs Jahre sind vergangen, seit zwei gerichtliche Entscheidungen in der Frage des Sicherheitszauns gefällt wurden. Der Besuch des britischen Außenministers William Hague hat das Thema Anfang des Monats wieder in die Schlagzeilen gebracht…

Von Solon Solomon, Haaretz v. 16.11.10

Im Juli 2004 definierte der Internationale Gerichtshof den Zaun als politisches Projekt; der Oberste Gerichtshof Israel betonte hingegen im Juni 2004 dessen sicherheitspolitischen Aspekt und entschied daher nicht, dass man ihn abbauen solle, sondern wies den Staat lediglich an, seinen Verlauf an einigen Orten zu ändern.

Zwei dieser Orte sind die palästinensischen Dörfer Bilin und Naalin, und Hague entschloss sich nun, sich mit deren Einwohnern zu treffen, die gegen den Zaun aktiv sind. Das Treffen sollte nicht dazu dienen, eine Identifikation gerade mit diesen beiden Dörfern zum Ausdruck zu bringen. Hague äußerte dort sein allgemeines Unbehagen ob des Zaunprojekts als Ausdruck der israelischen Besatzung.

Die von Hague vertretene Sichtweise, wonach der Zaun ein rein politisches Projekt sei, ist vereinfachend. Die Realität zeigt, dass die Terroranschläge sich seit Bau des Zauns verringert haben. Es kann nicht sein, dass ein erfahrener Politiker wie Hague sich dessen nicht bewusst ist. Daher ist klar, dass der von ihm vollzogene Schritt einige Botschaften in sich trägt, die die israelische Diplomatie entschlüsseln muss.

Hagues Einstellung bringt die Kluft zwischen Israel und der internationalen Gemeinschaft zurück auf den Tisch. Während Israel seine Aktivitäten, wie die Errichtung des Zauns, als Maßnahmen zur Selbstverteidigung betrachtet, legt sie die internationale Gemeinschaft als zynische politische Schritte aus. Insofern sind das internationale Recht und das Recht auf Selbstverteidigung die großen Verlierer. Dennoch hat sogar der Internationale Gerichtshof in seinem Gutachten zum Zaun anerkannt, dass das Projekt ein potentielles Sicherheitselement enthält.

Der wichtigste Punkt liegt in der Art und Weise, in der sich Hague auf den politischen Charakter des Zauns bezieht; sie ist in erster Linie mit den Plänen für einen zukünftigen palästinensischen Staat und dessen Grenzen verbunden. Nicht zufällig hat Hague sich wenige Tage, nachdem Ministerpräsident Binyamin Netanyahu vorgeschlagen hatte, den palästinensischen Staat auf 60% des Westjordanlands zu errichten, dessen Grenzen durch den Sicherheitszauns bestimmt würden, mit den Aktivisten getroffen.

Möglicherweise wollte Hague Jerusalem die Botschaft übermitteln, dass die internationale Gemeinschaft nach einem gewissen historischen Prozess nicht damit einverstanden sein wird, dass die Basis der Gründung des palästinensischen Staates gegenüber der, von der die Osloer Verträge sprachen, geschrumpft sein wird. Man kann nicht erwarten, dass die Oslo-Version Netanyahus, die an die Vorschläge Yigal Alons aus den 70er Jahren erinnert, mit offen Armen aufgenommen werden wird.

Gleichzeitig sandte Hague auch eine Botschaft nach Ramallah. Im nächsten Monat wird Großbritannien turnusgemäß die Präsidentschaft des UN-Sicherheitsrates übernehmen, und die Palästinenser haben jüngst ihre Absicht erklärt, sich an den Rat zu wenden und um die Anerkennung ihres Staates zu bitten. Darüber hinaus unterstützen sie zunehmend einen einzigen, binationalen Staat. Die Geste Hagues lässt sich demzufolge in zweierlei Richtung auslegen. Aus der Ermutigung für die Aktivisten gegen den Zaun lässt sich folgern, dass die internationale Gemeinschaft, wenn Israel ihren Anweisungen nicht gehorcht, einen palästinensischen Staat anerkennen wird.

Die beunruhigendere Botschaft besteht darin, dass der Sicherheitszaun, wenn ihm lediglich politische Bedeutung zukommt, nicht als Grenzlinie fungieren kann und man den Jordan als solche festlegen wird. Interessanterweise hat sich die Kadima-Vorsitzende Tzipi Livni bei ihrem Treffen mit Hague nicht damit begnügt, den Zaun aus Sicherheitsaspekten zu verteidigen, sondern auch betont, dass der Zaun zwischen Israel und dem palästinensischen Städten trennt.

Auch wenn die Interpretation Hagues richtig wäre, träfe dies nicht notwendigerweise auch auf die Botschaft Großbritanniens zu. Die Osler Verträge bestimmen, dass Israel und die Palästinenser in Fragen des Endstatus‘ der Gebiete einseitige Schritte vermeiden müssen. Ebenso wie die internationale Gemeinschaft und Großbritannien Netanyahu nicht gestatten dürfen, seine Regelung aufzuzwingen, müssen sie die Palästinenser daran hindern, dies zu tun.

Solon Solomon ist Beauftragter für konstitutionelle und internationale Angelegenheiten in der Rechtsabteilung der Knesset.

2 Kommentare

  1. Ich schaue sehr ambivalent auf die Mauer zwischen Israel und der Palestine Authority. Ich weiß, dass die Mauer Israel vor Anschlägen bewahrt (und damit auch die Familie meiner israelischen Schwiegertochter). Aber als ich bei meiner letzten Reise nach Bethlehem vor einem Jahr sah, wie die Mauer dort wirkt und von den Palästinensern wahrgenommen wird, war ich erschrocken. Solche Mauern machen mir Angst. Dies schreibe ich als ehemaliger DDR-Bürgerrechtler, der mal eine Mauer überwunden hat (ich war 1989/90 Mitglied der Regierungskommission zur Auflösung des Staatssicherheitsdienstes).
     

  2. Argumentation der israelischen Regierung für den Sicherheitszaun im Jahr 2004:

    ‚Bei der Errichtung der jetzigen, zweiten Mauer setzen die Israelis daher auf Altbewährtes, wobei der Status der palästinensischen Gebiete, die fortan auf israelischer Seite liegen, offiziell nicht in Frage gestellt wird. Der Bau des “Sicherheitszauns” stellt somit keinen Versuch dar, eine künftige Grenze zu markieren, bzw. Neuland zu annektieren. Der Verlauf soll in erster Linie von Sicherheitsbedürfnissen bestimmt worden sein.‘

    Und was meinte damals die palästinensische Leitung:
    ‚Und in der Tat glauben viele palästinensische Politiker, dass Israel einer altbewährten Politik folgt: „Was du heute baust, wirst du morgen nicht wieder abreißen“ – die Mauer stelle eines Tages die israelisch-palästinensische Grenze dar.‘

    http://www.kas.de/palaestinensische-autonomiegebiete/de/publications/3723/

    Aber wehe, wer damals die ‚Vermutung der Palästinenser‘ nachvollziehen konnte und dies auch äußerte, der sah sich übler Attacken, ob solch perfider ‚Unterstellungen‘ ausgesetzt.

    Im Urteil des IGH wurde ja nicht das Recht der Israelis auf Selbstverteidigung in Frage gestellt, sondern das Recht Land jenseits der Grünen Linie zu konfiszieren.
    Der Löwenanteil palästinensischen Wassers liegt auf der ‚israelischen Seite‘ des ‚Zauns‘. Die enteigneten Palästinenser erhielten gerade mal 10% des Marktwerts ihrer Ländereien und durch den sich hin und her schlängelnden Verlauf der Mauer entstanden palästinensische Enklaven die von der Außenwelt weitgehend abgeschnitten sind, von der West-Bank und von Israel.

    Israels Recht auf Selbstverteidigung wurde nie in Frage gestellt, allerdings hört das ‚Selbst‘ Israels halt an der Grünen Linie auf und nicht jenseits derselben.

    In den letzten Wochen gab es in Israel einen Eklat, weil sich eine Gruppe jüdischer Theaterschauspieler weigert in der jüdischen Siedlung Ariel aufzutreten, weil diese nicht zu Israel gehört und die Schauspieler ihr Nicht-Einverstandensein mit der Besatzung auf diese Art und Weise zum Ausdruck bringen. Die Politik droht mit Budgetkürzungen.

    Komisch wenn man dann sieht, wie ‚dehnbar‘ diese Begriffe von der Kommune mitunter selbst benutzt werden.

    Im Jahr 2001 unternahm die Siedlung Ariel einen Versuch sich vor den gültigen israelischen Gemeindesteuern zu drücken, da ja ‚Ariel nicht in Israel sei‘.

    http://www.imemc.org/article/59912

    In Ni’ilin übrigens demonstrieren die Palästinenser friedlich und unbewaffnet seit Jahren für die Umsetzung e i n e s    i s r a e l i s c h e n    U r t e i l s des obersten Gerichtshofs   , welches eine Änderung des Verlaufs an dieser Stelle fordert, aber von der Militärverwaltung nicht umgesetzt wird.

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