Die Geschichte vom Keks

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Stückemarkt 2010 – eine israelische Imagekampagne im Theater Heidelberg? Neues vom Heidelberger Israel-Streit oder wozu ein Keks inspirieren kann…

Von Ramona Ambs

Der Heidelberger Israel-Streit schwelt weiter. Wann immer man eine Veranstaltung des Heidelberger Stückemarkts mit israelischem Bezug besuchen will, bekommt man am Eingang von freundlichen Friedensaktivisten zwei Blätter in die Hand gedrückt. Das eine ist eine Einladung zu einer Veranstaltung mit dem Titel: „Was gilt bei uns die Meinungsfreiheit, wenn es um die Politik Israels geht?“ und das andere ein weiterer „Offener Brief„, der Heidelberger Palästina/Nahost-Initiative zum aktuellen Stückemarkt.

Dieser offene Brief, der online allerdings nur beim sogenannten Antikriegsforum Heidelberg zu lesen ist, geht in seiner Kritik am Heidelberger Stückemarkt noch weiter als der Brief von Georg Stein vom Palmyraverlag. So bekunden die Verfasser ihr Befremden darüber, dass man überhaupt eine Theaterkooperation mit den Israelis einging, „wo doch in aller Welt nach dem Gazakrieg Boykottbewegungen gegen Israel entstanden seien“. Man vermutet dahinter eine Imagekampagne, da Arye Mekel, ein Sprecher des israelischen Außenministerium im März 2009 ankündigte, zukünftig mehr für den kulturellen Austausch sorgen zu wollen, damit Israel nicht immer nur mit Krieg assoziiert wird. Dass sowohl Stückemarkt als auch Theaterpartnerschaft bereits seit Herbst 2008, also vor dem Gaza-Krieg, in Planung waren, hätte die Initiative durch einfaches Nachfragen in Erfahrung bringen können. Dennoch schreiben sie in ihrem offenen Brief: „Knapp zwei Monate nach dieser Ankündigung wurde die „Theaterehe“ geschlossen und nun ist Israel das dominierende Thema beim Stückemarkt. Ob das Zufall ist oder nicht, sei dahingestellt. Entscheidend ist, dass dies genau die gewünschte Funktion erfüllt: einige hässliche Flecken auf Israels Fassade werden durch Keksglasur mit Davidstern übertüncht und mit Theaterdekoration verhüllt.“

Der Keks hat es ihnen offenbar angetan.

Der Keks ist das diesjährige Bildsymbol des Stückemarkts. Erfunden hat ihn Efrat Haas, eine Israelin, die seit vielen Jahren in Heidelberg lebt. „Ein deutscher Butterkeks, übergossen mit einer Zuckerglasur mit israelischer Flagge (…) nahrhaft und doch süß, kompakt gebacken, mit vielen Ecken, durchaus zerbrechlich, aber zusammengehalten von einer Ideenglasur“, heisst es im Begleitheft des Stückemarkts. Die Kekse werden nach den Stücken zum Probieren angeboten, sie hängen als Fotomobile im Theater und zieren das Programmheft.


Keks-Erfinderin Efrat Haas unterm Mobile

Man sollte meinen, ein einfacher kleiner Keks mit blauweißem Zuckerguss sei eine harmlose Sache. Aber weit gefehlt. Schon am zweiten Festivalabend kam der technische Leiter des Beit Lessin Theaters auf mich zu und zeigt mir auf seinem Handy das Foto eines Butterkeks mit palästinensischer Zuckergussfahne, den er am Vorabend in die Hand gedrückt bekam.

Auf der Webseite des Antikriegsforum Heidelberg hat man Panzer und schwer bewaffnete Soldaten auf den Keks kopiert (Foto rechts). So will man dort eben Israel sehen und gesehen wissen: als rein kriegerische Besatzungsmacht. Mit Kritik hat derlei Bildbearbeitung nichts zu tun – es ist reine Verächtlichmachung.

Da nutzt es denn auch nichts, wenn man im offenen Brief betont, dass man ja gar nichts gegen das israelische Ensemble habe. Insbesondere nicht bei diesem Wortlaut: „Da Kritik beim Thema Israel gerne absichtsvoll missverstanden wird, möchten wir betonen, dass sich unser Unmut selbstverständlich nicht gegen die israelischen Autoren und Schauspieler oder gegen die israelische Kultur allgemein richtet.“

Aha. Wer soll das glauben, wenn schon ein harmloser Keks mit blauem Davidstern zu derartigen Bildmosaiken inspiriert ? Stellt sich doch die Frage, wer hier einen einseitigen Blick auf Israel hat. Und last: Warum hat man denn, wenn man diese Region offenbar nur unter diesem kriegerischen Aspekt sieht, nicht auch den verteilten Palästinaflaggenkeksen konsequenterweise einen Bombengürtel mit brauner Zuckerglasur umgemalt?

Wer es schon nicht aushält einen Keks mit Israelflagge einfach Keks sein zu lassen und allerlei optischen Unrat digital darauf projeziert, muss sich derlei Fragen gefallen lassen.

Wie dem auch sei – der Keks hat als Symbol offenbar mehr bewegt, als man erahnen hätte können.

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