Stimmen gegen den Austausch: Die Opfer werden noch einmal ermordet

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Ich war nie gegen die Freilassung von Gilad Shalit. Das Gegenteil ist der Fall. Ich habe Massengebete in Diaspora-Gemeinden für ihn organisiert und sichergestellt, dass sein Name bei Feiertags- und Shabbat-Essen genannt wurde, an denen ich teilnahm…

Von Kobi Kimchi

Bei meinen Treffen weltweit habe ich von dem entführten Soldaten und seinen Haftbedingungen gesprochen und natürlich geglaubt, dass die israelische Regierung und die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte einen Weg finden werden, Gilad nach Hause zu bringen. Wir alle sind Gilad.
Doch wer hat das Recht, über die Freilassung derer zu verhandeln, die meinen Vater ermordet haben? Vor neuneinhalb Jahren wurde mein Vater von Männern der Hamas ermordet. Alle, auch die Hintermänner, waren arabische Israelis aus Silwan. Es gab keine sterblichen Überreste meines Vaters, die wir hätten beerdigen können. Der Selbstmordattentäter hat nicht nur meinen Vater direkt getroffen, sondern auch uns, die Mitglieder der Familie Kimchi. Wir werden den Schmerz, das Leid, den Verlust, die Sehnsucht, Erinnerungen und Alpträume bis zu unserem letzten Tage ertragen müssen.

Bis zu einem gewissen Grad bereitete es mir Trost, dass die Mitglieder der Terrorzelle von Silwan geschnappt und eingesperrt wurden, und ich glaubte, dass sie nie mehr freikommen würden. Ich habe dem Staat Israel vertraut, dass weder sie noch die anderen Terroristen, die für die Morde an Hunderten Israelis verantwortlich sind, freigelassen werden. Ich hatte mich geirrt.

Die Angst wurde Wirklichkeit und zu einem Alptraum für die Familien der israelischen Terroropfer. Warum müssen wir wieder leiden? Warum müssen wir es sein, die zweimal mit Schmerz und Leid bezahlen müssen? Mein Vater und viele andere, die ermordet wurden, werden nicht wieder zurückkehren. Warum sollten also diese Mörder, deren Gefängnis- einem Hotelaufenthalt glich, nach Hause gehen können? Ist der Terrorismus ein einträgliches Geschäft geworden?
Einige Menschen im Staat Israel haben die Bilder der zerstörten Busse im ganzen Land vergessen, den Anblick von Cafés und Restaurants, die ausgelöscht wurden, den Terroranschlag im Park-Hotel in Netanya mitten während der Pessach-Gebete und den Anschlag am Dolphinarium, wo Teenager, die nur mit ihren Freunden Spaß haben wollten, umgebracht wurden. Können wir uns die Freilassung ihrer Mörder vorstellen?

Ich stelle mir vor, dass es für Binyamin Netanyahu nicht einfach war, dieses Abkommen zu schließen, doch sosehr ich es auch versuche, kann ich keinerlei Logik in der Freilassung von Terroristen erkennen, die offensichtlich zum Terror zurückkehren und noch mehr unschuldigen Menschen Schaden zufügen werden. Ich fühle mich durch die israelische Regierung zutiefst enttäuscht, verletzt und verraten. Unsere obersten Politiker müssen zumindest den Familien, die ihre Lieben verloren haben, eine Entschuldigung anbieten.

Ich schätze die israelische Regierung zutiefst, doch ich denke, dass unsere Politiker etwas von der amerikanischen Regierung lernen könnten, die sich selbst treu bleibt und nicht gemeinsame Sache mit den Terroristen macht, sondern sie bekämpft; ohne Deals und Zugeständnisse.
Indem sie vor dem Terror kapituliert, verletzt die israelische Regierung Tausende Familien, nicht nur in Israel sondern weltweit. Sie versetzt hunderttausende unschuldiger Zivilisten in eine lebensbedrohliche Situation Auge in Auge mit den Terroristen; wir alle wissen, dass zumindest einige von ihnen zum Terror zurückkehren werden. Die Freilassung von Terroristen stellt eine Legitimierung des Terrors dar und ermutigt andere, ihre Anschläge fortzusetzen.

Wir, die Terroropfer weltweit, haben eine Möglichkeit, Rache zu nehmen. Unsere Rache ist es, den Terroristen zu zeigen, wie stark wir gemeinsam sind. Terrorismus wird uns nicht zerschlagen oder besiegen, doch zu meinem Bedauern schwächt uns die Freilassung so vieler Terroristen nicht nur – sie lässt den Terror als Sieger zurück und verletzt die Opfer ein zweites Mal. Heute fühle ich, dass mein Vater, wie so viele andere Opfer, ein zweites Mal ermordet wurde.

(Ynet, 13.10.11)
Der Vater des Autors, Rahamim Kimchi, wurde 2002 mit 14 Weiteren bei einem Selbstmordanschlag in Rishon Lezion getötet.
Die im Newsletter veröffentlichten Kommentare geben nicht grundsätzlich den Standpunkt der israelischen Regierung wieder, sondern bieten einen Einblick in die politische Diskussion in Israel.

Pro und Kontra:
1027 für Einen
Israel diskutiert über das Abkommen zur Freilassung des entführten Soldaten Gilad Shalit. Die Mehrheit der Bevölkerung sieht den Grundsatz, der israelische Staat müsse alles tun, um seine Zivilisten und Soldaten nach Hause zu holen als richtig an und unterstützt das Abkommen. Andere haben Sorge, ein solches Abkommen unterstütze den Terrorismus. Wir dokumentieren beide Positionen in zwei Kommentaren…