Ein Überzeugungstäter

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Ein Kölner Dauerdemonstrant „entdeckt“ den Antisemitismus…

Von Roland Kaufhold

Seit 20 Jahren weiß dieser Mensch nichts besseres mit sich anzufangen, als sich tagaus, tagein mit Papptafeln zu umgeben und eine Wahrheit zu verkünden. Öffentlich. Auf der vor dem Kölner Dom gelegenen Domplatte. Seit vier Jahren kennt dieser sich irrtümlich als „links“ gerierende „Dauerdemonstrant“ nur noch ein Thema: Der Jude, der israelische Staat ist böse. Er ermordet willkürlich Menschen. Gemeinhin bezeichnet man dies als eine besonders bösartige Variante des Antisemitismus.

Die Domplatte ist ein beliebtes Ziel für Touristen. Mit stoischer Haltung, hinter der sich jedoch eine geballte Aggression  verbirgt, verkündet Herrmann tagtäglich seinen Antisemitismus – worauf der 70-jährige ersichtlich stolz ist.

Für viele Touristen, hierunter auch jüdische Besucher und ehemals Verfolgte des Naziregimes, war die Konfrontation mit diesem Judenhass ein schockierendes Erlebnis. Ich erinnere mich des Besuches von Orna Porat am 31. Mai 2005 in Köln: Die Grand-Dame des israelischen Theaters – ihr wurde 1979 der Israel Preis verliehen – , kehrte 2005 mit ambivalenten Gefühlen in ihre frühere Heimat Köln zurück. Die Stadt Köln hatte die im Juni 1924 unter dem Namen Irene Klein in Köln Geborene zu einem öffentlichen Empfang ins Rathaus eingeladen, um sie für ihr Lebenswerk zu ehren. 1947 war die ehemalige Protestantin von Köln nach Israel gegangen. Für Viele war die liebenswürdige, phasenweise auf Kölsch vorgetragene Dankesrede der 81-jährigen im Kölner Rathaus eine bewegende Begegnung. Einen Tag später wurde Orna Porat mit den antisemitischen Darstellungen des Herrmann vor dem Kölner Dom konfrontiert – für sie eine verstörende Erfahrung. Tief belastet verließ sie Köln wieder.

Der Kölner bezeichnet seine Stadt gerne als liberal, tolerant, weltoffen. Es hat lange gedauert, bis akzeptiert wurde, dass sich Köln während des Nationalsozialismus in gleicher Weise menschenverachtend und mörderisch verhalten hat wie der Rest der Republik. Dass der rechtsradikalen Organisation „Pro Köln“ erneut der Einzug in den Stadtrat gelungen ist sollte erwähnt werden. Dennoch: Als Anfang der 1980er Jahre ausländerfeindliche Gewalttaten die Republik erschütterten kam es zu von einem breiten Bündnis getragenen Protesten gegen Ausländerfeindlichkeit. Wohl 100.000 Kölner gingen auf die Straße. In Kölns Partnerstadt Tel Aviv ist dies mit Wohlwollen wahrgenommen worden. Und vor einem Jahr jagten zehntausende Kölner den von „Pro Köln“ organisierte, inhaltsleeren „Anti-Islam-Kongress“ mit einer Blockade und farbenträchtigen Demonstrationen aus der Stadt.

Diese Diskrepanz zwischen entschiedenem demokratischen Handeln einerseits und falsch verstandener Toleranz gegenüber den antisemitischen Manifestationen des Herrmann ist lange geduldet worden. Nur Wenige protestierten gegen die antiisraelischen Papptafeln des Querulanten – denn nur solche Tafeln, die die Terrortaten der Hamas verleugnen und verharmlosen, werden von ihm aufgehängt. Allein der Umstand, dass sich dieser Mensch – der sich seine Kenntnisse über die äußerst komplexe Situation in Israel und Nahost offenkundig während seines Daueraufenthaltes auf der Domplatte erwirbt – ungeniert ausgerechnet den Begriff der „Klagemauer“ für seine antisemitischen Ausfälle aneignet, ist an Peinlichkeit kaum zu überbieten. 2005 forderte die Synagogengemeinde, dass dieser Schandfleck entfernt werden müsse – vergeblich.

Der taz-Journalist Pascal Beucker gehört zu den Wenigen, die bereits früh auf dessen projektiven Aktivismus aufmerksam gemacht hat. In der „Tageszeitung“ (taz) führte er 2007 aus: „Für die einen ist er der `Rebell von der Domplatte´, ein unermüdlicher Kämpfer für die gute Sache. Für die anderen ist er schlichtweg ein querulantischer Plagegeist. Der Kölner Walter Herrmann (…) stößt inzwischen auch einstige politische Verbündete und Sympathisanten vor den Kopf.“ Beucker schildert eine für Herrmann typische Szene, in der der selbsternannte Herrscher der Domplatte in der Attitüde eines deutschen Blockwarts englisch singende Straßenmusiker und Straßenkünstler zu vertreiben versuchte:

„. `Der ist sehr laut´, bemerkt Herrmann missbilligend. (…) Das kann Herrmann nicht hinnehmen. `Da muss ich jetzt die Polizei rufen´, sagt er. Dann ruft er die Polizei. Schließlich geht es ja um sein Lebenswerk. (…) Und niemand soll in dieser Zeit die Aufmerksamkeit von seiner `urdemokratischen Veranstaltung´ ablenken (…). Auch keine Straßenkünstler.“

In einem Leserbrief an die taz  vom 12.4.07 ließ Herrmann bereits vor drei Jahren seine wahren Motive erkennen: Er sprach von „zionistische(n) Randalierer(n)“ und fügte, in der Pose eines Verfolgten, hinzu: „Die Kölner Klagemauer ist keine Ich-AG. Sie wird realisiert und verantwortet vom Klagemauer-Team. (…) Die Methode, nicht-konformistische politische Akteure (um nicht zu sagen: Dissidenten) mit Vokabeln aus der Psychiatrie zu etikettieren, ist infam.“

Drei weitere Jahre mussten vergehen, bis erstmals öffentlicher Protest laut wurde. Im Februar 2010 war es das Engagement eines Einzelnen, welches ein Presseecho gegen die selbsternannte „Klagemauer“ auslöste – das bis heute anhält: Der Kölner Schauspieler Gerd Buurmann entdeckte bei einem Spaziergang auf der Domplatte ein besonders abstoßendes antisemitisches Bild: Herrmann hatte ein Plakat aufgehängt, auf dem ein mit einem Davidstern als Jude gekennzeichneter Mann mit einem Messer, auf dessen Schneide das Wort „Gaza“ stand, ein Kind zerstückelte. Dieses war durch die Keifja als palästinensisch gekennzeichnet. Neben dem Teller stand ein Becher voller Blut. In eindeutiger Weise wurde an antisemitische Rituallegenden angeknüpft, der zufolge Juden christliche Kinder ermorden und deren Blut trinken. Buurmann erstattete bei der Kölner Staatsanwaltschaft Strafanzeige, verfasste ein öffentliches Schreiben an alle im Stadtrat vertretenen Fraktionen und eröffnete zugleich den Internetblog www.tapferimnirgendwo.wordpress.com, auf dem er regelmäßig über den Fortgang seiner – sowie weiterer Strafanzeigen – eingeht. Buurmanns Aktion rief ein beachtliches Presseecho hervor: Vom jüdischen Internetmagazin haGalil über den Kölner Stadtanzeiger , die Jüdische Allgemeine, die Welt bis hin zur Jerusalem Post reichten die Reaktionen.

Gegenüber haGalil rekonstruierte Buurmann im Februar 2010 in einem mit „Antisemitismus ist unser aller Problem!“ überschriebenen Interview die bisherige Entwicklung:

„Der konkrete Anlass war eine Karikatur, die an der Antiwand aufgehängt wurde, auf der ein Jude abgebildet ist, der ein palästinensisches Kind isst. Die Antiwand ist mir schon lange ein Dorn im Auge, da dort sehr einseitig der israelisch-palästinensische Konflikt dargestellt wird, bei der Israel ausschließlich als Aggressor, Palästinenser aber ausschließlich als Opfer dargestellt werden. (…) Als ich jedoch die Karikatur sah, wurde mir klar, dass meine Einschätzung der Situation als Volksverhetzung von staatlicher Seite geprüft werden muss. Bei dieser Karikatur ist der dort abgebildete Kinderfresser nämlich nicht als Israeli gekennzeichnet, was schon widerlich genug wäre (…) sondern klar als Jude.“

Es gibt weitere Bemühungen: Eine Internetinitiative formulierte eine Petition für ein Verbot der „Klagemauer“. Eine über Buurmann erreichbare Initiative von Kölnern plant konkrete Protestaktionen gegen die „Antimauer“ (Buurmann) – wenn sie denn wieder öffentlich in Erscheinung tritt: Unmittelbar nach Einreichung der Strafanzeige entfernte Herrmann das antisemitische Plakat und wandelte seine Antiwand in einen Protest gegen „Wohnungsnot“ um – verbunden mit der trotzigen drohenden Ankündigung, er werde seine „Klagemauer“ im Juni 2010 wieder in alter Gestalt aufbauen. Dies ist zwischenzeitlich geschehen: Die „Klagemauer“ kennt erneut nur noch ein Thema: Israel und die Juden…

Auf den offenen Brief Buurmanns reagierten mehrere Fraktionen positiv: Die Kölner FDP und ein CDU-Landtagsabgeordneter äußerten ihre Unterstützung für Buurmanns Forderungen, die SPD hüllte sich in Schweigen. Am glaubwürdigsten äußerten sich die im Kölner Stadtrat stark vertretenen GRÜNEN. Ihr Vorstandsmitglied Ciler Firtina schrieb:

„Vielen Dank für Ihre Mail mit dem Hinweis auf die Besorgnis erregenden Aktivitäten Walter Herrmanns. Die `Klagemauer´ von Walter Herrmann, die vor rund 20 Jahren als „Klagemauer für Frieden“ entstand, war damals eine wichtige Ausdrucksform gegen Obdachlosigkeit und Krieg und wurde zu Recht dafür mit dem Aachener Friedenspreis ausgezeichnet. Wir Grüne haben uns damals für den Erhalt der „Klagemauer“ eingesetzt.

Mittlerweile ist die „Klagemauer“ aber zu einem Instrument einseitiger und verbohrter  Kritik an Israel verkommen. Deshalb nimmt in der Politszene auch kaum noch jemand Walter Herrmann ernst. Doch das gilt leider nicht für PassantInnen aus der ganzen Welt, die Köln besuchen. Hier tut Aufklärung dringend not!

Wir Grüne müssen uns ebenso wie die anderen demokratischen Kräfte in Köln  eingestehen, dass wir die `Klagemauer´ von Walter Herrmann nicht mit der nötigen Aufmerksamkeit bedacht und entsprechend kritisier haben! Insofern sind wir dankbar für Ihre Wachsamkeit und sehen Ihre Anzeige wegen Volksverhetzung als berechtigt an.

Wir sind erschrocken und entsetzt darüber, dass Herrmann zur Illustration seiner Kritik an der Politik Israels unter anderem eine Karikatur aufgehängt hat, die einen Juden zeigt, der mit Messer und Gabel ein palästinensisches Kind zerstückelt. Das ist widerwärtig. Das ist ganz klar antisemitisch.

Egal, was man von der Politik Israels hält – Antisemitismus und Rassismus dürfen und wollen wir nicht dulden.

Solange diese `Dauerdemonstration´ aber durch das Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt ist, müssen wir sie leider dulden.

Wir schlagen daher vor, dass eine Gegenaktion durchgeführt wird, in der auf Flugblättern über den Antisemitismus Walter Herrmanns informiert wird. Vielleicht können wir auch das Dom-Forum dafür gewinnen, solch ein Flugblatt auszulegen.“

Ciler Firtinas Bemühungen, so sollte hinzugefügt werden, scheinen zu einem Erfolg geführt zu haben: Eine gemeinsame politische Resolution zahlreicher Kölner Parteien, Institutionen und Initiativen gegen den Antisemitismus der „Klagemauer“ scheint in der nächsten Zeit veröffentlicht zu werden. Ein wirklicher, demokratischer Erfolg!

Auch die Initiatoren des „Aachener Friedenspreises“ rückten inzwischen von Herrmann ab.

Als der öffentliche Druck größer wurde reagierte auch der Kölner Bürgermeister Jürgen Roters – in einer sprachlich verständnisvollen, zugleich jedoch auf rechtliche Bedenken verweisenden Art. Am 7.4.2010 schrieb er an die Initiatoren der Petition: „Auch ich finde die von Ihnen angemahnten erkennbar provokanten Darstellungen unerträglich. Zwar muss im Hinblick auf die im Grundgesetz verankerte Meinungsfreiheit auch Kritik an der israelischen Politik erlaubt sein, aber da, wo diese beleidigende oder gar antisemitische Züge trägt, sollte dies insbesondere vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte unterbleiben.“

Eine Woche später gelang an die Öffentlichkeit, dass das Gericht die Strafanzeige Buurmanns abgelehnt habe. Daraufhin kam es zu äußert ungewöhnlichen öffentlichen Reaktionen von israelischen Staatsvertretern. Benjamin Weinthal berichtete am 18.4.2010 in der Jerusalem Post:

“The Israeli Embassy in Germany on Friday rebuked the public prosecutor’s office in Cologne for allowing a public exhibit named `Wailing Wall´ that features a cartoon it says encourages `hatred and violence´ against Jews and the State of Israel.
`If one shows a figure with an Israeli flag devouring a Palestinian child, this reminds us of the most scurrilous accusations of ritual murder in European anti-Semitism,´ the embassy said in a statement.”

Und Israels Gesandter Emmanuel Nahshon formulierte am 22.4.2010 in einem Gastkommentar im Kölner Stadtanzeiger :

„Mein Anliegen ist (…) nicht, eine Entscheidung der Kölner Staatsanwaltschaft anzuprangern. Ich erlaube mir jedoch, als Jude und als israelischer Diplomat, der in Deutschland lebt, meine Sicht auf die moralischen und historischen Aspekte darzulegen, die mit der Entscheidung zusammenhängen, wonach das Bild eines Juden, der ein palästinensisches Kind verspeist, an der so genannten Klagemauer vor dem Kölner Dom nicht volksverhetzend sei. (…) Diese Darstellung ist unmoralisch und stachelt zum Hass auf. (…) Was ich (…) beurteilen kann, ist, dass diese Karikatur erniedrigend und widerlich ist. Sie geht beim besten Willen nicht als Israelkritik durch, die vollkommen legitim ist. Sie hat nichts zu tun mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt, der von beiden Völkern gemeinsam in einer Zwei-Staaten-Lösung überwunden werden wird. (…) Die Karikatur hat auch nichts zu tun mit dem realen Leid von Kindern in Gaza, das eine direkte Folge der Tatsache ist, dass Gaza von einer islamistischen Terrororganisation beherrscht wird. Vielmehr hat das an der „Klagemauer“ gezeigte Bild alles zu tun mit dem Versuch, Juden als Monster darzustellen und Hass zu sähen.“

Die nächsten Monate werden zeigen, ob dieser vulgäre Antisemitismus in Köln toleriert wird. Zivilcourage ist angesagt.

Dr. phil. Roland Kaufhold, Sonderschullehrer und Publizist,  Buchveröffentlichungen u.a. (Hg.) (1994): Annäherung an Bruno Bettelheim; (Hg.) (1999): Ernst Federn: Versuche zur Psychologie des Terrors (Psychosozial Verlag); (Mthg.) (2001): Deutsch-israelische Begegnungen, psychosozial Heft 83; (2001): Bettelheim, Ekstein, Federn  (Psychosozial Verlag); (Mithg.) (2003): „So können sie nicht leben“ – Bruno Bettelheim (1903 – 1990), Zeitschrift für Politische Psychologie 1-3/2003.

Diese Studie ist zuvor in einer leicht gekürzten Version in der traditionsreichen Zeitschrift TRIBÜNE. Zeitschrift zum Verständnis des Judentums (49. Jg., Heft 194, Mai 2010, S. 40-42) erschienen. Wir danken der Redaktion und dem Verlag für die freundlich erteilte Nachdruckgenehmigung.

„Mossad, Mossad!!!“ – Die Akte „Kölner Klagemauer“ oder: Mossad Ermittlungen in Kölner Bürgerzentrum

1 Kommentar

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    Ich finde Ihren Bericht etwas einseitig und personenbezogen.
    Ich war eine der Ersten, die 2004 / 2005 neben der Synagogengemeinde Beschwerden sowohl bei der Kölner Polizei, als auch bei der Staatsanwaltschaft einreichte. Sie SGK berichtete darüber in einem langen Artikel. Auch Samuel Laster veröffentlichte seit 2004 laufend Berichte zur Kölner Klagemauer, das bleibt in beinahe allen Medien unerwähnt.
    Das schreibe ich nicht, um mich oder Herrn Laster in den Vordergrund zu stellen. Es schadet der Angelegenheit nur sehr, nicht richtig zu recherchieren. Unterstüzter der Klagemauer freuen sich, wenn sie lesen, dass es kaum Widerstand gab.

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