Iran im Hitzeschock

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Die Amir-Kabir-Talsperre, Foto: Diako1971 / CC BY-SA 3.0

Milliarden für Kriege, aber kein Wasser für die Menschen

Von Mikheil Khachidze

Der Iran steht vor einer beispiellosen Energie- und Wasserkatastrophe. Angesichts extremer Hitze und akuter Knappheit kündigte die Regierung die Schließung von Regierungsbüros und Banken in 27 Provinzen an, darunter Teheran, Isfahan, Chuzestan und Kerman. Seit Anfang August kommt es täglich zu Strom- und Wasserabschaltungen von bis zu zehn Stunden. Die Wasserstände in den wichtigsten Staudämmen, wie dem Karaj-Staudamm, sind auf historische Tiefstände gefallen, was die Leistung der Wasserkraftwerke massiv einschränkt.

Die wirtschaftlichen Folgen sind dramatisch: Verluste von täglich rund 100 Millionen US-Dollar, eine um 25 Prozent gesunkene Industrieproduktion, ein Rückgang der Einnahmen im informellen Sektor um 40 Prozent und eine Schrumpfung der Aktivitäten kleiner Unternehmen um ein Viertel.

Misswirtschaft und falsche Prioritäten

Die Ursachen liegen nicht allein im Klimawandel. Jahrzehntelange Misswirtschaft, ineffiziente Ressourcennutzung und fehlende Modernisierung unter internationalen Sanktionen haben das Land verwundbar gemacht. Milliarden fließen in Raketenprogramme und regionale Stellvertreterkriege – zuletzt in den 12-tägigen Konflikt mit Israel – während Strom, Wasser und Gesundheitsversorgung für die eigene Bevölkerung vernachlässigt werden.

Die sozialen Spannungen nehmen zu. Besonders kleine Betriebe und einkommensschwache Familien leiden unter den Engpässen. Energie und Wasser sind elementare Lebensgrundlagen – ihr Fehlen verstärkt den Unmut. Die Prioritätensetzung des Regimes, Krieg vor Wohlergehen, nährt den Protestpotenzial zusätzlich.

Wasser als politische Zündschnur

In den letzten zwei Jahrzehnten waren wiederholt Unruhen mit Wasserkrisen verknüpft: Proteste rund um den austrocknenden Urmia-See (2011), Bauernaufstände wegen Umleitungen von Wasserressourcen in Isfahan und Khuzestan (2018), Niederschlagung mit Tränengas und Gummigeschossen. Wasser ist längst ein politischer Sprengsatz in Iran.

Auch regional sorgt die Krise für Spannungen. Konflikte mit Afghanistan über den Helmand- und Harirud-Fluss, Streitigkeiten um den Kaspischen Ozean sowie Rivalitäten im Euphrat-Tigris-Becken prägen die Beziehungen. Zudem teilt Iran wichtige Grundwassersysteme mit Nachbarn wie Aserbaidschan, Armenien, Turkmenistan, der Türkei, Russland und Georgien. Übermäßige Grundwasserentnahme kann diese Spannungen verschärfen.

Klimawandel ist dabei ein zusätzlicher Verstärker: Wissenschaftler erwarten eine deutliche Verschlechterung der Wasserversorgung, sinkende landwirtschaftliche Erträge und verstärkte Dürren in Regionen wie Ostaserbaidschan oder am Karkheh-Aquifer.

Internationale Dimension

Die Energiekrise im Iran ist mehr als ein Symptom extremer Hitze – sie ist ein Weckruf. Wenn die Regierung keine wirksamen Maßnahmen ergreift, könnte dies den sozialen Unmut weiter verstärken und zu politischen Spannungen führen.

Die Krise entfaltet sich parallel zur jüngsten Eskalation mit Israel und den USA. Im Juni bombardierten beide Länder iranische Nuklearanlagen, während Teheran mit Raketen- und Drohnenangriffen auf Israel und eine US-Basis in Katar reagierte – eine der gefährlichsten Eskalationen der letzten Jahre.

Vor diesem Hintergrund richtete Israels Premierminister Benjamin Netanjahu eine Botschaft direkt an die iranische Bevölkerung: „Sobald ihr frei seid von dem tyrannischen Regime, helfen wir euch, die Wasserkrise zu lösen und bringen das Wasser zurück in euer Leben.“

Doch solange Teheran Milliarden in Kriege investiert, statt die Lebensgrundlagen der eigenen Bevölkerung zu sichern, wird sich die Schere zwischen Regimeinteressen und den Bedürfnissen der Menschen weiter öffnen – mit unvorhersehbaren Folgen für Iran und die gesamte Region.

Mikheil Khachidze ist ein georgischer Journalist, der seit vielen Jahren über Israel, jüdisches Leben und die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten berichtet. Er schreibt für georgische und internationale Medien und verbindet persönliche Eindrücke mit politischer Analyse.