Tief in Tel Aviv: Levinsky-Boulevard

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Im Hintergrund die Wolkenkratzer, eingerahmt von der Straße und der Zubringerbrücke zum neuen Busterminal. Ampeln, Leuchten, Leute. Last Exit, Adolan…

Farben, Laute, Rufe, auch Ratten, in Rudeln. Aber frei. Die Patrouillen sollen eigentlich niemanden belästigen. Einfach nur Präsenz und ab und zu ein Tütchen ausschütten. Jeder kann leben, wie er eben kann und so lange er kann. Und helfen soll man auch, wenn man kann, und so geht es auch irgendwie.

Der Schuhverkäufer sitzt dort schon seit Jahrzehnten. Wenn man keinen Streit sucht, hat man auch keinen. Die Schuhe kosten 80 Schekel, 17 Euro, italienischer Chic, zu eng. Man kann dort auch Filme sehen, an der Ecke Iger zum Beispiel, in einem Gartenrestaurant, drei Flachbettbildschirme, einer zeigt Naturbilder, Antilopen, der andere Boxer, der dritte eine musikalische Show. Plastikstühle, Girlanden, Nargilas. Auf der Theke liegen Burekas. Darunter sitzen drei Raten. Ich nehme einen Guavensaft aus dem Kühlschrank. Eine Frau kocht Kaffee.

Man kann auch Filme machen hier. Zum Beispiel Tobias Kruse von der Agentur „Ostkreuz“. Er erzählt: „Vom Rothschild Boulevard, einer der teuersten Straßen Tel Avivs, sind es nur ein paar Gehminuten bis zum Alten Busbahnhof, der 2009 geschlossen und zur Hälfte abgerissen wurde. Die meisten Einwohner meiden diesen Ort, obwohl er mitten im Zentrum liegt.
Der Alte Busbahnhof ist das Reich der Ausgestoßenen und Kaputten. In den Ruinen treffen sich ukrainische und deutsche Prostituierte, Stricher und Transvestiten aus Israel und den Palästinensergebieten. Viele von ihnen sind auf Heroin oder Crystal Meth. Der Boden ist übersät mit Spritzen und Kondomen. Was anderswo in Israel existenziell ist, verliert hier seine Bedeutung. Am alten Busbahnhof spielt es keine Rolle mehr, wer man ist und woher man kommt“.

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