Am 20. November 2025 jährt sich zum hundertsten Mal der Geburtstag von Robert F. Kennedy. Bei seiner Ermordung am 6. Juni 1968 spielten offenkundig auch israelfeindliche Motive des Täters eine Rolle.
Von Armin Pfahl-Traughber
Am 20. November 2025 jährt sich zum hundertsten Mal der Geburtstag von Robert Francis Kennedy, der auch als „Bobby“ oder RFK in den Medien und dem Umfeld tituliert wurde. Er galt Ende der 1960er Jahre nicht nur in den USA als ein politischer Hoffnungsträger, wollte RFK doch sowohl die Diskriminierung der Schwarzen wie den Krieg in Vietnam beenden. Seine Kandidatur um das Präsidentenamt wurde aber durch seine Ermordung 1968 verhindert. Sie stand für ein erstes Ende progressiver Signale aus den USA. Die Erinnerung an RFK wurde und wird durch die Erinnerung an seinen Bruder überlagert. John F. Kennedy galt auch als Hoffnungsträger und fiel ebenfalls einem Mord zum Opfer. Gleichwohl sollte dadurch der jüngere Bruder nicht in Vergessenheit geraten. Der Blick auf RFK richtet sich hier aber auf die Umstände seines Todes, wurde er doch eben am 5. Juni 1968 in einem Hotel in Los Angeles erschossen. Bei dem Täter handelte es sich um den damals vierundzwanzigjährigen Sirhan Bishara Sirhan, der aus israelfeindlichen Gründen die Tat beging.
Um diesen Hintergrund zu verstehen, muss ein wenig in die Lebensgeschichte von RFK zurückgegangen werden. Er kam bekanntlich aus einer wohlhabenden Familie, die ihm ein Jura-Studium an einer Elite-Universität ermöglichte. Dort nahm der gläubige Katholik auch Ressentiments gegen Minderheiten wahr, so empörten ihn sowohl antiatheistische wie antisemitische Einstellungen auch unter den Lehrenden. Gegenüber Israel nahm er öffentlich positive Statements vor. So veröffentlichte RFK kurz nach der Staatsgründung 1948 in der „Boston Post“ vier Artikel, worin er die Gründung des Staates begrüßte und gegen kursierende Vorbehalte argumentierte. Auch kritisierte RFK die frühere US-Regierung dafür, dass sie sich zu wenig für die Juden in Palästina nach dem Holocaust engagiert hatte. Gleichwohl gehörte die Aufmerksamkeit für Israel und den Nahost-Konflikt nicht zu den für ihn wichtigsten Themen. Er engagierte sich zunächst primär gegen die Organisierte Kriminalität in USA und dann später gegen die Kriegsführung in Vietnam.
Sein Bruder hatte ihn seinerzeit zum Justizminister gemacht, nach dessen Ermordung zog sich RFK indessen zunächst schockiert zurück. Gleichwohl kandidierte er erfolgreich um das Amt des Senators für New York, das er von 1965 bis zu seinem Tod innehatte. 1968 entschloss sich RFK dazu, für die Demokraten um das Amt des US-Präsidenten zu kandidieren, wobei er zunächst einmal die Kandidatur seiner Partei gewinnen musste. Bei außenpolitischen Fragen unterstützte RFK öffentlich Israel, er trat auch für die Lieferung neuer Phantom-Flugzeuge an das Land ein. Im Jahr zuvor war Israel bekanntlich nur durch einen Präventivkrieg einem Angriff arabischer Staaten zuvorgekommen, was öffentlich aber häufig bezüglich der Kriegsschuld verschoben wahrgenommen wurde. Ähnlich verhielt es sich auch bei seinem Mörder, der später seine Tat eben mit RFKs pro-israelischen Positionen zu rechtfertigten versuchte. Er hatte einen palästinensischen Hintergrund und rief angeblich nach seinen Schüssen am Tatort: „Ich habe es für mein Land getan“.
Über das Attentat selbst liegen teilweise widersprüchliche Versionen vor, außerdem kursieren wie bei dem Mord an John F. Kennedy diverse Verschwörungsvorstellungen. Eine gesicherte Einordnung kann daher nicht vorgenommen werden. Gleichwohl ist die israelfeindliche Einstellung des Täters überaus wichtig. Es dürften aber auch psychische Probleme eine wichtige Rolle gespielt haben, was aus ihm den frühen Akteur eines Lone-Actor-Terrorismus macht. Dazu seien hier einige Angaben zum vorherigen Leben von Sihan vorgetragen: Er wurde 1944 in Jerusalem in eine christliche Familie hinein geboren und soll bereits in jungen Jahren den gewalttätigen Nahost-Konflikts mitbekommen haben. Seit 1956 lebte Sihan in den USA und musste ebendort mehrfach ein berufliches Scheitern erfahren. Es gab darüber hinaus häufig Konflikte mit seinen Arbeitgebern, welche für ihn zur Arbeitslosigkeit führten, zuletzt im März 1968. Das tödliche Attentat folgte drei Monate später, ausgerechnet in einer Hotelküche, die RFK als schnellen Rückweg nach einer Veranstaltung nutzen wollte.
Danach verurteilte 1969 ein Geschworenengericht dann Sihan zum Tode, 1972 erfolgte aber eine Abänderung in eine lebenslange Freiheitsstrafe. Seitdem machte Sihan immer wieder unterschiedliche Angaben zu seiner Tat, die er mal mehr oder weniger eingestand, dann aber auch wieder abstritt. Es gab auch anderslautende Deutungen, die ihn eher als manipulierten Akteur unter Hypnose darstellten. Und dann sollte es auch noch einen zweiten Schützen gegeben haben. Aber für all diese Auffassungen zum Tatverlauf konnten keine überzeugenden Beweise ermittelt werden. Dafür fanden Ermittler handschriftliche Aufzeichnungen von Sihan, wonach er mehrmals hintereinander „RFK must die“ exzessiv in Wiederholung geschrieben habe. Genaue Belege für eine Kooperation mit anderen Akteuren gab es nicht. Gleichwohl forderten in den 1970er Jahren palästinensische terroristische Organisationen wie die „Volksfront zur Befreiung Palästinas“ oder der „Schwarze September“ mehrfach bei Flugzeugentführungen seine Freipressung aus der Haft.
Belege für frühere Kooperationen mit diesen Gruppierungen gibt es indessen nicht. Gleiches gilt für Annahmen, wonach deren Akteure bei dem Mord unterstützend tätig gewesen seien. Erkennbar gab es aber eine politische Motivation des Täters, der sich angesichts von RFKs israelfreundlicher Haltung eindeutig in einem israelfeindlichen Sinne geäußert hatte. Bei ihm dürften noch psychische Auffälligkeiten angesichts von persönlichen Erfahrungen hinzugekommen sein. Sie erklären mit die Gewaltorientierung bei Sihan, welche durch seine genannte israelfeindliche Einstellung zur konkreten Tat führte. Gleichwohl gab es eine politische Motivation für die mörderische Praxis, suchte er sich das Opfer für seine Tat doch nicht zufällig aus. Die Bekundung am Tatort („Ich tat es für mein Land“) wie die schriftliche Hinterlassenschaft in der Wohnung („RFK muss sterben“) veranschaulichen den Zusammenhang. Damit starb ausgerechnet der Kandidat, der noch am ehesten einen Friedensschluss hätte möglich machen können. Gleichwohl ist diese Aussage auch Spekulation, lässt sich doch kaum etwas seriös über verpasste Chancen in der Geschichte sagen. Immerhin hätte RFK das Potential dafür als Präsident gehabt.
Literatur: Einige Bücher von RFK erschienen in den 1960er Jahren auch in deutscher Sprache: Gangster drängen zur Macht, Bern – München 1964; Bekenntnisse zur Gerechtigkeit, Wien – Düsseldorf 1966; Freiheit und Verantwortung in der Demokratie. 38 Reden, Reinbek 1967; Suche nach einer neuen Welt, Gütersloh 1968. Eine Biographie über RFK in deutscher Sprache liegt nicht vor. Eine kurze englischsprachige Lebensbeschreibung ist: Joseph A. Palermo, Robert F. Kennedy And the Death of American Idealism, New York 2008. Ausführlichere englischsprachige Darstellungen sind: John R. Bohrer, Revolution of Robert Kennedy. From Power to Protest After JFK, London 2017; Chris Matthews, Bobby Kennedy. A Raging Spirit, New York 2017; Joseph A. Palermo, In His Owen Words. The Political Odyssey of Senator Robert F. Kennedy, New York 2001; Arthur M. Schlesinger, Robert Kennedy and his Times, Boston 1978; Larry Tye, Bobby Kennedy. The Making of a Liberal Icon, New York 2016; Evan Thomas, Robert Kennedy. His Life, New York 2002.



