Zehntausende versammelten sich gestern Abend erneut auf dem Platz der Entführten in Tel Aviv, wo Angehörige der Geiseln und Rückkehrer die Öffentlichkeit aufriefen, zusammenzustehen und der Welt zu zeigen, dass das israelische Volk niemanden zurücklässt.
Besonders bewegend war der spontane Besuch und die Rede von Rom Braslavski, der vor einem Monat frei kam. Erst am Donnerstag war ein Interview mit ihm ausgestrahlt worden, in dem er von den unmenschlichen Haftbedingungen berichtete. „Ich kann es nicht fassen, dass ich an dem Ort bin, den ich im Fernsehen in Gaza gesehen habe. Ich habe gesagt, es sei mein Traum, dorthin zu gelangen, und jetzt bin ich hier“, sagte Rom unter dem Jubel der Menschen am Platz. „Es war mir wichtig, hierherzukommen, und meine Botschaft ist, Euch allen zu danken. Ich liebe Euch. Ein riesiges Dankeschön an die israelischen Streitkräfte, an all die Soldaten, die nach Gaza gingen und wussten, dass sie sterben könnten, damit ich zurückkehren und leben kann. Und ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um mich zu entschuldigen. Alle entschuldigen sich bei der Familie Goldin, bei Mengistu, bei Ron Arad, bei all denen, die zurückgelassen wurden und sie jahrelang niemand gerettet hat. Und jetzt ist es an der Zeit, alle zu retten, die noch in Gaza sind.“

Auch Nimrod Cohen, der ebenfalls vor vier Wochen frei kam, sprach erstmals öffentlich während der Kundgebung: „Als ich dort in der Hölle von Gaza, in den Tunneln, war, sagten sie uns immer wieder, dass uns das israelische Volk aufgegeben hätte. Dass niemand mehr demonstrieren und für uns kämpfen würde. Dass das Leben seinen gewohnten Gang ginge und es niemanden kümmerte. Aber an dem Tag, als wir nach Hause zurückkehrten, in dem Moment, als ich die Grenze zurück nach Israel überquerte – da begriff ich, dass alles Lügen waren.“ Er habe keinen Zweifel daran, so Nimrod Cohen, dass Hamas weiß, wo die letzten fünf Geiseln sind.
Shira Gvili, die Schwester von Ran Gvili, einem Polizisten, der am 7. Oktober ermordet wurde und dessen Leiche weiterhin in Gaza ist, sprach über ihren Bruder: „Am 7. Oktober fuhr Ran mit Generalmajor Guy Madar in einem Fahrzeug mit. Gemeinsam retteten sie 50 Feiernde vom Nova-Festival. Er schloss sich dem Notfallteam von Alumim an und bewahrte zusammen mit den tapferen Kämpfern den Kibbuz vor einem Massaker. Mein Bruder hätte eigentlich nicht dort sein sollen, aber es gab für ihn nichts Richtiges, als hinzufahren. Obwohl er auf eine Schulteroperation wartete, zog Ran seine Uniform an und machte sich auf den Weg ohne zu zögern, ohne an sich selbst zu denken – vielleicht aber gerade weil er an seine Rolle dachte. Genau deshalb ging er hinaus, um zu beschützen, um zu retten, damit sein Herz rein bliebe, selbst wenn er dabei sein Leben riskierte. Ran ist immer noch dort, unser Held, ist noch nicht nach Hause zurückgekehrt, und ich warte so sehnsüchtig. In welcher Welt sollte ich Familien beneiden, die ihre Angehörigen begraben? Ich habe Angst vor dem Ende – denn wie man uns sagt, soll es für uns kein gutes Ende nehmen. Aber für uns und für vier andere Familien, ist selbst ein schlechtes Ende ein Ende, und dies ist ein Kapitel, das abgeschlossen werden muss.“

In Gaza verbleiben die sterblichen Überreste von fünf weiteren Geiseln: Ran Gvili, Meny Godard, Dror Or und der Thailänder Sudthisak Rinthalak, die alle drei aus dem Kibbutz Beeri entführt wurden, sowie Hadar Goldin, der vor 11 Jahren nach Anbruch der Waffenruhe ermordet und durch einen Tunnel entführt wurde.
Die Terrororganisation Hamas hat gestern bekannt gegeben, die Leiche von Hadar Goldin „gefunden“ zu haben. Ganz offensichtlich gibt es einen Zusammenhang mit ca. 200 Hamas-Terroristen, die in einem Tunnelsystem in Rafah festsitzen. Hamas versucht nun, die Rückgabe von Hadar Goldin mit einer Vereinbarung über freies Geleit für die 200 Hamas-Terroristen zu verknüpfen.



