Die Familien der Geiseln haben für diese Woche „Tage des Stillstands“ ausgerufen. Gestern demonstrierten Zehntausende mit den Familien, die im Laufe des Tages in der Knesset eintrafen und im Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten und Verteidigung für ihr Anliegen plädierten. Sie verurteilten die Abgeordneten für ihre Untätigkeit und warfen ihnen vor, ihre heiligste Pflicht zu vernachlässigen und zuzulassen, dass ihre Kinder in den Hamas-Tunneln Folter und Tod erleiden, während Politiker über Wehrpflichtbefreiungen debattieren und sich auf die Feiertage vorbereiten.
„Sehen Sie sich mein Kind an – wie er war und wie er heute ist. Sie haben das Video schon vor einem Monat gesehen. Interessiert das hier irgendjemanden? Interessiert Sie das?“, rief Ofir Braslavski, der Vater von Rom Braslavski. „Sehen Sie sich meinen Sohn an – er stirbt, es ist ein Holocaust. Sie sitzen hier seit zwei Jahren, sitzen hier und tun nichts, nichts – foltern uns, foltern sie. Sehen Sie, wie er stirbt, sehen Sie. Ein Monat ist vergangen – interessiert das irgendjemanden? Das ist unter Ihrer Führung passiert. Sie verbringen den ganzen Tag damit, mit dem Finger auf andere zu zeigen, aber der Einzige, der etwas unternimmt, ist der Stabschef, der versucht, etwas zu unternehmen. Sie sollten sich schämen. Ich glaube nicht an Sie – deshalb komme ich nicht hierher. Aber heute musste ich. Nichts ist wichtig! Außer ihnen, außer ihnen! Sehen Sie, wie er aussieht – sterbend, sterbend, sterbend!“
Anat Angrest, die Mutter von Matan Angrest, und Viki Cohen, die Mutter von Nimrod Cohen, führten den Protestmarsch von der Knesset zur Residenz des Premierministers, wo bis spät abends demonstriert wurde.
Spät abends dann auch die Meldung, Hamas würde einem umfassenden Abkommen, das alle Geiseln nach Hause bringt, zustimmen. Aus dem Büro von Israels Premier Netanyahu hieß es in Reaktion, es handele sich um „eine weitere Manipulation der Hamas, die nichts Neues enthält.“ Der Krieg könne nur unter den vom Kabinett festgelegten Bedingungen sofort beendet werden. Neben der Freilassung aller Geiseln zählt dazu auch die Entwaffnung der Hamas, die Entmilitarisierung des Gazastreifens, israelische Sicherheitskontrolle über den Gazastreifen und die Bildung einer alternativen Zivilregierung, die nicht zum Terrorismus erzieht, keinen Terror verbreitet und Israel nicht bedroht.
Davon ist in der Mitteilung von Hamas natürlich nicht die Rede. Als Bedingung für ein Abkommen nannte die Terrororganisation die Freilassung palästinensischer Gefangener, den Abzug der israelischen Armee aus Gaza, die Öffnung der Grenzübergänge und den Wiederaufbau des Gazastreifens.
„Die israelische Regierung ist nicht verpflichtet, die Bedingungen der Hamas zu akzeptieren. Sie ist jedoch verpflichtet, sofort an den Verhandlungstisch zurückzukehren und zu versuchen, ein Abkommen zu erreichen“, schrieb Oppositionsführer Yair Lapid noch am Abend und fasste damit zusammen, was auch die Demonstranten in Jerusalem von ihrer Regierung fordern.
„Wir fordern Premierminister Netanjahu, die US-Regierung und die Vermittler auf, die Verhandlungsteams unverzüglich einzuberufen und sie an den Verhandlungstisch zu bringen, bis eine Einigung erzielt ist“, so das Forum der Familien der Entführten. „Ganz Israel sehnt sich nach einem: der Umsetzung von Witkoffs Vorschlag als Teil einer umfassenden Vereinbarung, die alle 48 Geiseln nach Hause bringt und diesen Krieg beendet.“
Es sind schicksalshafte Tage für die Geiseln, für ihre Familien. Und für ganz Israel.