Buberscher Bund der Bünde

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Martin Buber (1962), Foto: Boris Carmi /Meitar Collection / National Library of Israel / The Pritzker Family National Photography Collection, CC BY 4.0

Heute vor 60 Jahren verstarb der große jüdische Religionsphilosoph Martin Buber (1878–1965). Wegweisend bleibt seine Vision eines auf der Gemeinschaft genossenschaftlicher Gemeinschaften gegründeten Gemeinwesens.

Von Thomas Tews

In seinem vor 75 Jahren veröffentlichten Buch „Pfade in Utopia“ plädiert Buber für eine Restrukturierung der Gesellschaft als „Vollgenossenschaft“. Deren Keimzelle sei „das Gemeinschaftsdorf, in dem ein gemeinsames Leben auf der Verbindung von Produktion und Konsum errichtet“ sei, wobei „Produktion nicht den Bodenbau allein, sondern seine organische Verknüpfung mit Industrie und Handwerk“ meine.[1]

Diese neuen, „die Produktionsformen vereinigende[n] und Produktion mit Konsum verbindende[n]“, genossenschaftlichen Dorfgemeinschaften sollten sich anschließend „unter dem gleichen Prinzip, das in ihrem inneren Aufbau“ herrsche, zu einem „Bund der Bünde“, in dem „die rechte, täglich neu von den wechselnden Bedingungen aus überprüfte Proportion zwischen Gruppenfreiheit und Gesamtheitsordnung“ zu wahren sei, föderieren[2]:

„Das Wesentlichste aber muß sein, daß der Prozeß der Gemeinschaftsbildung sich ins Verhältnis der Gemeinschaften zueinander hinein fortsetze. Nur eine Gemeinschaft von Gemeinschaften wird Gemeinwesen heißen dürfen.“[3]

Buber betont, dass, soweit er „Geschichte und Gegenwart übersehe“, „nur einem einzigen umfassenden Versuch, eine Vollgenossenschaft zu schaffen, ein gewisses Maß des Gelingens“ zuzusprechen sei, nämlich dem „hebräische[n] Genossenschaftsdorf in Palästina in seinen verschiedenen Formen“[4]:

„Im Geiste der Mitglieder der ersten palästinensischen Kommunen verbanden sich ideelle Motive mit dem, was die Stunde gebot, Motive, in denen sich zuweilen die Erinnerung an den russischen Artel, Eindrücke der Lektüre von sogenannten utopischen Sozialisten und die kaum bewußte Nachwirkung biblischer Lehren der sozialen Gerechtigkeit seltsam vermischten.“[5]

Trotz dieser vielversprechenden Anfänge und Ansätze ist die umfassende „Restrukturierung der Gesellschaft als Bund der Bünde“[6] auch sechs Jahrzehnte nach Bubers Tod noch immer eine Utopie. Nichtsdestotrotz ist jeder kleine Schritt, mit dem wir uns ihr nähern, ein Schritt in die richtige Richtung. Diese uns gewiesen zu haben, bleibt Bubers unsterbliches Verdienst.

 

Anmerkungen
[1] Martin Buber, Pfade in Utopia. Verlag Lambert Schneider, Heidelberg 1950, S. 219.
[2] Buber (Anm. 1), S. 219 f.; 233.
[3] Buber (Anm. 1), S. 247.
[4] Buber (Anm. 1), S. 221.
[5] Buber (Anm. 1), S. 222 f.
[6] Buber (Anm. 1), S. 233.