Frankfurt am Main ist die Stadt der Rothschilds. Ob Amschel Moses, Mayer Amschel oder Salomon Mayer und weitere Vorfahren sind im Ghetto in der Judengasse in Frankfurt am Main geboren worden. Das farbige „Rothe Schild“ über der Haustür wird im 17. Jahrhundert zum weltbekannten Namen und das Familienwappen entsteht.
Von Christel Wollmann-Fiedler
Als Händler von Kleinwaren und Geldverleiher beginnt der Urahn Amschel Moses Rothschild. In der Judengasse wird 1744 auch sein Sohn Mayer Amschel geboren. Dieser wird zum Gründer der Bankendynastie und wird einer der einflussreichsten Geschäftsleute aller Zeiten. Als Münzlieferant des Kurfürsten Wilhelm von Hessen in Hanau beginnt er sein Vermögen zu vermehren, Münzverkauf ist ein erträgliches Geschäft. Gutle Schnapper (1753–1849) heiratet er, 20 Kinder werden geboren, nur zehn erreichen das Erwachsenenalter, fünf Töchter und fünf Söhne. Das größte und schönste Haus in der Judengasse wird gekauft, das schließlich zum Stammhaus der bis heute weltbekannten Rothschilddynastie wird. Seine fünf Söhne schickt Mayer Amschel hinaus in die europäische Welt nach Neapel, London, Wien und Paris, wo sie die Bankgeschäfte erledigen und vermehren von Generation zu Generation das Vermögen. Der Adelstitel wird Mayer Amschel Rothschild 1812 nach seinem Ableben posthum verliehen.
Mayer Amschel Rothschild, der älteste Sohn, 1773 – 1855, bleibt am Main, übernimmt das Mutterhaus und leitet das Frankfurter Bankhaus. Mayer Salomon beginnt in Wien, Mayer Nathan geht nach London und Mayer Kalman, der später den Namen Carl annimmt, entschied sich in Italien für Neapel. Baron Mayer Carl von Rothschild kauft 1846 ein Palais am Untermainkai Nr. 15. Das klassizistisch gebaute Palais läßt er von Friedrich Rumpf nach seinen Wünschen umbauen. Das Gebäude übersteht den 2. Weltkrieg und bleibt fast unversehrt. 1988 wird dieses wunderschöne Palais der Rothschilds das Jüdische Museum in Frankfurt am Main.
Jakob „James“ Mayer de Rothschild, der jüngste Sohn wird nach Paris entsandt und das Bankenimperium wächst immens. Große Weingüter in der Umgebung von Bordeaux und andere Errungenschaften der damaligen Zeit machen ihn zu einem der reichsten Männer der Welt. Baron James de Rothschild führt mit seiner Baronne Betty de Rothschild ein komfortables, luxuriöses Leben verbunden mit Kunst und Kultur, mit Musik und hohen gesellschaftlichen Verpflichtungen im Pariser Lebensstil des 19. Jahrhunderts. Schönheit und Eleganz von Betty schwebt durch Paris, ihr künstlerischer Salon ist begehrt. Mit James und seinen Kindern beginnt der Französische Zweig der Famille de Rothschild.
Nicht nur Bankgeschäfte werden erledigt, Ankäufe jeglicher Art, die Geld einbringen, kommen hinzu. Zur europäischen Oberschicht gehören sie und ihre Familien längst. Die Dynastie bleibt unter sich, Rothschilds heiraten Rothschilds, Töchter der Brüder oder Cousins, Nichten von diesem oder jenem. So bleibt das Vermögen und die Mitgift in den Generationen in guten Händen.
Als jüngster Sohn von Jakob/James de Rothschild wird Baron Edmond James de Rothschild 1845 in der Ile de France geboren, wird jüdisch und weltlich erzogen. Als junger Mann heiratet er Adelheid „Ada“, Adelaide von Rothschild aus Frankfurt am Main, die in ihrem Elternhaus orthodox erzogen wird. Fünf Mal reisen der Baron und die Baronin ins Heilige Land, sind mit sozialem Engagement unterwegs und hinterlassen Spuren auch in vielen anderen Bereichen, die bis in die heutige Zeit zu sehen und zu spüren sind. Stifter und Mäzen ist der Baron im Heiligen Land, unterstützt Pioniere und die zionistische Bewegung. Mit Theodor Herzl trifft er sich.
1893 besucht das Ehepaar den Moschaw Zichron Ja’akov, verteidigen und unterstützen die dort angesiedelte Bauern und Mitglieder rumänischer Orte aus der Moldau. Ländereien werden gekauft, über vierzig landwirtschaftliche Betriebe und Kolonien, Moschaws und Kibbuzim gegründet und finanziert. Im Gesundheitsbereich werden Veränderungen eingeleitet, um tropische Krankheiten, in erster Linie die Malaria, auszumerzen. Schulen, Synagogen und Spitäler werden finanziert. Museen statten sie mit Kunst aus. Kunstliebhaber sind der Baron und die Baronin. Zwei Weingüter werden angelegt, die bis in die Gegenwart den berühmten Carmelwein keltern. Die Weingüter in Rischon LeZion und Zichron Ja’akov gehörten im 19. Jahrhundert zu den größten der Welt.
Die Ohel Ya’arkov Synagoge wird im Auftrag von Baron de Rothschild im Jahr 1886 für die dort angesiedelten Juden gebaut. Die große Uhr am Giebel ist mit hebräischen Ziffern versehen, die Zeiger laufen von rechts nach links, wie es im Hebräischen üblich ist. Fast ausschließlich religiöse Familien leben heute in dem schmucken Städtchen. Musik ist in einer Nebengasse zu hören. Ein Junge wird unter einem Baldachin mit Gesang und Musik zu seiner Bar Mitzwa in die Synagoge begleitet.
1954 wird der Memorial Garden auf dem Plateau Umm el’Aleq bei Binjamina eröffnet. Die Landschaftsarchitekten Uriel Otto Schiller aus Bratislawa in der Slowakei und Shlomo Oren Weinberg aus Tulcea in Rumänien haben sich den Ramat Hanadiv künstlerisch erdacht. Mit Silvia durfte ich diesen Park betreten und durchstreifen, mich an der bezaubernden Flora und Fauna erfreuen. Die unterschiedlichen Rosenarten duften um die Mauerecke und begleiten uns noch eine Weile. Der Memorial Garden ist bezaubernd, weit weg von der lauten Welt, weit weg von Krieg und Zerstörung. Eine landschaftliche Einzigartigkeit, Bäume und Sträucher aus den Tropen und aus Europa, die Kaskaden plätschern. Die Wasserrosen blühen, die flinken Fischchen streiten zwischen den Wasserrosen.
1934 stirbt Baron de Rothschild und 1935 Baronin Adelaide de Rothschild. Beide werden auf dem Pere-Lachaise in Paris beerdigt. 1954 eröffnet der Landschaftspark auf der Anhöhe Ramat haNadiv. Am gleichen Tag werden die sterblichen Überreste aus Paris nach Israel gebracht. Das Ehepaar de Rothschild wird erneut in der Krypta des Parks mit Staatsakt zur allerletzten Ruhe an dem Lieblingsplatz im Heiligen Land gebettet.
Haifa im Mai 2025
Alle Fotos: © Christel Wollmann-Fiedler