Widmung für Benjamin, Ida, Edith und Lisbeth Auerbach

0
286
Der Auerbachplatz im Karneval, Foto: R. Kaufhold

Der jüdische Arzt Benjamin Auerbach (1855-1940) war für Köln, vor allem wegen seiner langjährigen Tätigkeit als Arzt am jüdischen Krankenhaus „Jüdisches Asyl“, eine bekanntere Person. Die Flucht mit seiner Frau Ida in die USA rettete ihnen ihr Leben. Auf dem Köln-Sülzer Auerbachplatz wird seit vielen Jahren durch ein Namensschild an Benjamin Auerbach erinnert. Nun soll aufgrund einer Initiative von Reinhold Goss durch zusätzliche Schilder auch an Ida, Edith und Lisbeth Auerbach erinnert werden. Die Einweihungsfeier findet am Freitag, den 7.3.2025 ab 11.30 Uhr auf dem Auerbachplatz statt.

Von Roland Kaufhold

Der Köln-Sülzer Auerbachplatz ist in Köln eine gewisse Berühmtheit: Zweimal wöchentlich gibt es dort einen Wochenmarkt. Und der Platz selbst wurde vor 20 Jahren von einer lokalen Agendagruppe verkehrstechnisch etwas umgewidmet: Die Hälfte dieses großen Platzes wurde autofrei. Auch der Spielplatz vor Ort ist sehr beliebt. Und auf dem autofreien Teil des Platzes können die Kids u.a. ungestört Rollschuh fahren.

Der Auerbachplatz ist als Name im inzwischen betuchten Kölner Stadtteil Sülz recht bekannt. Und auf Wikipedia findet sich ein Hinweis auf den jüdischen Namensgeber: Der Platz sei nach dem „Geheimrat Benjamin Auerbach, der 1885 bis 1935 das Israelitische Asyl für Kranke und Altersschwache leitete“, benannt.
Der jüdische Bezug, so sei erwähnt, ist auch historisch-regional gegeben: Vor dem Wiederaufbau des Jüdischen Wohlfahrtszentrums in der Ottostraße um das Jahr 2003 herum befand sich in Sülz unweit des Auerbachplatzes, aus Sicherheitsgründen faktisch klandestin, der jüdische Kindergarten und das jüdische Altersheim.

Benjamin Auerbach (1855 Solingen – 1940 New York) war ein jüdischer Arzt. In Köln war er zeitweise, vor der Nazizeit, sehr berühmt, hatte er doch zuerst im Blaubach 1 in Köln eine internistische Praxis und ab 1898 in der innerstädtischen Mohrenstraße eine Praxis für Allgemeinmedizin und Geburtshilfe betrieben. Er sprach bevorzugt in breitem Kölsch und genoss in Köln ein außergewöhnliches Ansehen als „Volksarzt“. Bereits 1885, also 30-jährig, hatte er in Köln das „Jüdische Asyl für Kranke und Altersschwache“ als leitender Arzt geleitet. 1869 war dieses jüdische Krankenhaus gegründet worden. 1908 zog es in die Neuehrenfelder Ottostraße um. Dessen lange Geschichte einschließlich deren grausamen Anteile – die Vernichtung von Millionen Juden in der Shoah, darunter auch ein Großteil der früheren Bewohner des Jüdischen Asyls – ist 2004 in dem Buch Das jüdische Krankenhaus in Köln: die Geschichte des Israelitischen Asyls für Kranke und Altersschwache 1869 bis 1945 von Barbara Becker-Jákli dargestellt worden. Die Kölner Autorin hat 2012 auch ein Buch über das „Jüdische Köln“ vorgelegt.

Zu den drei jüdischen Frauen – Ehefrau bzw. Töchter Benjamin Auerbachs – , die nun am Kölner Auerbachplatz auch durch erklärende Namensschilder gewürdigt werden sollen:

Ida Auerbach (16.6.1869 Bennisch/Tschechien – 5.8.1942 New York), geb, Kohn war die Ehefrau – sie heirateten 1898 – des 18 Jahre älteren Kölner Arztes Benjamin Auerbachs.
Über die sich abzeichnende Ehe Idas mit dem in Köln bereits bekannten jüdischen Arzt Benjamin Auerbach schrieb ihre Freundin Clara Sanders 1897:
„In Köln lebte ein sehr beliebter jüdischer Arzt Dr. Benjamin Auerbach, der bei zahlreichen Familien unserer Kreise Hausarzt war. Er war mit 40 Jahren noch unverheiratet, obgleich da kaum ein Mädchen war, das dem herzensguten und hervorragenden Arzt nicht gerne die Hand gereicht hätte. Aber vor lauter Arbeit dachte er gar nicht ans Heiraten. Er hatte ja ausser seiner Praxis auch noch die Leitung des großen israelitischen Asyls, einem Krankenhaus und Altersheim. Die Mädchen jener Zeit waren ihm auch zu verwöhnt und anspruchsvoll. Er wollte nur eine sehr ernste Frau heiraten, die auf eigenen Füssen stand.“ 

Ida war eine bekannte jüdische Sozialarbeiterin in Köln. Sie engagierte sich zuerst, ab 1909, in der bürgerlichen Frauenbewegung und war danach eine der Mitbegründerinnen des Verbandes Kölner Frauenvereine. Sie war von 1924-1938 Vorsitzende des israelitischen Frauenvereins in Köln und engagierte sich für das aktive wie auch für das passive Frauenwahlrecht innerhalb der jüdischen Gemeinde Kölns: „Sie setzte sozialpolitische Impulse, etwa als Vertreterin der aus England stammenden Gartenstadtbewegung. Sie gehörte als eine der ersten Frauen überhaupt dem Vorstand der Kölner Synagogengemeinde an und emigrierte über London nach News York.“ (vgl. Kaufhold 2022, haGalil)

Von Clara Sanders wird Ida als unerschrockene Gegnerin der nationalsozialistischen Judenverfolgung in Köln beschrieben – trotz der objektiv ausweglosen Lage der Kölner Juden ab 1933: „Als die grosse Judenverfolgung und Vernichtung im April 1933 begann, war Frau Auerbach eine der tapfersten und rührigsten Frauen der jüdischen Gemeinde und sie blieb das auch bis zur Auswanderung knapp vor Kriegsausbruch. Sie stand an der Spitze der jüdischen Wohlfahrt und das war eine sehr schwere Aufgabe in jener Zeit. Diese mutige Frau scheute auch keinen Weg zu den Behörden, um den aussichtslosen Kampf für ihre Religionsgenossen zu versuchen.“ 

Erst nach der Pogromnacht emigrierten die Auerbachs im Februar 1939 nach London und im Juni 1940 weiter nach New York, wo ihre Tochter Lisbeth bereits als Ärztin lebte (s.u.).
Ihr gemeinsames Leben im Land der Freiheit dauerte nur kurz: Fünf Monate nach ihrer Ankunft in New York starb Benjamin Auerbach. Am 5.8.1942 verstarb auch Ida Auerbach im Alter von 73 Jahren. Ihr Grab findet sich auf einem Park in Paramus/New Jersey

Idas und Benjamins Tochter Edith Auerbach (1899 Köln -1994 Paris), die in München, Köln und Bonn Kunstgeschichte studierte und anschließend an der Staatlichen Keramischen Fachschule in Höhr bei Koblenz eine Ausbildung machte, war eine bekanntere Malerin. 1926 zog sie nach Paris in ein Künstlerhotel und genoss in Frankreich rasch als Illustratorin ein hohes Ansehen. 1937 beteiligte sie sich an einer Ausstellung für bedrohte jüdische Künstler. 1940 wurde sie in Frankreich in einem Lager interniert und stand in Gefahr, als Jüdin nach Auschwitz deportiert zu werden.

Der Druck und die existentielle Bedrohung waren zu groß für Edith Auerbach. Sie erkrankte seelisch, kam in ein Krankenhaus und floh wenig später unter einer Tarnidentität. Im Sommer 1944 kehrte sie nach Paris zurück und verarbeitete ihre traumatischen Erfahrungen in Bildern. In den 1950er Jahren wandte sie sich dem Journalismus zu. (Literatur: Pauline Broekema: Edith Auerbach (1899–1994): Contre l’Oubli – Tegen het Vergeten. Noordboek 2020). Durch Ausstellungen neueren Datums, etwa im Frauenmuseum Wiesbaden wurde ihr künstlerisches Wirken wieder in Erinnerung gerufen.

Ediths ein Jahr jüngere Schwester Lisbeth Auerbach (4.12.1900 – 16.3.1977), als Tochter von Benjamin und Ida Auerbach in Köln aufgewachsen, studierte in Köln Medizin. Im Mai 1924 promovierte sie in Köln zum Thema „Die Histopathologie der chronischen Encephalitis epidemica“ und arbeitete danach, ab 1925, als Assistentin in Breslau. 1931 kehrte sie nach Köln zurück und arbeitete als Internistin und Fachärztin für Innere Medizin in der innerstädtischen Brüderstraße 2. Sie publizierte auch zu medizinischen Fachthemen. In Köln soll sie nach neueren Forschungen (von I. Franken und M. Frank) vermutlich die erste Internistin Kölns gewesen sein, so auch Reinhold Goss. In Köln war sie mit der nahezu gleich alten Ärztin Lilli Jahn (geb. 5.3.1900 in Köln) befreundet; ihre Freundin Lilli wurde am 19.6.1944 in Auschwitz-Birkenau ermordet. Lilli Jahns Briefe mit ihren Kindern wurden posthum, 2002, von Doerry unter dem Titel „Mein verwundertes Herz“ publiziert. 

Im Juni 1934 floh Lisbeth wegen des nationalsozialistischen Verfolgungsdruckes nach London und von dort im Juli 1934 weiter in das sichere New York. In New York erhielt sie die amerikanische Staatsbürgerschaft. Sie vermochte sich als Ärztin in Manhattan niederzulassen.

Ihre Eltern Benjamin und Ida (s.o.) folgten ihr 1939 nach London und 1940 nach New York. Ihr Vater, der bei seiner Ankunft in New York 80 Jahre alt war, verstarb fünf Monate nach seiner Ankunft in New York. Lisbeth Auerbach wirkte als Ärztin weiter in New York, wo sie am 16.3.1976 im Alter von 75 Jahren verstarb. 1924 wurde am Ort ihrer früheren Praxis in der Kölner Brüderstrasse ein Stolperstein für sie verlegt.

Veranstaltung am 7.3.2025 11.30 Uhr
Treffpunkt: Auerbachplatz/Gerolsteiner Straße, Köln

Folgender Ablauf ist geplant:

Begrüßung: Reinhold Goss
Eingangsrede Oberbürgermeistern Henriette Reker (angefragt)

Vorstellung der Auerbachs
Benjamin: Barbara Becker-Jákli (angefragt)
Ida: Irene Franken
Edith: Irene Franken
Lisbeth: Monika Frank

Redebeitrag: Vertreter:in der Synagogengemeinde
Schlussworte und Einweihung Bezirksbürgermeisterin Cornelia Weitekamp

Ende ca. gegen 12.20 Uhr

Update: 7.3. . Die Namenseinweihung

Reinhold Goss, zuvor u.a. ehrenamtlicher Fahrradbürgermeister Kölns, erinnerte in seiner Ansprache an die Entstehungsgeschichte dieser Namensgebung. Es werde nun an einem zentralen Ort Kölns nicht nur an den berühmten jüdisch-Kölner Volksarzt Benjamin Auerbach, sondern zugleich auch an dessen Frau Ida und an deren Töchter Edith und Lisbeth erinnert. Am Fuße des nun neuen Strassenschildes hatten die Organisatoren zur Illustration eine kleine Fotoausstellung aufgebaut. Das frühlingshafte Wetter – es fand zeitgleich der wie immer gut besuchte Markt statt – schuf einen besonders würdevollen Rahmen. Unter den Gästen der Zeremonie befand sich auch der unweit des Auerbachplatzes lebende Schriftsteller Peter Finkelgruen.

Goss wie auch die Historikerinnen Monika Frank und Irene Franken hoben die Persönlichkeit des jüdischen „Volksarztes“ Benjamin Auerbach hervor: Dieser duzte auf der Straße bzw. im persönlichen Kontakt grundlegend alle Menschen. Auch dies brachte ihm tiefes Misstrauen der gehobenen Kölner Kreise ein, welches für seine zukünftige Karriere nachteilig war – und dies um so mehr, als Benjamin Auerbach bekennendes Mitglied der Sozialdemokratischen Partei war. Wenn Patienten – 80 Prozent der Patienten des Jüdischen Asyls waren keine Juden – kein Geld hatten nahm er dies gelassen hin und lebte von denen, die ihm das Honorar bezahlten. Besonders berühre ihn, so Reinhold Goss, dass Auerbach als kölsche Persönlichkeit nie ein Auto besessen habe und darauf auch noch stolz gewesen sei.

Hier sein Redebeitrag:

Bezirksbürgermeisterin Cornelia Weitekamp (Grüne) hielt eine kurze abschließende Ansprache. Sie hob die Bedeutung dieses zentralen Köln-Sülzer Platzes sowie die Persönlichkeit der vier jüdischen NamensgeberInnen hervor und enthüllte daraufhin die Namensschilder.