
Von Ramona Ambs
Am Samstag gingen deutschlandweit Hunderttausende gegen rechts auf die Straße. Für Menschlichkeit, gegen Hass, Antisemitismus und Rassismus, so die Parolen unter denen sie sich versammelten. Und ich bin froh, das sie es tun, ich bin froh, dass sie die Demokratie verteidigen wollen, froh, dass sie die Brandmauer gegen rechts halten wollen. Ich gönne es den Demonstranten auch, dass sie dabei gute Laune haben, weil sie so viele sind und sich gegenseitig versichern diesmal auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen. Ich hab dennoch ein Problem mit dieser neuen gutgelaunten Brandmauer.
Dieser Brandmauer ohne Gucklöcher.
Denn sie besteht aus Menschen, die den Juden- und Menschenhass der Rechten sehen und verurteilen (danke dafür!), den Antisemitismus anderer Gruppierungen aber größtenteils ausblenden.
Denn am Samstag gab es nicht nur die Brandmauerparty gegen rechts.
Am Samstag wurden aber auch drei weiter Geiseln der Hamas freigelassen.
Die Gleichzeitigkeit dieser Bilder ist das Schwierigste derzeit.
Da sind Ohad Ben-Ami, Eli Sharabi und Or Levy, die so ausgemergelt und kaputt aussehen, dass man die optische Assoziation mit KZ-Überlebenden überhaupt nicht ignorieren kann. Und dass die drei, wie bereits die Geiseln in den Wochen zuvor, auf eine Bühne gezwungen wurden, dem Mob zuzuwinken und diesmal auch noch Statements abgeben mussten, macht das Hamas-Spektakel noch widerwärtiger. Und dann kommen die drei nun also zurück und Eli hat erfahren, dass seine Frau und seine Töchter ermordet wurden. Und Or hat erfahren, dass seine Frau ermordet wurde, sein dreijähriger Sohn wartet seit 16 Monaten auf ihn…
Drei ausgemergelte Gestalten inmitten einer wohlgenährten Meute…
Die Gleichzeitigkeit dieser Bilder ist das Schwierigste derzeit.
Meine nichtjüdische Timeline ist voller Fotos von Menschen, die sich bei den Demos getroffen haben und sich über die Schilder, Aktionen und Reden austauschen. Meine jüdische Timeline ist voller Schweigen und Entsetzen über die Ausgemergelten, die keinerlei Empathie finden in dieser Welt.
Keinen, der eine Brandmauer gegen die Judenmörder des 7. Oktober bauen will. Und ich versuche die Gleichzeitigkeit dieser Bilder zu verdauen. Ich versuche Brücken zu bauen zwischen dem einen zu dem anderen. Aber Brücken sind eine brüchige Angelegenheit. Vor allem, wenn die anderen mit Brandmauern beschäftigt sind, die keine Gucklöcher haben…
Mein Gott, es ist beinahe unmöglich, die Artikel zur Freilassung dieser drei Geiseln zu lesen, denn
es sind die Tränen, die es verhindern.
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