Eigentlich ist Noa Tishby eine bekannte israelische Schauspielerin. In ihrem Buch „Israel. Der Faktencheck über das am meisten missverstandene Land der Welt“ korrigiert sie manche schiefen Wahrnehmungen. Das klingt zwar manchmal zu persönlich in der Anlage, ist aber mit Fakten gut abgesichert.
Von Armin Pfahl-Traughber
Sie ist eine bekannte israelische Produzentin und Schauspielerin: Noa Tishby. Berufsbedingt ist sie überall auf der Welt unterwegs. Und auch ungewollt kam es dabei immer wieder zu Gesprächen über Israel und den Nahost-Konflikt. Fehlinformationen und Schiefen reihten sich dabei für Tishby aneinander. Insofern beschloss sie, dagegen ein aufklärerisches Buch zu schreiben. Als „Israel: A Simple Guide to the Most Misunderstood Country on Earth“ erschien es 2021, übersetzt als „Israel. Der Faktencheck über das am meisten missverstandene Land der Welt“ 2022. Bislang fand das Buch in Deutschland noch kein so großes Interesse. Dafür mag es einige nachvollziehbare Gründe geben: Hier schreibt erkennbar eine politische Aktivistin, autobiographische Betrachtungen dominieren viele Seiten, auch ein besserwisserischer Ton verstört mitunter. All dies spricht aber nicht gegen den Buchinhalt, der mit leichter Hand geschrieben wurde, und kritisch viele Zerrbilder thematisiert. Man kann das Buch auch gut als Einführung zu Israel und dem Nahost-Konflikt lesen.
Am Beginn steht „Meine Geschichte in Kurzform“, eben als eine autobiographische Betrachtung, übrigens einer sich selbst als „linke Israelin“ (S. 240) vorstellenden Verfasserin. Danach geht es um „Eine kurze Geschichte des Landes Israel“, „Eine kurze Geschichte des Nahen Ostens im vorigen Jahrhundert“ und „Eine kurze Geschichte des Zionismus“. Dies geschieht dann nicht im Detail, sondern mit großen Linien. Es gibt aber immer wieder angemessene bilanzierende Einschätzungen, etwa bezogen auf die Einwanderung vor und nach 1948: „Die Juden haben Palästina nicht ‚besetzt‘. Da war kein Palästina, das sie hätten besetzen können“ (S. 115). Einfache Aussagen wie diese widerlegen den kursierenden Kolonialismusvorwurf, worin auch der aufklärerische Nutzen des Werks liegt. Ähnlich geht es weiter mit „Geburt eines Staates“, „Tauziehen zwischen Krieg und Frieden“, aber dann ebenso mit „Die Siedlungen“ und „Araber“. Auch hier werden kursierende Aussagen über Israel immer wieder gerade gerückt, etwa zur „Nakba“ oder UNRWA.
Der BDS-Bewegung ist ein eigenes Kapitel gewidmet, das auf pauschale Einordnungen verzichtet, die Problematik aber treffend zuspitzt: „Die Bewegung ist nicht an einer friedlichen Koexistenz zwischen Palästina und Israel interessiert. Sie will einfach, dass Israel nicht existiert“ (S. 245f.). Das Gemeinte wird dann anhand einschlägiger Quellen veranschaulicht. Deutlich offenbar sich immer wieder Doppelstandards und Einseitigkeiten, etwa wenn es um Menschenrechte für Palästinenser geht. Nicht nur bei BDS sind sie gegenüber der Hamas kein Thema. Bezogen auf Boykottforderungen an Rockgruppen, die in Israel nicht spielen sollten, muss es dann aber unbedingt um eine Reaktion der „Rolling Stones“ gehen: „Also griff ich zum Telefon und rief meinen Freund Mick an. (Sorry, ich glaube, ich habe da gerade einen Namen fallen lassen. Möchten Sie ihn aufheben?)“ (S. 249). Da fragt man sich dann aber als interessierter Leser doch, ob ein solcher Stil unbedingt nötig sein muss. Aber auch bei dieser Anmerkung gilt: bessere Stellen dominieren.
Abschließend geht es noch um Israel als „Start-up-Nation“ und dann die „Frage an die Welt: Was soll diese Besessenheit?“. Da heißt es etwa: „Selbst wenn man jeden einzelnen Fehler Israels unter die Lupe nehmen würde, reichten sie nicht annährend an die Fehler vieler anderer Länder heran“ (S. 330). Der Blick von China bis nach Saudi Arabien belegt diese Zuspitzung. Berechtigt fragt die Autorin nach den Gründen, welche jeweils die einseitige Hervorhebung von Israel bei so etwas erklärt. Ganz am Ende werden auch noch viele Zerrbilder thematisiert, sie reichen von „Apartheid“ über „Kolonialismus“ bis zu „ethnische Säuberungen“. Dabei erfolgt kein Ausblenden von Fehlern der israelischen Politik, es wird aber ebenso auf den Kontext für das Land verwiesen.
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Der „Faktencheck“ aus dem Untertitel wurde zwar nicht systematisch umgesetzt, gleichwohl gibt es über das Buch verteilt überall einschlägige Korrekturen. Mit Hilfe eines „Register“ kann man auch im Text verstreute Verweise gut finden. Bilanzierend betrachtet: ein lohnender Einführungsband.
Noah Tishby, Israel. Der Faktencheck über das am meisten missverstandene Land der Welt, 2. Auflage, Gütersloh 2023 (Gütersloher Verlagshaus), 399 S., Euro 22,00, Bestellen?