In einer Woche beginnen die Olympischen Sommerspiele in Paris. Israel wird dort ebenfalls Flagge zeigen. Doch der Aufwand zum Schutz seiner Sportler ist so groß wie nie zuvor bei einem Sportevent.
Von Ralf Balke
Sport im Schatten von Terrorwarnungen und Sanktionsdrohungen. Auf diese Formel ließe sich aus israelischer Sicht die Teilnahme an den Olympischen Sommerspielen auf den Punkt bringen, die am 26. Juli in Paris beginnen werden. Doch im Vorfeld müssen sich die israelischen Athleten nicht nur auf die Wettkämpfe vorbereiten und kräftig trainieren. Im Unterschied zu Sportlern aus anderen Nationen sind sie noch mit weiteren Herausforderungen konfrontiert, und zwar möglichen Protesten bei den Veranstaltungen oder Anfeindungen und Ausgrenzung durch ihre Mitstreiter. Und über allem steht die Gefahr von Terroranschlägen. So etwas wie in München im Jahr 1972, als bei den Olympischen Sommerspielen elf israelische Sportler von palästinensischen Terroristen ermordet wurden, darf sich nicht wiederholen.
In diesem Jahr schickt Israel 87 Athletinnen und Athleten zu den Olympischen Sommerspielen, die in 16 Disziplinen gegen ihre Wettbewerber antreten sollen. Bei den Eröffnungsfeierlichkeiten am 26. Juli, wenn die einzelnen Mannschaften ins Stadion marschieren, werden zwei von ihnen die israelische Flagge tragen. Peter Paltchik, ein Judoka, ist einer der beiden. Gegenüber der Plattform Jewish Insider sprach er über die Maßnahmen im Vorfeld. „Es wird ein hohes Maß an Sicherheit geben, sowohl auf französischer als auch auf israelischer Seite“, berichtete er. Selbstverständlich konnte Peter Paltchik keine Details verraten, erklärte aber, dass sich die israelische Mannschaft gut beschützt fühlen würde und sich vornehmlich auf ihre sportlichen Ziele konzentriere.
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Einfach wird das Ganze dennoch nicht. Denn auch Peter Paltchik weiß von Kontaktabbrüchen oder Anfeindungen zu berichten, die er seit dem 7. Oktober auch persönlich erleben musste. „Viele der Sportler, die früher sogar meine Freunde waren, wollen nicht mehr mit mir reden oder mir die Hand geben. Ich gehe davon aus, dass es weitere Provokationen geben wird“, sagte er weiter, „aber ich versuche, mich auf die technischen Dinge und den Wettkampf zu konzentrieren. Ich glaube, einfach nur vor Ort zu sein und zu versuchen zu gewinnen, ist die beste Möglichkeit, mein Land zu repräsentieren.“ Bereits in den Monaten zuvor gab es zahlreiche Forderungen nach einem Boykott Israels. Mehrere Abgeordnete des französischen als auch des EU-Parlaments hatten sich für Sanktionen gegen Sportverbände aus Israel ausgesprochen. Selbst in der Schweiz wurden 227.000 Unterschriften gesammelt, die einen Ausschluss gefordert hatten.
Und einen Vorgeschmack auf das, was Vertretern Israels drohen kann, lieferten die Weltmeisterschaft im Schwimmen in Katar im Februar. „Die Athleten konnten allein nichts unternehmen“, wusste Miki Halika, Präsident des israelischen Schwimmerverbands zu berichten. „Selbst wenn sie in der Sportstätte auf Toilette wollten, mussten sie sich mit den Sicherheitsleuten abstimmen.“ Auf Social Media durfte nichts über ihren Aufenthalt im Trainingslager oder Ähnliches gepostet werden.
Trotz der angespannten Haushaltslage hat Israel das Budget für die Sicherheit seiner Athletinnen und Athleten bei den diesjährigen Sommerspielen verdoppelt – so jedenfalls die Verantwortlichen. Von knapp 1,4 Millionen Dollar ist die Rede. Die Ereignisse der vergangenen Monate hätten das alles notwendig gemacht, so Kultur- und Sportminister Miki Zohar gegenüber Jewish Insider Presse. „Seit dem 7. Oktober haben sich die Gefahren für Israelis im Ausland deutlich erhöht, und zwar um ein Vielfaches.“ Sein Ministerium arbeite deshalb in enger Kooperation mit dem Inlandsgeheimdienst Shin Bet zusammen. „Wir wollen dafür sorgen, dass unsere Sportler sicher trainieren und an den Wettkämpfen teilnehmen können, sowohl mental als auch physisch.“ Im schwedischen Malmö, dem Austragungsort des diesjährigen Eurovision, musste man bereits ähnlich verfahren. Auch dort gab es Bedrohungen und Anfeindungen, weshalb die israelische Sängerin Eden Golan rund um die Uhr von einem Shin Bet-Team beschützt wurde. Sicherheit wird in Paris ohnehin groß geschrieben. 15.000 Soldaten, 35.000 Polizisten sowie 22.000 private Sicherheitskräfte sollen für einen reibungslosen Ablauf sorgen.
Die Sicherheitsmaßnahmen erfolgen in enger Zusammenarbeit zwischen den israelischen und französischen Behörden, erklärt auch Eytan Ben David, ehemaliger Leiter der Abteilung im Shin Bet, die zuständig für den Schutz von Politikern und anderen exponierten Prominenten ist. Jede und jeder in der israelischen Delegation würde Personenschutz auf allerhöchstem Niveau erfahren. Der Shin Bet hat deshalb auch intensiv mit dem Olympischen Komitee Israels zusammengearbeitet, um die Sicherheitsvorkehrungen an allen relevanten Austragungsorten in Frankreich zu begleiten. Zuvor hatte es auch Gerüchte um einen möglichen Rückzug Israels von dem Sportevent gegeben. Das wurde von der israelischen Botschaft in Paris dementiert. „Israel wird wie jedes andere Land eine Delegation zu allen Veranstaltungen schicken, auch zu der Eröffnungsfeier und den Wettkämpfen selbst.“ Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hatte ebenfalls seine Unterstützung zum Ausdruck gebracht. IOC-Präsident Thomas Bach betonte, es sei „keine Frage“, dass Israel nicht wie alle anderen Nationen an den Olympischen Sommerspielen teilnehmen werde und man alles unternehmen werde, um eine Tragödie wie in München 1972 zu verhindern.

Mit von der Partie in Paris werden auf jeden Fall einige sehr prominente Sportler sein. Einer von ihnen ist Artem Dolgopyat. Der israelische Kunstturner kann auf einige Erfolge zurückblicken. So holte er Gold für Israel bei den Olympischen Sommerspielen 2020 in Tokio und wurde 2023 Weltmeisters im Bodenturnen. Außerdem gewann er in diesen Disziplinen bei den Weltmeisterschaften 2017 und 2019 zweimal Silber. Eine andere ist Sharon Kantor. Sie gewann bereits mehrere Auszeichnungen in ihrer Kategorie, dem Windsurfen, und zwar eine Bronzemedaille beim letzten Weltcup in Lanzarote sowie eine Goldmedaille beim vorolympischen Wettbewerb in Marseille. Vielfache Medaillengewinnerin ist ebenfalls Inbar Lanir. Die Judoka hat sich unter anderem bei den U23-Europameisterschaften 2019 Bronze und 2020 Gold gesichert. Hoch gehandelt wird auch das israelische Team, das in der Disziplin Rhythmische Sportgymnastik an den Start geht. Eine Überraschung war darüber hinaus die Qualifikation des israelischen Fußballteams für Paris.
Die Palästinenser sind übrigens ebenfalls mit einem Team vor Ort. Es ist das achte Mal, dass sie an den Olympischen Sommerspielen teilnehmen. Es besteht aus sechs Athleten, darunter einer Frau, so jedenfalls gab es das Olympische Komitee bekannt. Antreten sollen sie in den Disziplinen Boxen, Judo, Schwimmen sowie Schießen und Taekwondo. Qualifiziert hatte sich eigentlich nur einer, und zwar Omar Ismail für die Taekwondo-Wettkämpfe. Nader Jayousi, technischer Direktor der palästinensischen olympischen Komitees sagte, alle anderen würden in Frankreich im Rahmen des sogenannten Wildcard-Systems antreten, einer Art Ausnahmeregel für Sportler, die eigentlich nicht den Qualifizierungsregeln genügen. Gedacht ist dieses für Athletinnen und Athleten ärmerer Länder mit weniger finanziell ungenügend ausgestatteten Sportprogrammen, sodass auch diese die Möglichkeit einer Teilnehme erhalten.
Auch wenn das Internationale Olympische Komitee nach den Worten seines Präsidenten Thomas Bach einen Boykott Israels ausgeschlossen hat, so ist immer noch offen, inwieweit einzelne Sportlerinnen oder Sportler sich weigern werden, gegen israelische Athleten anzutreten. In der Vergangenheit ist dies auf internationalen Sportevents immer wieder geschehen. Manchmal gibt es auch die Anweisung von Regierungen, vor allem seitens des Iran. Besonders spektakulär war dies 2019 bei der Weltmeisterschaft im Judo. Das Regime in Teheran hatte dem iranischen Judoka Saeid Mollaei den direkten Kampf mit dem Israelis Sagi Muki untersagt, dieser wollte sich aber nicht der Order der Mullahs Folge leisten, verlor aber bereits gegen einen Belgier, weshalb es nicht zum Zweikampf des Iraners gegen den Israeli. Saeid Mollaei gratulierte Sagi Muki, der den Wettbewerb gewinnen sollte, auf Instagram. Der iranische Judoka setzte sich ab, nahm die mongolische Staatsbürgerschaft an und reiste daraufhin nach Israel, um sich dort mit seinem Sagi Muki zu treffen, die seither Freunde sind.
-81 round3
MOLLAEI, Saeid🇦🇿vs
MUKI, Sagi🇮🇱 pic.twitter.com/POsaWp4VFo— 2024judo (@1974ay1) July 9, 2022
Die große Frage ist deshalb, wie das Internationale Olympische Komitee reagieren könnte, wenn es zu ähnlichen Situationen in Paris kommen sollte. Wird man dann ebenfalls Teilnehmer, die sich weigern, gegen Israelis anzutreten, disqualifizieren oder gibt es eine Tendenz, dieses unsportliche Verhalten zu tolerieren. Die Antworten dazu werden wohl erst in den kommenden Wochen gegeben.