Kundgebung vor der deutschen Botschaft in Athen

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Foto: AK Distomo

Demonstrierende aus Griechenland und Deutschland fordern Entschädigung für die Opfer des Massakers von Distomo und für die Angehörigen der Ermordeten. Die deutsche Botschaft wurde aufgefordert, die Forderung nach Entschädigung zu unterstützen.

Martin Klingner vom Arbeitskreis Distomo aus Hamburg erklärt: „Es genügt nicht, wenn Vertreter*innen des deutschen Staates Kränze an Gedenktagen niederlegen. Ohne Entschädigung kann es keine Gerechtigkeit geben.“

Deutschland schuldet den Kläger*innen aus Distomo 28 Mio. Euro plus Zinsen. Zur Zahlung dieser Summe wurde Deutschland bereits 1997 vom Landgericht Livadia verurteilt. Aber Deutschland weigert sich zu zahlen und beruft sich auf Staatenimmunität. Das rechtskräftige Urteil kann in Griechenland nicht vollstreckt werden, weil Deutschland politischen Druck auf Griechenland ausübt. Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass Urteil in Italien zu vollstrecken. Italienische Gerichte haben mehrfach entschieden, dass eine Vollstreckung gegen deutsches Staatsvermögen möglich ist. Die deutsche Regierung intervenierte auch in Italien um die Vollstreckung zu stoppen, im Fall Distomo aber ohne Erfolg. Zuletzt entschied das Vollstreckungsgericht in Rom, dass die Vollstreckung weiterhin möglich ist.

Der AK-Distomo fordert, dass Deutschland endlich seine Schulden bezahlt. Das Distomo Urteil muss erfüllt werden. Alle Opfer der NS Verbrechen müssen entschädigt werden.

Redebeitrag von Gabriele Heinecke:

Foto: AK Distomo

Am 10. Juni 2024 jährt sich das SS-Massaker von Distomo zum 80. Mal. Seit einem Urteil des Landgerichts Livadia aus dem Jahr 1997 schuldet Deutschland als Rechtsnachfolgerin des faschistischen Deutschen Reichs den Überlebenden und Angehörigen der Ermordeten eine Entschädigungssumme von 28 Millionen Euro. Deutschland verweigert jede Zahlung und argumentiert, es sei als Staat immun gegen die Entscheidungen griechischer Gerichte.

2001 sollte die Beschlagnahme und Versteigerung von Immobilien beginnen, die dem deutschen Staat gehören. Das hätte viele Millionen erbracht, die an die Opfer längst hätten ausgezahlt werden können. Aber auf massiven Druck der deutschen Regierung verweigert der griechische Justizminister die notwendige Zustimmung zu der Vollstreckung.

Weil das Livadia-Urteil nicht in Griechenland vollstreckt werden konnte, musste die Vollstreckung im Ausland stattfinden. Seit vielen Jahren kämpft Rechtsanwalt Joachim Lau aus Florenz darum, die Rechte der Opfer des Massakers von Distomo in Italien durchzusetzen. Doch auch dort sabotiert Deutschland die Vollstreckung mit allen nur denkbaren juristischen und politischen Interventionen. Deutschland zog vor den Internationalen Gerichtshof in Den Haag und erwirkte im Jahr 2012 ein Urteil, nach dem der Grundsatz Staatenimmunität auch im Fall von
NS-Kriegsverbrechen gilt. Deutschland darf von den NS-Opfern nicht vor ausländischen Gerichten auf Schadensersatz verklagt werden.

Doch im Jahr 2014 widersprach das italienische Verfassungsgericht dieser Entscheidung. Sie sei nicht mit der italienischen Verfassung vereinbar. Die Opfer Nazi-Deutschlands hätten ein Grundrecht auf Zugang zu den italienischen Gerichten. Dieses Grundrecht könne nicht durch die Berufung auf den Grundsatz der Staatenimmunität vernichtet werden. Das Vollstreckungsverfahren konnte in Italien fortgesetzt werden.

Darum rief Deutschland im Frühjahr 2022 erneut den Internationalen Gerichtshof an. Es verklagte Italien und verlangte im Eilverfahren die Feststellung der Völkerrechtswidrigkeit des italienischen Verfassungsgerichts-Urteils. Der Eilantrag wurde von Deutschland erst zurückgenommen, nachdem Italien ab Frühjahr 2022 per Gesetz alle Entschädigungsverfahren italienischer NS-Opfer stoppte. Die italienischen NS-Opfer konnten seitdem nur aus einem mit 60 Millionen dotierten Entschädigungsfonds des italienischen Staates eine geringe Entschädigungssumme verlangen. Weil es nun immerhin eine Entschädigung für die NS-Opfer gab, hielt das italienische Verfassungsgericht im Jahr 2023 dieses „Schlussstrich-Gesetz“ als mit der italienischen Verfassung vereinbar.

Aber es geht weiter. Anfang März 2024 hat ein Berufungsgericht in Rom eine sensationelle Entscheidung getroffen. Das Schlusstrich-Gesetz gelte nur für die italienischen NS-Opfer, nicht aber für Distomo. Dieses Urteil lässt zumindest die Möglichkeit einer weiteren erfolgreichen Vollstreckung in Italien offen. Sicherlich wird abzuwarten sein, wie das noch anhängige Verfahren Deutschlands gegen Italien vor dem Internationalen Gerichtshof ausgeht. Aber festzustellen bleibt, dass Deutschland es bis zum heutigen Tag nicht geschafft hat, sich seiner historischen Verantwortung für das Menschheitsverbrechen in Distomo zu entziehen.

Wir fordern:
Deutschland muss alle Opfer des Nationalsozialismus entschädigen!
Nazi-Verbrechen nicht vergeben, den antifaschistischen Widerstand nicht vergessen!
Gemeinsamer Kampf gegen den wiedererstarkenden Faschismus in Europa!

AK Distomo