Der ausgebliebene Aufschrei auf das Bekanntwerden neuer Vorwürfe zur systematischen Unterdrückung der muslimischen Minderheit der Uigur*innen in der Volksrepublik China zeigt die Doppelstandards vieler hiesiger Aktivist*innen für ›internationale Solidarität‹.
Ein Kommentar von Thomas Tews
Seit Monaten werden antiisraelische Aktivist*innen in Deutschland und weltweit nicht müde, zu beteuern, die Triebfeder ihres Protestes sei nicht etwa Antisemitismus, sondern ausschließlich die Solidarität mit Unterdrückten. Da ich geneigt bin, Menschen in dem, was sie sagen, ernst zu nehmen, rechnete ich, nachdem das Handelsblatt am 14. Februar von neuen Vorwürfen gegen Volkswagen wegen des möglichen Einsatzes uigurischer Zwangsarbeiter*innen in der – auch Ostturkestan genannten – westchinesischen Provinz Xinjiang, in welcher der – den größten Marktanteil unter allen Automobilherstellern in China besitzende – Wolfsburger Autobauer mit seinem chinesischen Partner SAIC ein Fahrzeugwerk und eine Teststrecke betreibt, berichtet hatte, fest mit Solidaritätsbekundungen für die unterdrückten Uigur*innen, etwa in Form von Sitzblockaden vor dem VW-Sitz in Wolfsburg oder der chinesischen Botschaft in Berlin, auf denen »Free, free East Turkestan!«-Rufe erschallen würden.
Diesen Protesten hätte ich mich bereitwillig angeschlossen, denn die seit 2017 anhaltende systematische Unterdrückung von Angehörigen des muslimischen Turkvolkes der Uigur*innen durch die chinesische Regierung mittels Umerziehungslagern, willkürlichen Gefängnisstrafen, Zwangssterilisierungen und Trennung von Kindern von ihren Familien lässt sich nach Auffassung der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) und anderer tatsächlich als – zumindest kultureller – Genozid charakterisieren.
Umso überraschter war ich vom dröhnenden Schweigen der im Falle Israels so lauten ›internationalistischen‹ Aktivist*innen nach dem Bekanntwerden der neuen Vorwürfe. So kam ich ins Grübeln: Was hat der jüdische Staat Israel, das die Volksrepublik China nicht hat und das ersteren hierzulande und weltweit zum präferierten Objekt von ›Kritik‹ macht?
Beim besten Willen mochte mir nichts recht Vernünftiges einfallen …