Antisemitismus bereits in der Frühgeschichte des Islam

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Das Buch „Die Juden im Koran. Ein Zerrbild mit fatalen Folgen“ von Abdel-hakim Ourghi macht deutlich, dass Antisemitismus kein reiner Export aus der westlichen Welt war. Der Blick in die Frühgeschichte des Islam veranschaulicht etwa schon im Koran einschlägige Stereotype und „Sündenkataloge“. Sie wirken bis in die Gegenwart nach.

Von Armin Pfahl-Traughber

Dass es Antisemitismus in der islamisch geprägten Welt gibt, gilt mittlerweile nicht nur in den entsprechenden Fachkreisen, sondern auch in der medialen Öffentlichkeit als unstrittig. Doch wie erklärt sich dessen Aufkommen? Dazu kursieren zwei Hauptthesen in mitunter enger Kombination: Es handele sich um Deutungen der israelischen Politik. Und, es handele sich um einen Import aus dem Westen. Die letztgenannte Auffassung bezieht sich darauf, dass es eben inhaltliche Bezüge auf die europäische Judenfeindschaft gibt. Allein das Kursieren einschlägiger Verschwörungsideologien spricht dafür. Doch gibt es für eben diesen Antisemitismus nur externe und keine internen Gründe in der islamisch geprägten Welt? Eine Antwort auf diese Frage formuliert Abdel-Hakim Ourghi, der seit 2011 den Fachbereich Islamische Theologie und Religionspädagogik an der Pädagogischen Hochschule Freiburg leitet. In seinem neuen Buch „Die Juden im Koran. Ein Zerrbild mit fatalen Folgen“ verweist er auf die Frühgeschichte des Islam, präge diese doch die Auffassungen auch der heutigen Muslime. Daher ist erklärtermaßen vom „islamischen Antisemitismus“ die Rede.

Zur Erläuterung wählt Ourghi indessen einige Umwege: Er beginnt mit Anmerkungen zu kultureller Erinnerungsarbeit und autobiographischen Reflexionen, hier bezogen auf die antisemitischen Prägungen durch seine arabisch-islamische Sozialisation. Dann springt der Autor bei seinen Betrachtungen ein wenig hin und her und kommt zu dem Satz „Der Judenhass hat nichts mit dem Islam und seinen Lehren zu tun“. Genau gegen diese Auffassung will Ourghi an argumentieren, nicht aus einer islamfeindlichen Haltung heraus, sondern um der historischen Wirklichkeit willen. Zunächst setzt er sich kritisch mit den Auffassungen in der Fachliteratur auseinander, von Michael Kiefer über Bernard Lewis bis zu Bassam Tibi. Denn die Genannten vertreten die „Import“-These, wonach der Antisemitismus von Europa gekommen sei. Daraus erwächst die Auffassung, er stelle gegenüber dem Islam einen moralischen Verrat dar. Auch ein Mouhanad Khorchide vertritt diese Position, um das Modere an dieser Religion zu betonen. Demgegenüber werden hier von Ourghi einschlägige Umkodierungen und Verdrängen kritisiert.

Auch hier zieht er einige Umwege vor. Zunächst geht es um die Geschichte der Juden auf der arabischen Halbinsel. Dem folgt die Darstellung der Juden im Koran, worin eben trotz gelegentlicher Anerkennung als Buchreligion sehr wohl ein angeblicher Sündenkatalog gegen sie ausgebreitet wird. Ausführlichere Blicke in die Hadithe kommen dabei nicht vor. Aber auch so gibt es genügend Belege, um das erwähnte unkritische Bild zu korrigieren. Der Autor macht dessen Entstehung anhand des historischen Hintergrundes deutlich, nämlich den Konflikten von Mohammed mit drei jüdischen Stämmen. Da diese sich nicht von seinem neuen religiösen Glauben überzeugen ließen, kam entsprechende Enttäuschung auf. Sie mündete dann in einem Fall sogar in einem Meuchelmord. Und schließlich geht der Autor noch auf die für Juden geltende besondere Kopfsteuer ein, welche sie zu Bürgern zweiter Klasse machte. Und dann wird auch noch auf die gelben Flecken auf der Kleidung verwiesen, welche für den späteren „Judenstern“ als ansonsten nicht so bekannte islamische Vorgeschichte anzusehen ist.

Gerade der letztgenannte Gesichtspunkt könnte zu der falschen Wahrnehmung führen, wonach Ourghi ein islamfeindliches Zerrbild vermitteln wolle. Genau dies ist aber nicht das Anliegen des Autors, der für eine selbstkritische Beschäftigung mit der eigenen Judenfeindlichkeit bei Muslimen plädiert. Viele anschauliche Belege werden für die Frühgeschichte des Islam dafür angeführt, auch das Bild von Mohammed erhält hier einige Schatten. Dies alles geschieht in aufklärerischer Absicht, um eben die ideengeschichtlichen Grundlagen aufzuarbeiten. Genau dafür liefert Ourghi wichtigen Stoff. Er hätte die gesellschaftlichen Folgen etwa bei einschlägigen Pogromen noch etwas ausführlicher behandeln und auch gegenüber der christlichen Judenfeindschaft einen Vergleich anstellen können. Denn im Koran findet man ebenso bedenkliche Stellen wie im Neuen Testament. Die kritische Auseinandersetzung damit dürfte sich indessen noch hinziehen, auch bei der europäischen Judenfeindschaft hat es lange gedauert. Das Buch von Ourghi liefert für derartige Reflexionen den inhaltlichen Stoff.

Abdel-Hakim Ourghi, Die Juden im Koran. Ein Zerrbild mit fatalen Folgen, München 2023 (Claudius-Verlag), 261 S., Euro 26,00, Bestellen?