Ein Philosoph für alle Fälle

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Omri Boehm erhält den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung 2024. Dafür gibt es gute, aber wenig charmante Gründe.

Von Ralf Balke
Zuerst erschienen in: Jüdische Allgemeine v. 19.12.2023

Masal tov möchte man erst einmal sagen. Denn am Montag wurde bekannt, dass der deutsch-israelische Philosoph Omri Boehm für sein 2022 erschienenes Buch »Radikaler Universalismus. Jenseits von Identität« den mit 20.000 Euro dotierten Preis erhalten wird.

In der Begründung der Jury heißt es, der 1979 in Haifa geborene Omri Boehm werde für die Konsequenz ausgezeichnet, mit der er den Kern des humanistischen Universalismus, die Verpflichtung zur Anerkennung der Gleichheit aller Menschen, gegen jegliche Relativierung verteidigt. Eigentlich klingt das recht beeindruckend. Doch in der Beliebigkeit dieser Worte zeigt sich bereits das Problem, weil es sich um nichts Anderes als Brei auf Stelzen handelt.

Die Begründung verrät auch eine Menge über denjenigen, der den Preis erhält und natürlich über die, die ihn vergeben. Denn Omri Boehms Mantra lautet seit Jahren, dass Israel irgendwie in einem binationalen Staat aufgehen sollte, in dem es eine nationale Selbstbestimmung und Autonomie für Juden und Palästinenser gleichermaßen gibt. Dann wird der Nahostkonflikt wohl Geschichte sein. So etwas will man in Deutschland gerne hören, wer solche Sachen sagt, erhält Preise.

Als Gedankenspiel mögen solche Konzepte gewiss ganz nett sein. Nur haben sie mit den Realitäten im Nahen Osten herzlich wenig zu tun – erst recht nicht nach dem 7. Oktober. Und das erklärt dann auch, warum man in Israel einen Autor wie Omri Boehm allenfalls mit einem Schulterzucken zur Kenntnis nimmt, er hierzulande aber mit viel Aufmerksamkeit bedacht wird. Denn Visionen, in denen sich die Grenzen Israels quasi auflösen und der jüdische Staat als solcher zum Verschwinden gebracht wird, haben offensichtlich ihren Reiz.

Anders ausgedrückt: Es gibt in Deutschland für sie einen Markt und Omri Boehm bedient diesen gerne.

Mit Sätzen wie »Ich denke, es ergibt wenig Sinn, tiefer in die Debatte über den ’spezifischen arabischen Antisemitismus‹ einzutauchen« oder »Ich werde Ihnen sagen, wo der Antisemitismus nicht beginnt: Er beginnt nicht damit, Israels Existenz als jüdischen Staat infrage zu stellen« hat sich Omri Boehm ohnehin schon längst in die Herzen der postkolonialen juste milieus und BDS-Fans eingeschrieben.

Omri Boehm bewegt sich im Umfeld der Boykottbewegung gegen Israel. Beispielsweise nahm er an der »Hijacking Memory« im Sommer 2022 teil, bei der auch versucht wurde, den deutschen Erinnerungsdiskurs über die Schoa zu verschieben. Diese Veranstaltung wurde scharf vom Zentralrat der Juden kritisiert. Der Philosoph reagierte darauf sehr verschnupft. »Doch mag er sich auch noch so sehr über einen stillschweigenden BDS-Boykott gegen Juden und Israelis beklagen: Der Zentralrat ist zu einer viel mächtigeren Bedrohung für den öffentlichen Auftritt von Juden in diesem Land geworden«, so Omri Boehm in der Wochenzeitung »Die Zeit«.

Da haben wir wieder das altbekannte Muster. Gibt es Kritik, wird diese sofort als Versuch gedeutet, Andersdenkende zum Schweigen zu bringen. Das verwundert – schließlich ist Omri Boehm auf wirklich allen Kanälen präsent, unter anderem kürzlich im »ZDF« im Gespräch mit Richard David Precht – aber das passt ja dann bestens. Masal tov!

Bild: Wikicommons / CC BY-SA 4.0