Benefizkonzert neue BücherboXX Gleis 17

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Verwunschen liegt sie, die Friedenskirche, gebaut wurde sie von dem Berliner Architekten Carl Moritz zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Im Hinterhof ist sie gelegen, wird deshalb gerne als Hinterhofkirche bezeichnet. Suchen muss man sie geradezu in der Bismarckstraße in Berlin – Charlottenburg. Für die apostolisch-katholischen Christen wurde sie damals gebaut, diente später unterschiedlichen Glaubensrichtungen als Gebetsraum. Seit 1920 ist sie die Evangelische Freikirche der Baptistengemeinde. Zehn Jahre lang, von 1908 bis 1918, war sie gar eine Synagoge.

Von Christel Wollmann-Fiedler

Das Benefizkonzert neue BücherboXX Gleis 17, fand letzte Woche in diesem gastlichen Ort statt. Am 12. August 2023 wurde in Berlin-Grunewald die dort liebevoll und kundig betreute BücherboXX von einem Nazi mit Bekennerbrief total zerstört. Ausgebrannt, verkohlt samt Inhalt, war sie ein schrecklicher Anblick. Konrad Kutt, der diese Bücherbox aufgebaut hat, war ziemlich verzweifelt, als er sein Lebenswerk in diesem Zustand sah. Eine Straßenbibliothek mit jüdischen Büchern und einem Audiogerät mit Lesungen und hebräischen Musikkompositionen von Tal Koch wurden ebenfalls zerstört. Gleis 17 ist ein Holocaustgedenkort. Von hier wurden von 1941 bis 1945 weit über 18.000 jüdische Bürger in die Ostgebiete zum Töten in Konzentrationslager deportiert. Die Menschen aus aller Welt, die Berlin besuchen, pilgern zu diesem Gleis 17.

Erinnert wurde an den Brandanschlag auf die BücheboXX, den Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023, an das Töten von Menschen und die Geiselnahmen. Das jüdische Leben gehört zu uns, hier und überall auf der Welt. Wir haben jüdisches Leben zu sichern.

In der vorderen Reihe hat Lala Süsskind, die frühere Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Berlin Platz genommen und neben ihr der SPD Politiker und Abgeordnete Reinhard Naumann.

Ausgesucht und eingeladen wurde Isidor Abramovicz der in Argentinien geborene ausgebildete Opernsänger. Kantor und Musikdirektor der Synagoge in der Pestalozzistraße in Berlin-Charlottenburg ist er und lehrt am Abraham-Geiger-Kolleg. Am Klavier wird er begleitet von Martin Blaschke, dem Kirchenmusiker der Kirchengemeinde Lübars am Rande von Berlin.

Lieder von Jacob Rappaport, und Adrian Schaposchnik, ebenso von John Gross und Chanan Winternitz singt er, Kapitel aus dem Talmut und Psalmen. Lebhaft und schön, zum Klatschen am Ende.

Andere Musik, andere Lieder kommen von der Jazzsängerin Dotschy Reinhardt, der Verwandten des berühmten Jazzgitarristen Django Reinhardt. Eine Sinteza ist sie, schreibt Bücher und ist Menschenrechtlerin. Vom Gipsy zum Modern Jazz ist ihre Musik geworden mit eigenen Kompositionen. Von Django Reinhardts Enkel wird sie in Paris aufgenommen und Charly Chaplin besuchte sie. Chaplin hatte keinen Mut zu seiner Herkunft zu stehen. Erzählt sie. Chaplin’s secret hat sie u.a. geschrieben, komponiert und als ihren letzten Song gesungen. Dotschys Gitarrenbegleiter ist der in Kiew geborene Alexej Krupsky.

Bereits erwähnt wurde Martin Blaschke der Klavierspieler und Kantor der Kirchengemeinde Berlin – Lübars. Er begleitet die Kantorin der Sukkat Shalom Gemeinde der Reformjuden Esther Hirsch. Zusammen mit Rabbiner Dr. Andreas Nachama gestaltet sie den Gottesdienst in der Herbartstraße am Lietzensee im Stadtteil Charlottenburg. Liturgische Synagogalmusik ist ihre Leidenschaft, Musik gestaltet sie individuell. Bereits als Kind singt sie im Synagogenchor. Ausgesucht wurde Musik von Louis Lewandowski und Debbie Friedman, der Interpretin jüdischer Liturgie.

Das Jarock Ensemble steht im Programm. Irene Aselmeier ist Gründerin, Organisatorin, Rezitatorin des Ensembles und Mitglied zusammen mit Tal Koch, Raphael Isaac Landzbaum, Guy Woodcock.

Tal Koch wird in eine, traditionelle jüdische Familie in Israel geboren. Colleges besucht er in Tel Aviv, ist Sänger, Komponist, Dichter, Kantor etc. Heute tritt er mit dem Oboisten Raphael Isaac Landzbaum auf und Irene Aselmeier wird Gedichte von Paul Celan, Lea Goldberg und Naomie Mandelbaum rezitieren. Tal Koch singt mit seinem unvergleichlich schönen Tenor eigene Kompositionen und wird von Landzbaum begleitet.

Konrad Kutt liest seine Notizen vom 14. August 2023 vor. Seine große Verzweiflung beschreibt er über das Entdecken seiner zerstörten BücherboXX in Grunewald vor dem Bahnhofseingang unterhalb von Gleis 17. Vernichtet, verkohlt, zerstört von einem Nazi, wie oben beschrieben. Diese nachhaltige BücherboXX erfand er 2010. Kutts zivilgesellschaftliches Engagement ist grenzenlos, ökologische und soziale Nachhaltigkeit sind seine wichtigen Punkte. Der Berufs- und Wirtschaftspädagoge ist selbst in diesem fortgeschrittenen Alter umtriebig, interessiert und mit viel neuen Ideen ausgestattet. Gabriele und Konrad Kutt führen in ihrem Haus einen Salon „KunstStücke Grunewald“. Zu unterschiedlichen Themen laden sie ein.

Ein großartiger musikalischer Abend fand statt, den Sigmount Königsberg von der Jüdischen Gemeinde und Irene Aselmeier hervorragend organisiert haben. Sigmount Königsberg ist u.a.  Antisemitismusbeauftragter und Irene Aselmeier Gründerin und Organisatorin des Jarock Ensembles.

Vor Tagen trafen sich Lisa Paus, die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und Konrad Kutt an der Stelle vor dem Bahnhof Grunewald unterhalb von Gleis 17, wo die BücherboXX jahrelang stand. Die Ministerin wollte sich persönlich informieren, wo und wie die Straßenbibliothek mit allem Drum und Dran durch den Brand, durch die antisemitische Tat, zerstört wurde. Anschließend gab es Kaffee und den berühmten Bienenstich bei Gabriele und Konrad Kutt in ihrem Zuhause eine Straße weiter. Auch hier sang Tal Koch mit seiner wunderbaren Stimme seine musikalischen Kompositionen.

Fotos: (c) C. Wollmann-Fiedler