Es gibt keinen besseren Moment als jetzt gerade, um diesen wunderbaren Roman zu lesen. Auch in weiten Teilen Europas scheint der Sommer endlos und in Israel wartet man im Monat Elul schon sehnsüchtig auf den Regen. Der Elul ist auch der Ausgangspunkt von diesem Debütroman der israelischen Schriftstellerin und Dozentin Saleit Shahaf Poleg um ein Dorf in der Jesreelebene, glutheiß und staubtrocken.
Um den Regen, oder besser um sein Ausbleiben, kreist Polegs Familiengeschichte über mehrere Generationen. Im Zentrum stehen die schwangere Jaeli, die vor einer Diagnose in ihr Heimatdorf flieht, und ihre Schwester Gali, die dort ihre Hochzeit plant, ohne dass der Bräutigam vor Ort wäre. Von den Eltern, vor allem aber den Großeltern wird erzählt, einer Generation, die das Land aufgebaut hat. Von Sophie, die das Leben als ununterbrochene Folge von Katastrophen sieht, und Joske, der voller Gram zuhause sitzt.
Das Dorf ist geteilt, von Intrigen und Feindschaften, verursacht von Wasserraub und Unterschlagungen. Von verloren gegangener Solidarität wird erzählt, die auch Rubi dazu treibt, sich krummen Geschäften anzuschließen. Jaeli, die mit ihrem beachtlichen Bauch zurückkommt, scheint die Pläne der korrupten Dorfleitung zu durchkreuzen.
Es ist ein sehr israelisches Buch, mit vielen Hinweise, die deutsche Leser vielleicht nicht immer verstehen, wenn etwa von Giraffe und Löwe hinter den Büschen, die Rede ist, eine Anspielung auf das Kinderbuch „Himbeersaft“. Aber am Ende sind die Themen überall gültig, gesellschaftliche Umbrüche, Familiendramen, der Umgang mit dem Anders-Sein. Denn die Familie Steinmann hat ein großes Geheimnis gehegt: Schimele, der Kranichmann, „ein Mensch ohne eine Spur Bosheit, mit einer Künstlerseele und geschickten Händen. Er passte nicht in diese Welt voll dreckiger und grausamer Menschen.“
Ein Geheimnis, das sie jahrzehntelang verschwiegen haben. Überhaupt scheinen die Steinmanns und alle anderen Bewohner des Dorfes gut zu sein im Verschweigen: „Lügen und Geheimnisse bringen angeblich mehr Schaden als Nutzen, alle wollen jetzt ehrlich sein, die Büchsen der Pandora öffnen und die Sündenregister öffnen. (..) „Was sie Lügen und Geheimnisse nennen, nennen wir „sich mit dem eigenen Kram befassen und die Nase nicht in anderer Leute Angelegenheiten stecken“. Wir sind Experten darin, und vielleicht ist das ja das Geheimnis unserer Resilienz hier auf der schweren sumpfigen Erde“.
Saleit Shahaf Poleg, 1977 geboren, ist Schriftstellerin, Redakteurin und Universitätsdozentin. Sie verbrachte selbst einen Teil ihre Kindheit in einem Moschaw in der Jesreelebene. Ihr Roman, von der großartigen Ruth Achlama wie immer wunderbar ins Deutsche übertragen, erzählt in erfrischender Weise aus immer wieder wechselnden Perspektiven und schafft so ein spannendes Mosaik der Generationen. Unbedingt lesenswert!
Saleit Shahaf Poleg, Bis es wieder regnet. Roman. Übersetzung von Ruth Achlama, Blumenbar Verlag 2023, 304 S., Euro 23,00, Bestellen?