Wer war Fritz Kittel?

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Wer war Fritz Kittel? Multimediale Ausstellung zur Zivilcourage in der NS-Zeit

Diese Frage stellte sich die Schriftstellerin Esther Dischereit. Sie begab sich auf die Suche nach der Geschichte dieses Mannes sowie seiner Familie. Was sie nach langen Recherchen herausfand: Der Eisenbahner hatte Dischereits Mutter Hella und ihre Schwester aus erster Ehe, Hannelore Zacharias, während der nationalsozialistischen Herrschaft bei sich in Heringen (Werra) versteckt und ermöglichte damit ihr Überleben.

Die Schriftstellerin nahm Kontakt zu den Angehörigen von Fritz Kittel auf, die noch immer in Heringen leben. Sie fand heraus, dass seine Familie nichts von seiner rettenden Tat wusste. Daraufhin entschied sie, sich auf Spurensuche nach seiner Geschichte zu begeben.

In Zusammenarbeit mit Dr. Susanne Kill von der Historischen Sammlung der Deutschen Bahn AG hat Esther Dischereit eine Wanderausstellung konzipiert, die nun im Museum Judengasse zu sehen ist. Im Zentrum der Ausstellung steht die Geschichte der Rettung von Hella Dischereit und Hannelore Zacharias durch Fritz Kittel, die mit Dokumenten, literarischen Texten und dokumentarischen Filmen dargestellt wird. Die multimediale Ausstellung fragt nach den Motiven der Rettung und thematisiert die Rolle der Deutschen Reichsbahn im Nationalsozialismus. Sie geht sowohl auf die Beteiligung der Reichsbahn an der Schoa wie auch auf das Schicksal jüdischer Eisenbahner ein.

Zehn dokumentarische Filme von Gerhard Schick begleiten die Spurensuche von Esther Dischereit und weiterer Mitglieder ihrer Familie sowie der Kinder und Enkelkinder von Fritz Kittel in Berlin, Żary (dem damaligen Sorau) und Heringen. Ihnen zur Seite stehen Dokumente aus den Entschädigungsakten von Hella Dischereit und Hannelore Zacharias, die von ihrer Verfolgung und Entrechtung während des Nationalsozialismus und ihrem Kampf um Entschädigung im Nachkriegsdeutschland zeugen.

Zu sehen sind darüber hinaus auch die gefälschten Papiere, die ihr Überleben ermöglichten. Sie werden von Dokumente zu den Biografien von Franz Bergmann und Paul Levy (Ingenieure und Reichsbahndirektoren) ergänzt, die als Juden deportiert und ermordet wurden sowie von Ludwig Homberger (dem Finanzvorstand der Reichsbahn), der in die Emigration fliehen konnte. Ein besonderes Element der multimedialen Ausstellung bilden die eigens verfassten literarische Texte von Esther Dischereit, die die die verschiedenen Zeugnisse ergänzen und um persönliche Reflexionen bereichern.

Ausstellung im Museum Judengasse, 17. August – 15. Oktober 2023

Bild oben: © Deutsche Bahn AG, Foto: Dominic Dupont