Kein Rückgang antisemitischer Gewalt in Berlin 2022

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Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin verzeichnete 848 antisemitische Vorfälle in Berlin im Jahr 2022. Insgesamt sind dies knapp 20 Prozent weniger Vorfälle, jedoch blieb die Anzahl der Gewaltvorfälle auf dem Niveau des Vorjahres. Darunter war erneut ein Fall extremer Gewalt, bei dem zwei Personen verletzt wurden. Dies geht aus dem heute in der Jüdischen Gemeinde zu Berlin vorgestellten Bericht „Antisemitische Vorfälle in Berlin 2022“ hervor.

Angriffe und Anfeindungen richteten sich gezielt gegen Juden und Jüdinnen – immer wieder mit Bezug auf Israel

RIAS Berlin erfasste 2022 21 antisemitische Angriffe und einen Fall extremer Gewalt. In Spandau wurden zwei Männer von einer Gruppe aus 5 – 10 Personen angegriffen. Die Angreifenden warfen den Betroffenen vor, „Free Israel“ gerufen zu haben und attackierten sie mit Baseballschlägern, Messern und Pfefferspray. Die beiden Verletzten wurden ins Krankenhaus eingeliefert, ein Mann musste stationär behandelt werden.

Antisemitische Angriffe ereigneten sich auf der Straße, im öffentlichen Nahverkehr, an Gedenkorten und auf Gedenkveranstaltungen, im Café, sogar in einer Schule. Mehreren Personen wurde die Kippa vom Kopf gerissen, sie wurden geschlagen, angespuckt, auf dem Fahrrad bedrängt und bedroht. Eine Person, die auf Hebräisch telefonierte, wurde angerempelt. Oft gingen den Angriffen antisemitische Beschimpfungen voraus.

In den sozialen Medien wird gegen jüdische Personen und Institutionen gehetzt

Auch auf den sozialen Plattformen werden Jüdinnen und Juden kontinuierlich antisemitisch angefeindet, beschimpft und bedroht. Ein jüdischer Social-Media-Nutzer wurde dort wiederholt als „Judenschwein“ beschimpft. Einer jüdischen Nutzerin wurde als „Maßnahme gegen Judenhass“ empfohlen, dass Jüdinnen und Juden sich „verziehen“ sollten. 2022 stellten Vorfälle, die sich im Internet ereigneten (483) wie im Vorjahr die Mehrzahl dar. Der Großteil der antisemitischen Anfeindungen im Internet richtete sich gegen jüdische und israelische Institutionen.

Antisemitische Reaktionen auf aktuelle politische Konflikte: 76 antisemitische Vorfälle mit Bezug auf den russischen Angriffskrieg

Zahlreiche Vorfälle, die RIAS Berlin 2022 dokumentierte, nahmen Bezug auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. So wurde eine mangelnde Solidarität mit Russland kritisiert, wie in einem Social-Media-Kommentar unter dem Post einer jüdischen Organisation: „Als Dankeschön für die Befreiung hetzen viele westliche Juden jetzt zum Krieg gegen die Russen (Befreier) auf.“ Andere Kommentator_innen warfen den Angesprochenen dagegen eine unzureichende Unterstützung der Ukrainer_innen vor. In einer E-Mail am 04. November an eine israelische Einrichtung kommentierte der Absender wie folgt: „(…) ich bin empört, dass Sie Hilfe für die Ukrainer verweigern. Gerade Sie und Ihr Volk müssten doch wissen, was es heißt ungerechter Gewalt hilflos ausgesetzt zu sein. Ihr Verhalten ist asozial.“ Auch wurden Verschwörungsmythen artikuliert, denen zufolge Jüdinnen und Juden für den Krieg verantwortlich oder dessen Profiteure sind.

RIAS Berlin dokumentierte 848 antisemitische Vorfälle, darunter einen Vorfall extremer Gewalt, 21 Angriffe, 31 gezielte Sachbeschädigungen, 24 Bedrohungen, 751 Fälle verletzenden Verhaltens, die unter anderem 36 Versammlungen umfassen, sowie 20 Massenzuschriften.

Der Bericht „Antisemitische Vorfälle in Berlin 2022“ kann online unter https://report-antisemitism.de/documents/Antisemitische-Vorfaelle-Berlin-2022.pdf eingesehen werden.

Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (RIAS Berlin) wurde im Januar 2015 durch den Verein für Demokratische Kultur in Berlin (VDK) e.V. gegründet. Sie wird gefördert durch das Berliner Landesprogramm gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus der Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung und durch die Amadeu Antonio Stiftung. RIAS Berlin erfasst strafbare und nicht-strafbare antisemitische Vorfälle in Anlehnung an die IHRA Arbeitsdefinition von Antisemitismus und vermittelt Unterstützungsangebote an die Betroffenen. RIAS Berlin ist Mitglied in der Bundesarbeitsgemeinschaft des Bundesverbands der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus e.V.