„Liebe Ida“

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Barbara Noculak, Ausstellung Roentgen-Museum_Neuwied, 2022, Detail

Barbara Noculak erhielt den Ida Dehmel Kunstpreis der GEDOK 2022 für ihr künstlerisches Lebenswerk 

Von Christel Wollmann-Fiedler

In Bingen am Rhein wird Ida Coblenz als 4. Kind 1870 geboren. Begütert ist der Vater Simon Zacharias Coblenz, der jüdische Weinhändler. Ida bekommt Privatunterricht und nach dem Tod der Mutter Emilie besucht sie ein Mädchenpensionat in Brüssel. Idas Interesse an Kunst, Literatur und Musik wird bereits im Elternhaus gefördert. Zu ihrem Jugendfreund Stefan George hat sie eine ganz besondere Beziehung.

In eine vom Vater arrangierte Ehe lässt sie sich ein und heiratet den Konsul Leopold Auerbach, einen recht wohlhabenden Tuchhändler, zieht mit ihm nach Berlin in die noble Wohngegend an den Tiergarten. Der Sohn Heinz Lux wird 1895 geboren.  

In Berlin führt sie einen Kunstsalon, fördert junge Künstler, Musiker und Maler und lernt den Salongast und bereits bekannten Lyriker Richard Dehmel kennen.

Ihre Ehe nimmt keinen guten Lauf, Ida und Leopold Auerbach trennen sich. Ida und Richard Dehmel heiraten 1901, nachdem beide geschieden wurden. Zusammen ziehen sie ins vornehme Blankenese bei Hamburg, wo sie sich ein repräsentatives Haus bauen lassen.

In Künstlerkreisen sind die Dehmels unterwegs. Ida ist befreundet mit Julie Wolfthorn, der jüdischen Malerin aus Thorn, die 1944 im Konzentrationslager Theresienstadt umkommt. Ida inspiriert und fördert nicht nur zeitgenössische junge Künstler, frauenpolitische Themen werden ihr wichtig. Ihre Schwester Alice Bensheimer, die in Mannheim verheiratet ist, setzt sich intensiv für das Frauenwahlrecht ein. Ida schließt sich der Schwester an und wird Mitbegründerin der „Deutschen Vereinigung für Frauenstimmrecht“. Mit Dr. Rosa Schapire, die aus Ostgalizien stammt, gründet Ida 1916 den „Frauenbund zur Förderung deutscher bildender Kunst“. 1926 wird Ida den Künstlerinnenverband GEDOK ins Leben rufen, der Künstlerinnen aller Sparten und Kunstförderer vereinigt, und übernimmt den Vorsitz im Dachverband. Sie gehört außerdem zum Vorstand des ersten deutschen Zonta-Clubs.

Im 1. Weltkrieg 1917 fällt der Sohn Heinz Lux, ihr einziges Kind, 1920 stirbt Richard Dehmel. Ab 1933 werden der Jüdin Ida Dehmel Ämter und Vorsitze, sämtliche Rechte und ihre menschliche Würde von der Naziregierung genommen. Vor der Deportation 1942 nimmt sie sich das Leben. Als Frauenrechtlerin und Kunstförderin bleibt Ida Dehmel (1870 – 1942) in Erinnerung.

Den diesjährigen Ida Dehmel Kunstpreis für ihr Lebenswerk bekommt die Berliner Künstlerin Barbara Noculak in Neuwied am Rhein im Roentgen-Museum überreicht.

Barbara Noculak wird 1938 in Berlin geboren, im 2. Weltkrieg verbringt sie einige Jahre in Wien und bei der Großmutter in Erfurt in Thüringen. Eingeschult wird sie in Berlin. 1955 zieht ihre Familie nach Madrid. Die spanische Sprache ist ihr seitdem geläufig. Sie lernt in den Jahren die spanische Kultur kennen, die damals noch recht konservativ und das Leben der Frauen eingeschränkt ist. Konventionen bestimmen auch Barbaras Leben in der Öffentlichkeit. Zum Zeichnen besucht sie eine Abendakademie, mit einer kleinen Boybox aus Bakelit experimentiert sie bereits fotografisch. Nach Berlin geht sie als junge Frau alleine zurück, beginnt ein Studium Grafik + Fotografie an der Hochschule der Künste, heute Universität der Künste. Professor Hajek-Halke, Fotograf und Maler, der in den 1930iger Jahren den Nazis die Stirn zeigt, nach Brasilien geht, ist ihr Lehrer an der Hochschule. In der Studienzeit lernt sie ihren späteren Ehemann kennen, Klaus Noculak, der im Bereich Bildhauerei studiert. Der Sohn Ole kommt 1966 in Berlin auf die Welt.

Später wird Barbara Noculak hin und wieder nach Spanien zurückkehren, um an Projekten zu arbeiten. Zwei große Ausstellungen zeigt sie auf der Iberischen Halbinsel. Die Einzelausstellung „ Hommage a Goya/Maja“ in Granada in dem Palacio de la Madraza, einem Kulturhaus mit arabischem Grundriss, das die Spanier barock umgestaltet haben. Doch daneben gibt es einen sehr schönen musealen arabischen Gebetsraum, erzählt die Künstlerin. „Das grüne Kreuz“ ist der Titel einer weiteren Ausstellung in Jaen in Andalusien im Kulturhaus der Universität im Jahr 2018. Die Ausstellung bezieht sich auf die Umwelt und den Wassermangel im Süden.

An der großen Gruppenausstellung in Valladolid zum 500. Geburtstag der Nonne Teresa von Avila nimmt sie in Berlin und in Valladolid in der Region Kastilien und Leon teil.

Zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen in Deutschland und im europäischen Ausland sind in ihrem Verzeichnis, so sind die Städte London, Posznan und Kopenhagen, Lodz und Majdanek und Well in den Niederlanden zu lesen.

Einige Einzelausstellungen beginnen mit einer Performance. Im Max-Planck- Institut für Bildungsforschung in Berlin-Grunewald und im Umweltbundesamt in Berlin-Dahlem ging es um Bella Betula, die schöne Birke. Birken sind ein großes und ein sehr wichtiges Thema der Künstlerin Barbara Noculak.

Barbara Noculak bezeichnet sich als multimediale Künstlerin. Foto + Grafik + Zeichnung + Text + Installationen, viel Handgeschriebenes + Collagen. Eine politische Künstlerin ist sie auf jeden Fall. Ihre Projekte, die sie über Jahre erarbeitet, haben alle mit Natur und Umwelt zu tun. Ihre Texte zeigen die Intensität der Umweltkatastrophe. Ein Thema ergibt sich aus dem anderen, meint die Künstlerin. Aus dem Papierkorb fischt sie EKG-Papier, handschriftlich zeichnet sie auf dieses Landschaften, Texte schreibt sie hinzu. Die horizontalen, langen Kunstwerke sind in der Mehrzahl, die vertikalen eher eine Ausnahme. Das längste ist vierzehn Meter lang und tagebuchartig über längere Zeit gezeichnet und beschrieben mit Pinsel und Aquarell. Es würde kein Ende nehmen, all die künstlerischen Projekte und Ideen aufzunehmen und zu erklären.

Die GEDOK, Verband der Gemeinschaften der Künstlerinnen und Kunstfördernden e.V. vergab den Ida Dehmel-Kunstpreis zum zweiten Mal. Der Katalog zur Ausstellung unter dem Titel „INSIDE OUTSIDE BE-SIDES“ ist gut gestaltet, gedruckt im Vierfarbdruck und hat 80 Seiten.

Als Dank für die Ehrung schrieb Barbara Noculak posthum einen fiktiven Brief an die Namensgeberin des Kunstpreises, an Ida Dehmel: