Extremistische Intellektuelle: Die Neue Rechte

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Ideologische Auffassungen und politische Wirkung

Von Armin Pfahl-Traughber

Die folgenden Thesen waren Grundlage für einen Vortrag unseres Autors,  dem Antisemitismus- und Extremismusforscher Armin Pfahl-Traughber, bei der „Gesellschaft für Kritische Philosophie“ (GKP) am Mittwoch, den 6. April 2022. Darin ging es um die Auffassungen und Handlungen einer rechtsextremistischen  Intellektuellengruppe: der Neuen Rechten.  

  1. Die Bedrohung einer Demokratie durch Extremismus kann nicht nur durch Gewalttaten oder Wahlkandidaturen erfolgen, es kann auch durch einschlägige intellektuelle Diskurse eine schrittweise Delegitimierung demokratischer Normen und Regeln geben.

 

  1. Derartige Absichten verfolgen die Anhänger einer informellen Intellektuellengruppe, die hier als das Konstrukt „Neue Rechte“ bezeichnet wird und über die Kriterien „Ideologie“, „Organisation“, „Strategie“ und „Wirkung“ eingeschätzt und untersucht werden soll.

 

  1. Die ideologischen Gemeinsamkeiten bestehen in der Anlehnung an die Denker der „Konservativen Revolution“ der Weimarer Republik (Jung, Jünger, Schmitt, Spengler), die damals ein antidemokratisches Denken zugunsten autoritärer Herrschaft propagierten.

 

  1. Es handelt sich eher um eine Art Netzwerk einzelner Publizisten, weniger um eine feste Organisation, wenngleich gegenwärtig mit dem „Institut für Staatspolitik“ und den um es bestehenden Strukturen ein örtliches Zentrum ausgemacht werden kann.

 

  1. Eine systematisch entwickelte Ideologie der Neuen Rechten gibt es nicht, gilt so etwas doch als Abstraktion und Lebensferne; eher will man eigene Auffassungen aus dem Bewusstsein von gedeuteter „Erfahrung“, „Geschichte“, „Natur“ oder „Tradition“ ableiten.

 

  1. Dazu zählt die Deutung des Menschen als „Mängelwesen“, das fester Institutionen bedürfe, welchen er sich zu unterwerfen habe, womit aber eine autoritäre elitäre Ordnung und nicht ein liberaler moderner Verfassungsstaat gemeint ist.

 

  1. Dementsprechend vertritt man ein homogenes und identitäres und kein liberales und pluralistisches Demokratieverständnis, soll es doch eine Einheit von Regierenden und Regierten (ganz im Sinne des Staatsrechtlers Carl Schmitt) geben.

 

  1. Dabei geht es auch und gerade um eine ethnische, mitunter auch „ethnisch-kulturell“ genannte Homogenität, was auch gegen Menschen mit Migrationshintergrund gerichtet ist, mal in einem bekundeten „Ethnopluralismus“, mal mit deutlichem Rassismus.

 

  1. Mit diesen Auffassungen wird die normative Basis moderner Demokratie negiert, geht es doch nicht nur um Kritik an problematischen Zuständen, entsprechend ist gelegentlich offen die Rede von „Umwälzung“ (Kubitschek) oder vom „Umsturzpotential“ (Weißmann).

 

  1. Dominanter im öffentlichen Diskurs ist indessen die verbale Zurückhaltung, um keine Angriffsfläche hinsichtlich einer Extremismuseinschätzung zu geben, was strategisch als „Maskierung“ (Kubitschek) oder „Mimikry“ (Weißmann) empfohlen wird.

 

  1. Absicht der Neuen Rechten ist ein „Kampf um die Köpfe“ bzw. eine „Kulturrevolution von rechts“, ausgehend jeweils von der Annahme, dass eine geistige Hegemonie einer politischen Machterlangung inhaltlich und zeitlich vorgeschaltet sein muss.

 

  1. Dabei geht es auch um eine Aneignung von Begriffen, also die Diffamierung (z.B. von „Menschenrechten“) oder Umdeutung (z.B. von „Demokratie“), was dazu dienen soll, nach der liberalen Demokratie auch dessen gesellschaftliche Voraussetzungen zu überwinden.

 

  1. Eine genaue Alternative für das bestehende System wird nicht skizziert, wobei es dafür intellektuelle wie strategische Gründe geben kann, läuft sie doch auf eine autoritäre Diktatur mit identitärem Gesellschaftsverständnis und pseudodemokratischer Legitimation hinaus.

 

  1. Die Akteure der Neuen Rechten bezwecken, für ihre Grundpositionen und Kritik zu werben, wozu ihnen ein organisatorisches Netzwerk zur Verfügung steht (z.B. Konferenzen im IfS, Bücher im „Verlag Antaios“, Grundsatzbeiträge in „Sezession“ etc.).

 

  1. Gegenwärtig haben die gemeinten Intellektuellen die Seminarräume verlassen und versuchen ihren Einfluss innerhalb eines seit 2015 auszumachenden „Rechtsrucks“ zu entfalten, womit sich eine strategische Ausweitung in der Wirkung verbindet.

 

  1. Bei Legida- und Pegida-Demonstrationen wurden etwa von Kubitschek diverse Reden gehalten, welche zwar nicht von dessen rhetorischem Geschick zeugen, gleichwohl seine Bereitschaft zur Kooperation mit solchen Protestbewegungen „von rechts“ dokumentieren.

 

  1. Bereits früh versuchte man in der AfD politischen Einfluss zu erlangen, was zunächst noch in der Lucke-Ära verhindert wurde, gleichwohl stieg danach die Akzeptanz mit dem internen „Rechtsruck“, waren doch im IfS führende Parteipolitiker mehrfach Gäste.

 

  1. Insbesondere auf die Angehörigen des indirekt noch bestehenden „Flügel“ in der Partei und dort den Thüringer Landesvorsitzenden Björn Höcke wird ein intensiver Einfluss zu strategischen Fragen ausgeübt („Fundamentalopposition“ statt „Selbstverharmlosung“).

 

  1. Über die richtige strategische Ausrichtung kam es indessen auch zu Konflikten, setzen doch die Anhänger der Neuen Rechte im „Junge Freiheit“-Kontext auf formale Mäßigung und längerfristiges Wirken, während das IfS für eine „kämpferische“ Option wirbt.

 

  1. Der Einfluss der Neuen Rechten darf nicht überschätzt werden, er reicht nicht in die Breite der Gesellschaft hinein, liefert aber dem auszumachenden „Rechtsruck“ einen intellektuellen Zuschnitt, der Gegenstand von differenzierter Ideologiekritik sein sollte.

 

Ausführlicheres findet sich dazu in dem neuen Buch: Armin Pfahl-Traughber, Intellektuelle Rechtsextremisten. Das Gefahrenpotential der Neuen Rechten, Bonn 2022 (J. H. W. Dietz-Verlag), i.E.

Bild oben: Logo des Instituts für Staatspolitik, Götz Kubitschek, (c) Metropolico.org / CC BY-SA 2.0