Das Kronprinzenpalais Unter den Linden, im Spätklassizismus gebaut und ins Barocke umgebaut vom königlichen Baudirektor Philipp Gerlach aus Spandau, wurde nach Abdankung des Kaisers 1918 eine Abteilung der Nationalgalerie und die Moderne Kunst zog ein. Die „Experimentiergalerie“ wurde für das MOMA in New York Vorbild. In dieser vorbildlichen Abteilung wurden aus der Sammlung Buchthal sieben Exponate ausgestellt. 1936 konfiszierte die Gestapo die großartige Kunst, verbrannte sie im Keller oder brachte sie in eigenen Besitz. Das Haus, das Museum für Moderne Kunst, wurde geschlossen.
Von Christel Wollmann-Fiedler
Die Buchthals waren Kunstsammler und besaßen in den 1930er Jahren eine der größten und hochkarätigsten Kunstsammlungen in Berlin. Eugen Buchthal verdiente gutes Geld, wurde vermögend, arbeitete in der Konfektionsbranche am Hausvogteiplatz dem einstigen „Quarree“, dann Jerusalemsplatz, in der Mitte Berlins, in Alt-Cölln, einen Katzensprung vom Gendarmenmarkt entfernt. Hauptsächlich jüdische Kaufleute hatten dort ihre Ateliers und Werkstätten, so auch die Konfektionsfirma Seeler & Cohn, führend in der Damenoberbe- kleidung, in der Eugen Buchthal eine leitende Funktion hatte. Berlin war seinerzeit Modemetropole, weit über Deutschland hinaus. 1933 veränderten die Nazis rigoros die dortige Geschäftswelt, Erlasse und Schikanen brachten Verkäufe und Namensänderungen der jüdischen Betriebe mit sich. Etwa viertausend Juden aus der Berliner Bekleidungsindustrie wurden in Vernichtungslagern ermordet.
Jahre zuvor, nach dem 1. Weltkrieg, ließ sich das liberale jüdische Ehepaar Eugen und Thea Buchthal im Villenvorort Westend 1922 ein modernes Haus bauen. Eigentlich sollten die Architekten Mies van der Rohe oder Erich Mendelssohn das Haus entwerfen, doch die bis dahin unbekannten Architekten, die Brüder Wassili und Hans Luckhardt aus Charlottenburg und Franz Hoffmann bekamen den Auftrag. Eine Herausforderung, nicht bürgerlich bauten sie, Expressiv war ihr Stil.
„Aus dem Grundmotiv des Quadrats mit stumpfen Ecken wurde der Grundriss entwickelt. Zwei in rechtem Winkel zueinander stehende, nach Süden und Westen ausgerichtete Flügel treffen sich in einem repräsentativen, hoch aufragenden, um 45 Grad abgeknickten Mittelbau mit breiten Wandpfeilern, die einen gezackten Doppelgiebel tragen. Darunter befindet sich ein auffallend großes Fenster…“ (aus dem Katalog: Ein Kristall, verborgen in neuer Sachlichkeit, von Hans Georg Hiller von Gaertringen)
Die Architektengruppe entwarf ebenfalls die Möbel und versah die Bezüge mit violetten Stoffen, die Farbenwelt wurde voll genutzt, leuchtendes Gelb und Grün und ebenholzschwarzer Fußboden. Starke kontrastreiche Farben wurden verwendet. Das Ockergelb der Schränke und des Estrichbodens waren eine farbliche Augenweide. Die prismatisch gebrochenen Kapitelle im Inneren entwarf der niederschlesische Bildhauer Oswald Herzog aus Haynau. Die kubistische Plastik von Oswald schmückte den Wintergarten. Kostbare Materialien wurden für die großzügigen Räume verwendet. Das Musikzimmer soll der Höhepunkt des Hauses gewesen sein. Selbst der Gartenarchitekt Erich Pepinski setzte die Gartenform und Bepflanzung expressionistisch fort, gestaltete nach dem Grundriss des Hauses. Aus dem Fränkischen kamen die Solnhofer Platten aus Kalkstein für die großzügige Terrasse und die Treppen in den Garten. Wie mag das fertige expressive Haus auf die Nachbarn gewirkt haben?
Irgendwann wollte die Familie Buchthal nicht mehr so expressiv wohnen und beauftragte 1929 den Architekten Ernst Ludwig Freud zum Umbauen des Hauses. Zeitgemäß veränderte Freud das Haus der Buchthals vom Expressiven zur Neuen Sachlichkeit. In Wien wurde Freud 1892 geboren, studierte dort Architektur und war Privatschüler von Adolf Loos. Mit dem Architekten Richard Neutra aus der Wiener Leopoldstadt war er befreundet. Freuds Vater war der berühmte Wiener Arzt und Psychoanalytiker Sigmund Freud, seine Mutter Martha eine geborene Bernays aus Hamburg. 1920 kam Freud nach Berlin und baute in der klassischen Moderne Landhäuser und Einfamilienhäuser. Hochherrschaftlich wohnte er mit seiner Frau Lucie geborene Brasch, Tochter aus reichem norddeutschen Elternhaus, am Matthaikirchplatz im Botschaftsviertel am Tiergarten. Die Freuds bekamen drei Kinder. Der Sohn Lucian Freud wurde ein berühmter britischer Maler. 1933 verließen die Freuds Berlin und emigrierten nach London.
Durch Freuds Umbau 1929 entstand ein recht praktisches Haus für die inzwischen größer gewordene Familie Buchthal. Umbauten und Anbauten brachten Raum, die äußere Form und auch der Anstrich ließen ein kahles und schlichtes Wohnhaus entstehen.
1936 verkaufte Eugen Buchthal das immer noch repräsentative moderne Haus an den Kruppdirektor Dr. Bruno Bruhns für einen guten, zeitgemäßen Preis, wie Eugen Buchthal in einem Schreiben 1948 erwähnte. Noch zwei Jahre durften Buchthals im oberen Stockwerk wohnen, dann ging die Familie 1938 nach England, nach London ins Exil, um den Ermordungen durch die Nazis zu entgehen. Judenfeindlich war das Deutsche Reich geworden, Vertreibungen und Progrome folgten. Ob die Kunstsammlung zuvor verkauft wurde, weiß niemand. Exponate aus der Sammlung tauchten in späteren Jahren hin und wieder irgendwo in dieser kunstsinnigen Welt auf.
Nach dem zweiten Weltkrieg sollen in dem Haus bis zu vierzig Personen, Flüchtlinge, Studenten und Schauspieler, gewohnt haben. Der damals kaum bekannte Lied- und Opernsänger Dietrich Fischer-Dieskau gehörte dazu und lernte in diesem Haus die Cellistin Irmgard Poppen, seine spätere Frau kennen. 1954 kaufte der inzwischen berühmt gewordene Dietrich Fischer-Dieskau das Haus in Westend, ließ um- und dranbauen, veränderte es für seine Bedürfnisse.
Hochengagiert und motiviert erzählt uns am letzten Tag der Architekturschau die Architektin und Designerin Ursula Seeba-Hannan vom Um- und Ausbau des Hauses Buchthal für den derzeitigen Besitzer. Sie erzählt vom Recherchieren und Finden von Dokumenten und Fotos, erzählt von Archiven in London und Berlin. Interessant und spannend spricht sie über die Geschichte des Hauses im Westen Berlins. Täglich war und ist sie auf der Baustelle, überwacht und spricht über ihre Ideen und Entdeckungen in alten Dokumenten und Entdeckungen hinter alten Tapeten oder abgeklopftem Putz. Die Kuratorin der Ausstellung, Constanze Kleiner, brachte sehr anschaulich die Geschichte des Hauses Buchthal, seine Umbauten bis in die Gegenwart in Texten und Fotos im Aedes Architecture Forum für den Beobachter an die hohen Wände. Eine gelungene Rekonstruktion des Hauses Buchthal ist der Architektin Ursula Seeba-Hannan gelungen, einen wichtigen Beitrag zur Architekturgeschichte Berlins hat sie hinzugefügt.
Fotos: (c) C. Wollmann-Fiedler