Höchststand antisemitischer Vorfälle im Mai

0
38

RIAS Berlin verzeichnet traurige Kontinuität des Antisemitismus im Alltag

Allein im Mai 2021 wurden 211 antisemitische Vorfälle bekannt – mehr als je zuvor in einem einzelnen Monat, seit die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (RIAS Berlin) ihre Arbeit aufgenommen hat. Insgesamt 522 antisemitische Vorfälle dokumentierte die Meldestelle im 1. Halbjahr 2021, wie aus der am heutigen Donnerstag veröffentlichten Auswertung „Antisemitische Vorfälle in Berlin, Januar bis Juni 2021“ hervorgeht. Viele der Vorfälle wiesen einen direkten Bezug zur Eskalation im israelisch-palästinensischen Konflikt auf. Auch die COVID-19-Pandemie war weiterhin Anlass für antisemitische Vorfälle.

Unter den bekannt gewordenen Vorfällen waren 12 Angriffe, 22 gezielte Sachbeschädigungen, 15 Bedrohungen, 447 Fälle verletzenden Verhaltens und 26 Massenzuschriften. Im Schnitt wurden RIAS Berlin jeden Tag knapp drei antisemitische Vorfälle bekannt. Der Bericht kann online unter https://report-antisemitism.de/documents/RIAS_Berlin_-_Bericht_-_Antisemitische_Vorfaelle_Jan_Jun_2021.pdf eingesehen werden.

Bereits im zweiten Jahr in Folge bot die Auseinandersetzung mit der COVID-19-Pandemie und den staatlichen Maßnahmen zu ihrer Eindämmung eine Gelegenheitsstruktur für verschiedene Formen des Antisemitismus – 15 Prozent (78) der dokumentierten Vorfälle wies einen entsprechenden inhaltlichen Bezug auf. Als Anlass für zahlreiche antisemitische Äußerungen und Handlungen diente insbesondere aber auch die Eskalation im israelisch-palästinensischen Konflikt: Zwischen dem 9. Mai und dem 8. Juni wurden 152 antisemitische Vorfälle mit direktem Bezug hierzu bekannt, über 71 Prozent aller Vorfälle in diesem Zeitraum in der Hauptstadt insgesamt.

Eine antisemitische Dynamik wie im Mai und Juni, als eine große Anzahl an Vorfällen einen Bezug zu einem der beiden Anlässe aufwies, belastet die jüdischen Communities in Berlin zusätzlich stark. Antisemitismus war aber schon vor dieser Dynamik stets ein Alltagsphänomen – und auch im 1. Halbjahr 2021 wiesen über die Hälfte der bekannt gewordenen Vorfälle keinen unmittelbar erkennbaren Zusammenhang zu diesen beiden Ereignissen auf. Das bedeutet: Ein antisemitisches „Grundrauschen“ begleitet konstant den Alltag Berliner Jüdinnen_Juden.

So wurde bereits im Januar in Charlottenburg-Wilmersdorf auf den Briefkasten einer jüdischen Familie, auf der auch die Aufschrift einer jüdischen Kultureinrichtung angegeben war, ein Zettel mit der Aufschrift „Free Gaza“ angeklebt – einen Monat später erneut ein Zettel, diesmal mit „Free Palestine“. Im März beschimpfte in Neukölln ein Mann eine Frau, die einen Turnbeutel mit dem Aufdruck einer jüdischen Kulturveranstaltung trug, mit „Scheiß Juden“. Im Mai zeigte in Friedrichshain-Kreuzberg ein Mann drei Personen, darunter einem Mann mit Kippa, beim Vorbeigehen wortlos den Hitlergruß.

Insgesamt waren 128 Personen direkt von Antisemitismus betroffen, 87 davon waren jüdisch und/oder israelisch oder wurden als solche wahrgenommen. Dabei war auch in diesem Halbjahr zu beobachten, dass Antisemitismus in sämtlichen politisch-weltanschaulichen Milieus auftritt – folglich muss er auch in allen gesellschaftlichen Bereichen bekämpft werden.