Rechte(s) von A-Z

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Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, 2012, (c) Bundesministerium des Innern/Sandy Thieme

Heute: Hans-Georg Maaßen (CDU)

Von Christian Niemeyer

Maaßen, Hans-Georg (*1962), aus Mönchengladbach. M. (CDU), bis November 2018 (seit August 2012) Präsident des Bundesverfassungsschutzes (BfV), dann, nach einigem Zögern der Kanzlerin, entlassen wg. seiner Verharmlosung von ihm als solche in Abrede gestellter „Hetzjagden“ rechtextremer Demonstranten auf Ausländer in Chemnitz, die in der Gründung der Revolution Chemnitz ihren Höhepunkt fand. Danach avancierte M., Mitglied der Werteunion, zum Idol des rechten Randes der (ostdeutschen) CDU. Auffällig geworden ist M. mit weiteren Bagatellisierungen. So fiel ihm zum Fememord an seinem Parteikollegen Walter Lübcke der in die Nähe der Billigung führende Satz ein, „dass er diese Tat im Herbst 2015 ‚nachvollziehbarer‘ gefunden hätte.“ (Sp. 35/24.8.2019: 28)

Im August 2019 gab M. der Jungen Freiheit ein Interview und damit ein Zeichen, wie nahe er den Kreisen gerückt ist, die zu beobachten ihm eigentlich, wäre er noch immer BfV-Präsident, obläge. Dies zeigt auch sein 2020er Interview mit Markus Gärtner, Autor bei Kopp sowie bei – vom Verfassungsschutz als „erwiesen extremistisch“ ausgewissen – PI-News. (vgl. SP Nr. 20/15.5.2021: 32) M. entwickelt sich also für die CDU zu einem Problem analog jenem, das die SPD seit Jahren mit Thilo Sarrazin hat, wie schon die Parteiaustritte nach M.s Wahl zum CDU-MdB-Kandidaten 2021 in Thüringen zeigen. Zuletzt auffällig geworden ist M. wg. seiner von der Klimaaktivistin Luisa Neubauer bei Anne Will (am 9. Mai 2021) skandalisierten Übernahme der Vokabel „Globalist“ (etwa am 10. Januar 2021 per Tweet) aus antisemitischen Verschwörungstheorien sowie der Bagatellisierung des Ersten als auch Zweiten Weltkrieges auf eigentümlich frei mittels der Formulierung: „Wir heben es schon zweimal versucht, die Welt zu retten, und es  ist jedes Mal schiefgegangen.“ Insbesondere den Zweiten Weltkrieg inklusive Auschwitz als Versuch der Rettung der Welt zu deuten, ist Antisemitismus pur nach Art von Alexander Gaulands Rede vom Dritten Reich als Vogelschiss. Die Überlegung selbst ist undurchdacht, soweit sie die auf den Klimawandel bezügliche Politik der Grünen mittels eines Vergleichs meint kritisieren zu können, der absurd ist. Kurios bzw. wahlstrategisch bedingt wirkt auch M’s Erklärung nach der Wahl von Max Otte (am 29. Mai 2021) zum Bundesvorsitzenden der Werteunion, er wolle seine Mitgliedschaft ruhen lassen.

Anfang Juni machte der Thüringer Verfassungsschutz-Präsident Stephan Kramer in kaum verhüllter Kritik am Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung Felix Klein – der Neubauer im Mai 2021 in der Neuen Osnabrücker Zeitung wg. unbelegter Vorwürfe kritisiert hatte, statt sich seinerseits um Belege zu bemühen, – auf einen Text Maaßens (Co-Autor: Johannes Eisleben) vom Februar 2021 aufmerksam, der tatsächlich allerdings schon am 11. September 2020 (ein bei Verschwörungstheoretikern wichtiges Datum!) im englischen Original (auf telospress.com) erschien (also Klein und anderen längst hätte bekannt sein können). M. kritisiert hier zusammen mit einem Co-Autoren ganz im Stil eines Udo Ulfkotte oder Thilo Sarrazin, dass die Migration „die autochthone Gesellschaft mit Kriminalität und einer Überforderung der Sozialsysteme [bedrohen]“ und diese Tendenzen „von einer neuen politischen Ideologie orchestriert [werden], die Pluralismus und Demokratie grundsätzlich in Frage stellt.“ Zu verzeichnen sei beispielsweise „eine politische Säuberung der Sprache, die Abschaffung des Rechts auf freie Meinungsäußerung in Schulen, Universitäten und Medien sowie eine aggressive Propaganda, die zu ‚Klimaschutz‘, ‚internationale Solidarität‘ und zu noch mehr Migration aufruft.“

Als diesen Tendenzen zuarbeitende „Feinde unserer Gesellschaftsordnung“ werden im Folgenden in der Manier des völkischen Antiintellektualismus u.a. „Geisteswissenschaftler, Journalisten, Berufspolitiker, EU- und UN-Bürokraten“ benannt, die „eine tiefe Verachtung für normale, regional verwurzelte Menschen sowie für deren Traditionen und Lebensstile“ verbinde. Insbesondere der Zusatz, dieser Übergang vollziehe sich „weitgehend im verborgenen (sic!)“, erfordere also, gegenwirkend, eine Art Aufstand der Durchblicker, also eines „Erwachens der Eliten und ihres Willens, für unsere freie Gesellschaft zu kämpfen“ (Maaßen / Eisleben 2020/21), öffnet die Argumentation in Richtung Verschwörungstheorie, also etwas für den sich im Jana-aus-Kassel-Syndroms aussprechenden Wahns AfD-naher Bürger (s. Prolog Nr. 4), deutscher Widerstand à la Sophie Scholl sei das Gebot der Stunde, wie schon von Michael Mannheimer (2018) behauptet und auch von Alexandra Motschmann (Die Basis) in einem Gedicht illustriert. (SP Nr. 23/5.6.2021: 29) Kurz: Was Maaßen / Eisleben im September 2020 / Februar 2021 vortrugen, ist ein kaum verhüllter Aufruf mitten im sachsen-anhaltinischen Vorwahlkampf 2021, die Bundesregierung unter der Corona-Diktatorin Angela Merkel zu stürzen – und dies von einem CDU-Mitglied. Starker Tobak also – allerdings nur für den, der derlei liest. Armin Laschet gehört offenbar nicht dazu, und der Erfolg der CDU bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt im Juni 2021 scheint ihm recht zu geben. Insofern zumal jene unter den AfD-nahen CDU-Wähler*innen, denen beim Anblick des Oliver Kirchner das Hasenfüßige in die Quere kommt, schließlich doch die CDU wählten in der Hoffnung, dort wendeten Leute à la Maaßen die Sache zum Besseren, nämlich in Richtung AfD. Wie gut dieses Bessere wirklich ist, wurde einen Tag nach der Wahl bekannt: M. verkürzte auf Twitter Annalena Charlotte Alma Baerbocks Namen zu A-C-A-B – u. imitierte mit dieser Anspielung auf den Antifa-Spruch „All Cops are Bastards!“ die Techniken von Hetzern wie Kirchner (etwa ad Anne Frank = „die Ofenfrische“),  die kritisch zu beobachten ihm noch vor einigen Jahren als BfV-Präsident oblag, wohlwissend, dass ihm Laschert derlei Spaas – angeblich habe er anspielen wollen auf Baerbocks Forderung, die Sicherheitsbehörden auf rechtsextremes Gedankengut prüfen zu lassen – unmittelbar nach dem Wahlsieg nicht ankreiden werde.

Einverstanden, nur: Will das Wahlvolk eigentlich einen Hetzer, heiße er nun Kirchner oder Maaßen, sei er in der AfD oder der CDU, an den Schalthebeln der Macht? Eine spannende Frage, wie mir scheint. (s. hierzu auch: Armin Pfahl-Traugber: Maaßen und das Verschwörungsdenken, haGalil v. 8. Juni 2021)

Diesen Text haben wir mit Genehmigung von Autor und Verlag dem Lexikonteil von Christian Niemeyers soeben erschienenem  Schwarzbuch Neue / Alte Rechte. Glossen, Essays, Lexikon (= Bildung nach Auschwitz, Bd. 1), mit Online-Material. 796 S., 39,95 Euro, Weinheim Basel (Juventa), übernommen. Er findet sich dort im Online-Material auf den S. 65 ff. Die Reihe wird fortgesetzt.

Bild oben: Hans-Georg Maaßen, 2012, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, (c) Bundesministerium des Innern/Sandy Thieme