Die Kinder von Teheran

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Die in Haifa geborene Mikhal Dekel erzählt die Geschichte ihres Vaters, der als Kind aus Polen über die Sowjetunion und Teheran nach Erez Israel gelangte.

Von Karl Pfeifer

Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 wurden Tausende von polnischen Juden tiefer in das Innere der Sowjetunion geschickt. Im August 1941 ließ die sowjetische Regierung zehntausende polnische Kriegsgefangene frei und erlaubte die Aufstellung einer polnischen Armee auf sowjetischem Boden. Im Jahr 1942 genehmigten die sowjetischen Behörden die Umsiedlung von 24.000 polnischen Zivilisten und Rekruten der polnischen Armee aus der Sowjetunion in den Iran. Der Transfer begann im Frühjahr 1942 und dauerte bis zum Spätsommer desselben Jahres. Unter den Zivilisten befanden sich fast 1.000 jüdische Kinder, die meisten von ihnen Waisen. Diese Gruppe wurde als die „Teheraner Kinder“ bekannt.

Als die Transporte im Iran ankamen, wurden sie von Vertretern der Jewish Agency for Palestine (Sochnut) empfangen, die die jüdischen Kinder identifizierten. Hungrig und traumatisiert von ihren jüngsten Erfahrungen, weigerten sich viele Kinder – die meisten waren 7-12 jährig – zuzugeben, dass sie jüdisch waren.

Die Jewish Agency richtete außerhalb von Teheran ein Waisenhaus für diese Kinder ein. Die 730 jüdischen Kinder, die von April bis August 1942 im Iran ankamen wurden von erfahrenen Jugendleitern aus Erez Israel betreut. Nach langen Perioden der Entbehrung litten viele Kinder an schweren Krankheiten (häufig Tuberkulose) und Unterernährung, aber die meisten erholten sich im Iran gesundheitlich.

Als Ergebnis von Verhandlungen zwischen der Jewish Agency und der britischen Verwaltung in Palästina erhielten die Kinder schließlich Zertifikate, die ihnen die Einwanderung nach Palästina erlaubten. Am 3. Januar 1943 reisten 716 Kinder mit ihren erwachsenen Begleitern auf abenteuerlichem Weg und erreichten am 18. Februar 1943 das Flüchtlingslager Atlit im Norden Palästinas, wo sie vom Yishuv (der jüdischen Gemeinde in Palästina) empfangen wurden. Ein zweiter Transport mit 110 Kindern kam am 28. August 1943 auf dem Landweg (über den Irak) in Palästina an. Insgesamt kamen etwa 870 „Teheraner Kinder“ in Palästina an und wurden hauptsächlich in Kibbuzim und Moschawim untergebracht.

Die in den USA lehrende Literaturwissenschaftlerin hat laut Buchumschlag „ihren obligatorischen siebenjährigen Militärdienst [absolviert] bevor sie nach New York auswanderte.“ Der obligatorische Militärdienst für Frauen beträgt lediglich 24 Monate. Das Buch beinhaltet auch ein Register, das in Klammern nach Tel Aviv vermerkt: „Palästina/Israel“.

Auf 464 Seiten des Buches gelingt es der Autorin vom hundertsten ins tausendste kommend nicht nur die Geschichte des Vaters zu beschreiben, sondern auch die, ihrer eigenen ablehnenden Gefühle gegenüber ihrem Heimatland Israel.

Mikhal Dekel: Die Kinder von Teheran/Eine lange Flucht vor dem Holocaust, wbg Theiss, 2019, Bestellen?

Bild oben: Teheran Kinder in Ayanot, 1943, Foto. Zoltan Kluger, Israelisches Staatsarchiv