Balak ist ein moabitischer König, der von den sich nähernden und sein Land auf dem Weg nach Kanaan passierenden Israeliten die Zerstörung seines Landes befürchtet.
Balak Numeri, Kap. 22 – 25, 9 Schabbat, 26. Juni 2021
Also schickt er mit Geschenken beladene Boten zum Propheten Bileam ben Beor, um ihn zu überreden, das massenhafte Volk zu verfluchen. Bileam zögert mit der Durchführung des Anliegens und sagt den Boten: „Bleibt hier über Nacht, so will ich euch antworten, wie mir’s Jahwe sagen wird“.
Am folgenden Tag, nachdem Jahwe Bileam erschienen war, sagt dieser den Boten: „Kehrt in euer Land zurück, denn Jahwe will nicht gestatten, dass ich mit euch ziehe“.
König Balak verliert trotzdem die Hoffnung auf die Verfluchung der Israeliten nicht und schick erneut Boten, diesmal vornehmere Herren mit wertvolleren Geschenken, zu Bileam. „Wenn mir Balak sein Haus voll Silber und Gold gäbe, so könnte ich doch nicht übertreten das Wort von Jahwe, meinem Gott“. Bileam war Midianiter und kein Jude. Trotzdem sagt er, Jahwe sei sein Gott (diese Aussage der Bibel sollte gelegentlich näher erforscht werden).
Bileam empfiehlt den Boten, den nächsten Morgen abzuwarten, ob Gott dann vielleicht eine andere Anweisung für ihn haben werde. Tatsächlich erscheint in der Nacht Gott dem Bileam und sagt ihm: „Sind die Männer gekommen, dich zu rufen, so … zieh mit ihnen; doch nur, was ich dir sagen werde, sollst du tun“.
Bileam folgt Gottes Geheiß und reitet zu Balak, jedoch anstatt die Israeliten zu verfluchen, spricht er über sie die schönsten Lobeshymnen, wie ihresgleichen in den vierundzwanzig Büchern der hebräischen Bibel nicht zu finden sind. Trotzdem hat sich seit alters her eine Vorstellung von dem „bösen Bileam“ unter den Gelehrten breitgemacht, die bis zum heutigen Tag tradiert wurde. Wenn der Name Bileam fällt, dann immer im Zusammenhang mit der Bezeichnung „der Böse“, also der Hasser. Es gibt für den Hass seitens der Israeliten fadenscheinige Erklärungen, die mich nicht überzeugt haben. Für mich bleibt es ein Rätsel, das nur spekulativ halbwegs beantwortet werden kann. Eines der Motive, womit die Bezeichnung „der Böse“ begründet ist, lautet, dass Bileam wiederholt Gott befragen wollte, in der Hoffnung, Gott würde seine Meinung ändern und die Verfluchung doch zulassen. Bileam war angeblich auf die Geschenke des Königs gierig. Man könnte jedoch einwenden, dass Bileam mit dem König vorsichtig sein musste, um nicht seinen Zorn auf sich zu ziehen.
Der Prof. für Astrophysik Elia Leibowitz hat eine psychologisch-freudianische Abhandlung über einige Stellen in der Tora geschrieben. Er will wissen, dass Bileams Verhalten von Geldgier getrieben wurde, und außerdem habe Bileam sein Leben durch seine Bosheit verwirkt und wurde von den Israeliten auch hingerichtet, was nach seiner Meinung einen weiteren Beweis für die Bosheit des Bileam ist (eine sonderbare Logik, finde ich). Nach dieser Geschichte traten die Israeliten zum Kampf gegen die Midianiter an, und töteten auch fünf Könige der Midianiter. Auch Bileam erschlugen sie mit dem Schwert. Eine Zwischenfrage: Bileam hatte sich nach seiner großartigen Prophezeiung für die Israeliten auf den Weg nachhause gemacht. Wieso geriet er auf einmal mitten in die Schlacht zwischen Midian und Israel?
Im Übrigen könnte man auch einwenden, dass Bileam Grund hatte, seinen Gott Jahwe für inkonsequent zu halten. Wobei wir hier zu meiner zweiten Frage kommen: Wenn Gott Bileam befahl, mit den Boten von Balak zu gehen, woraufhin er am folgenden Tag sich mit seiner Eselin auf den Weg machte, wieso schickt Gott einen Engel, um Bileam den Weg zu versperren? Wenn die Eselin den Engel nicht gesehen hätte und ihm nicht ausgewichen wäre, würde der Engel Bileam getötet haben. Wir machen hier Bekanntschaft mit der wundersamen Geschichte der sprechenden Eselin. Der Engel ermahnt Bileam, nur das zu sagen, was Gott ihm sagen werde. Aber genau das wurde bereits während der Nacht zwischen Gott und Bileam besprochen. (Hier sollte eine Frage formuliert werden, die allerdings dem Leser überlassen wird.)
Es gäbe noch viel mehr Fragen zu stellen, die kaum beantwortet würden. Man muss bedenken, dass die ganze Bileam-Erzählung stilistisch nicht zur Bibel passt. Das sagen nicht nur die modernen Sprach- und Bibelforscher.
Das ist auch der allgemeine Konsens unter den Rabbinern. Die Gelehrten im Talmud sagten bereits: Moses schrieb die Tora und außerdem die Bileam-Geschichte. Auch sie erkannten, dass diese Geschichte nicht zur Tora gehören kann. Offensichtlich ist sie aus einer fremden Mythologie oder Fabel entliehen worden.
Wie geriet sie in die Bibel, wer hat sie in die Tora eingebettet und aus welchem Grund? Die Gelehrten hielten Bileam für einen der größten Propheten, gleichgestellt mit Abraham und Moses. Ob die Juden ihm nicht verzeihen konnten, dass er nicht einer der ihrigen war?
Schabbat Schalom
Dr. Gabriel Miller absolvierte umfangreiche rabbinische und juristischen Studien, war Leiter der Forschungsstelle für jüdisches Recht an der Universität zu Frankfurt am Main, Fachbereich Rechtswissenschaft. Außerdem gibt er die bei den Lesern von haGalil längst gut bekannte Website juedisches-recht.de heraus.