Antisemitismus bei den Denkern der Konservativen Revolution – das Fallbeispiel Ernst Jünger

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15.9.1986 Der Präsident des Deutschen Bundestages, Dr. Philipp Jenninger, empfängt den Schriftsteller Ernst Jünger in seiner Dienstvilla in Bad Godesberg.

Auch der berühmte Schriftsteller Ernst Jünger vertrat antisemitische Positionen. Seine Ablehnung der rassistischen Judenfeindschaft der Nationalsozialisten spricht nicht gegen diese Deutung. Jünger stand damit im Einklang mit anderen Denkern der Konservativen Revolution der Weimarer Republik…

Von Armin Pfahl-Traughber

Antisemitismus gab es auch bei den Denkern der Konservativen Revolution in der Weimarer Republik. Indessen hatte die Judenfeindschaft dort einen geringeren Stellenwert, zumindest wenn man die Nationalsozialisten als Vergleichsmaßstab heranzieht. Es bestanden aber die gemeinten Ressentiments, was hier anhand des Schriftstellers Ernst Jünger (1895-1998) gezeigt werden soll. Er wurde durch seine Anfang der 1920er Jahre erschienenen Kriegserinnerungen berühmt und wirkte als einflussreicher Kommentator der antidemokratischen Rechten in zahlreiche Zeitschriften. Ab Ende der 1920er Jahre hielt er sich mit politischen Statements eher zurück, rückte aber nie von seinen Grundeinstellungen gegen Menschenrechte, Pluralismus oder Republik ab. Auch nach 1945 wurde er mit Ehrungen und Preisen überhäuft, wenngleich dies auch zu Protesten und Skandalen führte. Gleichwohl besuchten ihn der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl und der damalige französische Ministerpräsident Francois Mitterand 1993 offiziell.

Antisemitismus und Juden spielten keine sonderliche Rolle in seinen Veröffentlichungen. Es gibt aber zwei Beiträge noch aus der Weimarer Republik, worin die Jünger eigenen Ressentiments deutlich wurden. Da diese aber nicht dem rassistischen Antisemitismus der Nationalsozialisten entsprachen, sah man darin wohl ein geringeres Problem bei dem Schriftsteller. In seiner Abhandlung „‘Nationalismus‘ und Nationalismus“, die in dem Publikationsorgan „Das Tagebuch“ am 21. Sepember1929 erschien, bemerkte Jünger: Es sei kein „Hauptzeichen des Nationalisten, daß er schon zum Frühstück drei Juden verspeist – der Antisemitismus ist für ihn keine Fragestellung wesentlicher Art.“ Zwar traf diese Auffassung für Jüngers Nationalismus-Verständnis zu, aber eben nicht grundsätzlich auf den deutschen Nationalismus – nicht nur der damaligen Zeit. Diese Auffassung löste bei den Nationalsozialisten großen Unmut aus, wurde er doch als Autor „in Schmutzblättern jüdischer Landesverräter“ diffamiert, so „Der Angriff“ am 27. Oktober 1929.

Auch wenn Jünger den antisemitischen Rassismus ablehnte, schloss dies nicht aus, dass er einer anderen Ideologieform der Judenfeindschaft zustimmte. Denn aus der erstgenannten Beobachtung ergibt sich nicht notwendigerweise eine solche Schlussfolgerung. Für ihn sollte die Gesellschaft außerdem durchaus von einer „Rasse“ geprägt sein, wobei er darunter aber keine biologische Kategorie verstand. Es sollte weniger um das Blut und mehr um eine Haltung gehen. Genau in diesem Aspekt bestanden denn auch die Differenzen zu den Nationalsozialisten. Gleichwohl durchziehen die beiden von Jünger hierzu relevanten Texte antisemitische Vorurteile. In dem Beitrag „Schlusswort zu einem Aufsatze“, der im Januar 1930 in „Widerstand“ erschien, hieß es: „Ich erkenne die zerstörerischen Qualitäten dieser Rasse an …“  Es ist außerdem von dem „maßlos überschätzten liberalistischen Assimilationsjudentum“ die Rede, welches auch in „tausend Jahre … nicht eine einzige Strophe Hölderlins gelingen wird.“ In ihren Banken stapelten sie das Geld der Erde.

Einige Monate später veröffentlichte Jünger seinen Kommentar „Über Nationalismus und Judenfrage“, der in den „Süddeutschen Monatsheften“ im September 1930 erschien. Darin wurde der ideologische Hintergrund seiner antisemitischen Prägungen noch deutlicher, denn Jünger setzte die von ihm abgelehnte „bürgerliche Welt“ mit dem „assimilierten Zivilisationsjudentum“ gleich. Er wollte Juden wohl auch in seinem angestrebten Zukunftsstaat dulden, sie sollten indessen keine Deutschen werden dürfen: „Im gleichen Maße jedoch, in dem der deutsche Wille an Schärfe und Gestalt gewinnt, wird für den Juden auch der leiseste Wahn, in Deutschland Deutscher sein zu können, unvollziehbarer werden, und er wird sich vor seiner letzten Alternative sehen, die lautet: in Deutschland entweder Juden zu sein oder nicht zu sein.“  Damit hätte man sie zu Bürgern zweiter Klasse gemacht. Demnach gab es auch bei Jünger eine antisemitische Positionierung, was angesichts der Einwände von Nationalsozialisten gegen ihn mitunter in Vergessenheit geriet.

Bild oben: Ernst Jünger am 15. September 1986 in Bad Godesberg, Bundesarchiv, B 145 Bild-F073370-0006 / Wegmann, Ludwig / CC-BY-SA 3.0

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