Antisemitisch Eingestellte wählen insbesondere eine bestimmte Partei

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Eine aktuelle Befragung der Bertelsmann-Stiftung geht davon aus, dass in der Gesamtbevölkerung fünf Prozent manifest antisemitische und 19 Prozent latent antisemitische Einstellungen aufweisen. Die Anteile der AfD-Wähler sind mit 13 und 29 Prozent besonders hoch, auch und gerade im Vergleich mit den Wählern der anderen Parteien.

Von Armin Pfahl-Traughber

Rechtsextremistisch Eingestellte müssen nicht auch immer mehrheitlich eine rechtsextremistische Partei wählen. Das war etwa in der alten Bundesrepublik Deutschland in den 1970er und 1980er Jahren keineswegs so, denn während ein rechtsextremistisches Einstellungspotential von um die 13 Prozent von der empirischen Sozialforschung konstatiert wurde, kam dies der damals relevantesten rechtsextremistischen Partei bei Wahlen nicht zugute. Die NPD blieb meist unter einem Prozent der Stimmen. Wie steht es aber heute um die rechtsextremistisch Eingestellten, welche Parteien wählen sie mit welcher Verteilung? Antwort auf diese Frage liefert eine Untersuchung, die von der Bertelsmann-Stiftung auf der Grundlage einer repräsentativen Umfrage durchgeführt wurde. Dabei dienten die Einstellungsstatements der Leipziger Autoritarismus-Studien zur Messung einschlägiger Vorstellungen. Sie bezogen sich auf Antisemitismus, Chauvinismus, Diktaturbefürwortung, Fremdenfeindlichkeit, NS-Verharmlosung und Sozialdarwinismus.

Nicht alle Einstellungsstatements sind wirklich trennscharf, sodass es zu partiellen Verzerrungen kommen kann. Gleichwohl gibt es auch meist solche, die rechtsextremistischen Potentiale gut erfassen können. Dies ist bei Antisemitismus und Diktaturbefürwortung der Fall, aber auch bei NS-Verharmlosung und Sozialdarwinismus. Insofern können die allgemeinen Angaben mit einer kleinen Einschränkung akzeptiert werden. Die Forscher gingen wie folgt vor: Gibt es für eine bestimmte Aussage wie „Eigentlich sind die deutschen anderen Völkern von Natur aus überlegen“ ein „stimme voll und ganz zu“ bzw. „stimme überwiegend zu“-Votum, so steht das für eine manifeste rechtsextremistische Einstellung. Gibt es für sie eine „teils/teils“-Zustimmung, so steht das für eine latente rechtsextremistische Einstellung. Demnach wären in der Gesamtbevölkerung knapp 8 Prozent manifest rechtsextremistisch eingestellt und 16 Prozent latent rechtextremistisch eingestellt. Für die AfD-Wählerschaft waren die Angaben sogar 29 und 27 Prozent.

Wie stand es dabei nun um die antisemitischen Einstellungen? Zunächst sollen dazu erst einmal die drei genutzten Einstellungsstatements genannt werden: „Auch heute noch ist der Einfluss der Juden zu groß“, „Die Juden arbeiten mehr als andere Menschen mit üblen Tricks, um das zu erreichen, was sie wollen“ und „Die Juden haben einfach etwas Besonderes und Eigentümliches an sich und passen nicht so recht zu uns.“ Es handelt sich demnach um sehr deutliche Einstellungsstatements, was nicht bei allen Befragungen immer der Fall sein muss. Insofern können die gewonnenen Daten auch eine hohe Glaubwürdigkeit beanspruchen. Blickt man nun auf das zum Antisemitismus erhobene Gesamtergebnis, so waren von den Befragten fünf Prozent manifest antisemitisch und 19 Prozent latent antisemitisch. Die Berücksichtigung von „teils/teils“-Zustimmung ist hier vertretbar, weil die Befragten sich eben nicht eindeutig von den antisemitischen Statements distanzierten. Demnach sind ihnen zumindest ansatzweise derartige judenfeindliche Ressentiments eigen.

Wie verhielt es sich nun mit den Anteilen der für bestimmte Parteien votierenden Wählerschaft? In einem Fall liegen die Prozente besonders hoch: Dass es die AfD ist, dürfte keine große Überraschung sein. 13 Prozent waren bei ihr manifest antisemitisch und noch einmal 29 Prozent latent antisemitisch, womit man es dort mit einem Gesamtpotential von 42 Prozent zu tun hat. Dieses Ergebnis korrigiert eindeutig die Sichtweise, wonach Antisemitismus primär bei Flüchtlingen, aber nicht in der Mehrheitsgesellschaft vorkomme. Die Ablenkungsfunktion derartiger Bekundungen wie etwa von Jörg Meuthen wird hier offenkundig. Es gibt indessen auch hohe Anteile bei den anderen Parteien: Manifest antisemitisch sind jeweils zwischen zwei und vier Prozent, latent antisemitisch zwischen neun und 18 Prozent. In der CDU/CSU-Wählerschaft lagen hier die Potentiale am höchsten, in der Grünen-Wählerschaft am niedrigsten. Gleichwohl besteht demnach auch außerhalb der AfD-Anhängerschaft noch ein bedeutsames antisemitisches Einstellungspotential.

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