Seit dem 20.Oktober gibt es an der Gedenkstätte Am Dürrenberg im Würzburger Stadtteil Heidingsfeld, an dem bereits zwei Stelen an die dortige Jüdische Kultusgemeinde erinnert, ein weiteres Gedenkstück – einen Beton-Koffer, ein Pendant zu den zahlreichen Gepäckstücken aus Beton am Würzburger Hauptbahnhof…
Von Israel Schwierz
Dieser Koffer steht ganz bewusst an dieser Gedenkstätte in Heidingsfeld – er soll an die jüdische Gemeinde des heutigen Würzburger Stadtteils erinnern und ein Mahnmal für die Deportation der Juden in die Konzentrationslager des NS-Staates sein.
Betonkoffer als Erinnerung und Mahnung an die Deportation der unterfränkischen Juden sind in Würzburg nichts Neues. Anfang 2020 wurde vor dem Hauptbahnhof Würzburg die zentrale Gedenkstätte „ DenkOrt Deportationen“ mit 47 Skulpturen in Form von Koffern und Rucksäcken aus Beton installiert. Jedes dieser Gepäckstücke verkörpert eine jüdische Gemeinde in Unterfranken und erinnert an insgesamt 2069 jüdische Menschen, die zwischen 1941 und 1943 von dem Bahnhof in die Konzentrationslager verschleppt wurden, wo sie den Märtyrertod starben. Jedes symbolische Gepäckstück am Hauptbahnhof bekommt im Laufe der Zeit ein identisches Gegenstück in einem Ort in Unterfranken, in dem es einst eine jüdische Gemeinde gab.
Für den Würzburger Oberbürgermeister Christian Schuchardt, der zusammen mit mehreren Persönlichkeiten an der Einweihung des 3. Denkmals in Heidingsfeld teilnahm, ist das Projekt mit seiner zentrale Gedenkstätte am Hauptbahnhof und den jeweils identischen Gepäckstücken in den unterfränkischen Orten einzigartig. Dabei ist der „DenkOrt“ am Würzburger Hauptbahnhof „der Knotenpunkt eines Netzes aus Gedenkstätten, das ganz Unterfranken überspannt“ und dadurch ein „wachsendes Denkmal“. Schon bald sollen weitere Gepäckstücke sowohl am Hauptbahnhof als auch in den jeweiligen Orten Unterfrankens hinzukommen: vor der Schoa hat es nämlich in Unterfranken rund 109 jüdische Kultusgemeinden gegeben“.
Für Frau Benita Stolz vom Verein „DenkOrt Deportationen e.V.“ trägt das Projekt ebenfalls zur lokalen Aufarbeitung der jüdischen Geschichte des jeweiligen Ortes bei: „ Wir haben schon viele Gepäckstücke in den ehemaligen jüdischen Gemeinden installiert. Es ist wunderbar, wie die jeweiligen Orte dafür ihre jüdische Geschichte recherchieren. In den Dörfern kommt dadurch eine eigene Erinnerungskultur zustande.“ Für DR. Josef Schuster, Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde Würzburg und Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland ist das Denkmal in Heidingsfeld deswegen ein wichtiges historisches Zeichen: „ Die zwei jüdischen Gemeinden in Heidingsfeld und in Würzburg waren damals räumlich getrennt voneinander. Die Deportationen haben also in der Stadt und in Heidingsfeld stattgefunden, deswegen finde ich es richtig und historisch korrekt, wenn ein symbolisches Gepäckstück sowohl in Heidingsfeld als auch in der Innenstadt daran erinnert“.
Der Koffer wurde von den Berufsschülern der Josef-Greising-Schule in Heidingsfeld zusammen mit ihrem Fachlehrer Mario Metz entworfen. Die angehenden Straßenbauer und Straßenwärter haben die Schalung für den hellgrauen Koffer gefertigt und den Beton gegossen, wie Schulleiter Johann Schweiger erklärte. Oberbürgermeister Schuchardt findet es übrigens großartig, dass gerade junge Menschen an der Entstehung des Mahnmals beteiligt waren, gerade in Anbetracht der gegenwärtig zunehmenden antisemitischen Stimmung im Land.