Paraschat haSchawua: Korach

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Ein organisierter Volksaufstand in der Wüste gegen die Moses-Herrschaft, vielleicht der älteste in der Geschichte, und ich bin mir nicht schlüssig, ob ich diesem Aufstand Sympathie entgegenbringen soll…

Wochenabschnitt Korach; 4. Moses Kap. 16 – 18 Schabbat, 27. Juni 2020

Korach, Angehöriger desselben Stammes Levi wie auch Moses, organisiert zweihundertfünfzig bekannte Persönlichkeiten, tritt mit ihnen vor Moses und Aaron und fordert einen Anteil an der Führung des Volkes und am Priesterdienst an Gott, der Aarons Familie zugeteilt wurde. Sie argumentieren insbesondere wie folgt:

Denn die ganze Gemeinde, sie alle sind heilig, und der HERR ist unter ihnen. Warum erhebt ihr euch über die Gemeinde des HERRN? (4. Moses 16,3).

Der Aufstand findet ein jähes Ende mit der Hilfe Gottes: Alle Aufständischen samt ihren Familien und ihr Hab und Gut werden lebend von der Erde, die sich öffnet, verschluckt.

Es ist nicht feststellbar, ob die Behauptung Korachs, die ganze Gemeinde sei heilig, der Ursprung der Vorstellung ist, Menschen könnten einen Heiligkeitsgrad erreichen, der allein Gott vorbehalten ist.

Weder Moses mit seiner Nähe zu Gott, noch irgendeine andere Gestalt in der ganzen Bibel (Tora, Propheten, Weisheitsbücher) werden als heilig bezeichnet. Sogar in der Zeit des Talmuds kennt man keine „heiligen“ Personen unter den bedeutenden Rabbinen und Gelehrten. Erst im 6., 7. Jh. (vielleicht durch christlichen Einfluss, und durch die mystische Lehre der Kabbala), begegnet man geschichtlichen Figuren, von denen erzählt wird, dass sie Heilige waren und sogar Wunder vollbrachten (Heilung von Kranken und Glücksbringer für Schwangerschaften udgl.).

Moses erkannte bereits in früher Zeit die Neigung der Menschen, bei schwierigen Problemen die Lösung im Aberglauben zu suchen. Weshalb die Tora Zauberei, Astrologie, Götzendienst und andere Formen von Aberglauben verboten hat. Man kann sich natürlich fragen, wem schadet es, wenn ein Mensch neben seinem Dienst an Gott zusätzlich einen Talisman von einem heiligen Rabbi besitzt, der ihn vor dem Steuerfahnder bewahren soll ? Dem Rabbi schadet es bestimmt nicht, zumal die Einnahme unversteuert bleibt. (Für die Skeptiker: Solche Rabbis gibt’s heute in Israel jede Menge.)

Auch wenn es nicht ganz offensichtlich ist, so kann mit einiger Sicherheit sagen werden, dass der Aberglaube zu Irrlehren führen und gesamtgesellschaftlich, zumal von Manipulatoren instrumentalisiert, großen Schaden anrichten kann.

Noch Anfang des 20. Jhs. äußerte Rabb. Dr. Max Wiener (Jüdisches Lexikon) die Meinung, wenn auch die Differenzierung zwischen Glauben und Aberglauben nicht einfach und der Begriff des Aberglaubens relativ sei, so sei das Lehrgebäude der großen Religionen vor den abergläubischen Bräuchen im engeren Sinne des Wortes gesichert. Schließlich sei das Judentum mit dem größten Eifer bestrebt, anderem Religionsbrauch, der nichts als Götzendienst sei, entgegenzuwirken. Die rationale Geistesart, die kühle Beständigkeit, die sich vielfältig schon in den ursprünglichen jüdischen Religionsansichten offenbaren, hätten es mit sich gebracht, dass der Aberglaube innerhalb des jüdischen Lebenskreises seltener angetroffen wurde als anderwärts.

Die Analyse von Wiener, der in Berlin gewirkt hat, bezieht sich, so ist zu vermuten auf das westeuropäische Judentum. Sie gilt sogar vielleicht für das heutige amerikanische Judentum, nicht jedoch für Israel.

Schabbat Schalom

Dr. Gabriel Miller absolvierte umfangreiche rabbinische und juristischen Studien, war Leiter der Forschungsstelle für jüdisches Recht an der Universität zu Frankfurt am Main, Fachbereich Rechtswissenschaft. Außerdem gibt er die bei den Lesern von haGalil längst gut bekannte Website juedisches-recht.deheraus.

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