Das Tel Aviver Kantor Zentrum für Antisemitismusforschung legt seinen Jahresbericht vor: Anstieg antisemitischer Gewalttaten um 18% weltweit…
Von Marc Neugröschel
Anlässlich des bevorstehenden israelischen Holocaust-Gedenktag hat das renommierte Tel Aviver Kantor Zentrum für Antisemitismusforschung am Montag seinen Jahresbericht vorgestellt. Demnach ist die Zahl gewalttätiger antisemitischer Vorfälle im Jahr 2019 um 18 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Insgesamt wurde 456 antisemitische Vorfälle erfasst. 41 davon in Deutschland. Damit steht Deutschland hinter dem Vereinigten Königreich mit 122 Fällen und den USA mit 111 Fällen auf Platz drei der weltweiten Rangliste.
Die meisten der erfassten Angriffe (37 Prozent) richteten sich direkt gegen Personen. Andere Angriffe richteten sich gegen Privateigentum, Friedhöfe, Gedenkstätten, öffentliche Einrichtungen und Synagogen. Diese Zahlen beinhalten nicht den ebenfalls stark gestiegenen Antisemitismus im Internet, erklärt der akademische Leiter des Kantor Centers, Dr. Giovanni Matteo Quer bei einer Online Pressekonferenz am Montag. Quer wies auf einen direkten Zusammenhang zwischen Online-Antisemitismus und physischen antisemitischen Angriffen gegen Personen und Einrichtungen hin.
Insbesondere die Corona-Pandemie habe den Antisemitismus im Internet befeuert erklärt Arie Zuckermann vom Vorstand des Kanotor Zentrums. „Es ist furchtbar zu sehen, dass Juden für die Corona-Pandemie verantwortlich gemacht werden. Im Internet kursieren Konspirationstheorien, die behaupten, Juden hätten das Corona-Virus bewusst in die Welt gesetzt, um später einen Impfstoff gegen das Virus verkaufen zu können. Das ist schlimm,“ sagte die Chefin des Kantor Zentrums, Prof. Dina Porat. Sie mahnte allerdings auch dazu, den Einfluss der Corona-Pandemie auf den Antisemitismus in Relation zu betrachten. Auch andere Gruppen würden zu Sündenböcken für die Corona-Pandemie gemacht und deshalb diskriminiert.
Porat zeigte sich insbesondere darüber besorgt, dass der Antisemitismus trotz weltweiter Anstrengungen zu seiner Bekämpfung angestiegen sei. Sie wies auf eine Studie der Agentur für Grundrechte der Europäischen Union (Fundamental Rights Agency) hin, wonach 40 Prozent junger europäischer Jüdinnen und Juden darüber nachdenken würden, Europa zu verlassen. Sie mahnte ebenfalls dazu, islamistisch motivierten Antisemitismus nicht aus dem Blickfeld zu verlieren. Die große Bedrohung, die vom Rechtsradikalismus ausgehe, dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass Fälle von antisemitischem Mobbing and Gewalttaten an deutschen Schulen sehr oft islamistische Hintergründe hätten.
Bild oben: Antisemitische Darstellungen beim Karneval von Aalst, Screenshot Youtube