Rechte Reaktionen auf Corona

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Die Corona-Krise verursachte auch bei der extremen Rechten eine Schockstarre. Reihenweise wurden Veranstaltungen wegen der Ansteckungsgefahr abgesagt. Erst langsam beginnt man auch bei der extremen Rechten auf die Krise zu reagieren…

Von Lucius Teidelbaum

Mit dem Virus gegen Geflüchtete

In der Ausgabe 4/2020 des extrem rechten Magazin COMPACT bleibt man sich treu. Neben Erdogan sind auf dem Cover Geflüchtete hinter einem Stacheldrahtzaun zu sehen. Überschrieben ist das mit „Sie kommen! Die neue Asylflut im Schatten von Corona“. In der Werbung zu dieser Ausgabe heißt es: „Im Schatten von Corona lebt auch die Asylkrise wieder auf! Gerade weil das derzeit alles beherrschende Thema die Pandemie durch das neuartige Coronavirus ist, werden jetzt in dessen Windschatten weitere Fakten für den Bevölkerungsaustausch geschaffen.“[1]  

Der AfD-Bundestagsabgeordnete Christian Wirth schlug sogar vor die frei gewordenen Kapazitäten der Luftfahrtunternehmen in der Corona-Krise für Massenabschiebungen zu verwenden: „Durch die Corona-Krise sind in der Luftfahrtbranche Kapazitäten freigewordenen, die für eine schnelle und effektive Rückführung der rund 250.000 ausreisepflichtigen Migranten in Deutschland genutzt werde könnten.“[2]  

„Nationale Solidarität“ statt Kampf ums Klopapier 

Ein Teil der extremen Rechten versucht sich in der Krise auch als Kümmerer zu inszenieren.

Ein Beispiel wäre die AfD-nahe Betriebsratsliste „Zentrum Automobil“, die am 18. März 2020 auf ihrer Homepage schrieb: „Wir werden alles unternehmen, um Kollegen in dieser unsicheren Zeit den Rücken zu stärken und hoffen, dass die Folgen linker und globalistischer Weltvereinheitlichung nun nicht am »kleinen Angestellten und Arbeiter« hängen bleiben.“[3]  

Auch die mit dem Zentrum kooperierende neurechte Initiative „EinProzent“ appelliert „COVID-19-Pandemie: Jetzt ist Solidarität gefragt!“ und schreibt in ihrem Newsletter: „Immer wieder haben wir als patriotische Bürgerinitiative hervorgehoben, wie wichtig uns Solidarität ist. Jetzt haben wir die Möglichkeit, unter Beweis zu stellen, dass wir Patrioten immer wieder Verantwortung für unsere Gesellschaft tragen.“[4]  

Die Neonazi-Kleinstpartei „Die Rechte“ in Dortmund bietet unter dem Stichwort „Nationale Solidarität“ eine „Einkaufshilfe in der Corona-Krise“ an.

Gleichzeitig findet sich der Appell an das Volk bzw. die „Volksgemeinschaft“ zum nationalen Zusammenhalt.Der ebenfalls in Dortmund beheimatete Versand „Patrioten Propaganda“ aus dem Umfeld der Partei „Die Rechte“ vertreibt neuerdings Tshirts mit der Aufschrift „Der Deutsche hamstert nicht“. Der Text zum Produkt wirkt unfreiwillig komisch: „Früher hat unser Volk im Teutoburger Wald oder vor Stalingrad gekämpft, heute im Supermarkt um Toast und Klopapier. Mehr braucht dazu wohl nicht gesagt zu werden!“ 

Auch die NPD-Nachwuchstruppe „Junge Nationalisten“ versuchen im Rahmen ihrer „Jugend packt an“-Kampagne in der Krise soziale Dienste anzubieten, um sich als Kümmerer darstellen zu können.

Neuauflage einer Globalisierungskritik von Rechts 

Erkennbar ist auch der Versuch einer Neuauflage einer Globalisierungskritik von rechts. So schreibt beispielsweise Heinrich Sickl, Geschäftsführer des österreichischen Magazins „Freilich Frei“, unter der Überschrift „Corona: Gegen die Globalisierungfalle“ am 18. März 2020 der Globalisierung die Schuld zu und fordert: „Schaffen wir die Produktion überlebenswichtiger Produkte zurück, schaffen wir eine Versorgung der kurzen Wege, klima- und umweltbewusst. Schaffen wir viele Arbeitsplätze in der Heimat. Denken wir also unsere Wirtschaft neu!“[5]  

Die NPD schlägt mit ihrem auf der Bundes-Homepage der Partei veröffentlichten Text „Corona beweist: Globalisierung ist brandgefährlich!“ in dieselbe Kerbe. In diesem kritisiert Ronny Zasowk die „Globalisierungsexzesse“. Als Gegenkonzept wird eine nationale Wirtschaft gefordert: „Die Wirtschaft muss national oder zumindest in einem europäischen Großraum organisiert werden.“[6]  

Der AfD-Europaabgeordnete Markus Buchheit bläst in dasselbe Horn. Bereits am 5. März 2020 erschien auf dem neurechten Infoportal „Blaue Narzisse“ der Artikel „Sorgt Corona für das Ende der Globalisierung?“ aus seiner Feder. In selbigen bezeichnet er die Pandemie als „Game Changer“ und schreibt weiter: „Produktionen müssen wieder nach Europa zurückverlagert werden. Die Industrie darf nicht durch die absurden planwirtschaftlichen Spiele und ökonomisch unsinnigen ökologischen Auflagen des Green Deal ins Ausland getrieben werden, denn der nächste Virus kommt bestimmt.“[7]  

Virus statt Bürgerkrieg

Die Wiederauflage einer rechten Globalisierungskritik und der Ruf nach einem wirtschaftlichen Protektionismus scheint ein strömungsübergreifender Konsens der extremen Rechten zu sein. 

Darüber hinaus scheint man eher ratlos zu sein. Zwar kursiert unter Rechten eine gewisse Krisenlust und -erwartung, doch mit einem Virus aus Fernost hatte niemand gerechnet. Erwartet wurden eher ethnische und religiöse Konflikte in Deutschland. Die extreme Rechte wähnte sich bereits im „Vorbürgerkrieg“, eine rechte Vokabel die die Vorstufe zum Bürgerkrieg beschreiben soll.

Doch statt ethnischer Bürgerkriege oder Religionskonflikte ist nun ein unsichtbarer Feind Schuld am Ausnahmezustand und auch in der Krise spaltet sich die Gesellschaft nicht auf entlang ethnischer und religiöser Linien.

Bild oben: Screenshot https://www.compact-shop.de/shop/compact-magazin/compact-4-2020-sie-kommen-die-neue-asylflut/

[1] COMPACT 4/2020, https://www.compact-shop.de/shop/compact-magazin/compact-4-2020-sie-kommen-die-neue-asylflut/

[2] Wirth: Freie Kapazitäten der Luftfahrtbranche für Rückführung ausreisepflichtiger Migranten nutzen, 18. März 2020, https://www.afdbundestag.de/wirth-freie-kapazitaeten-der-luftfahrtbranche-fuer-rueckfuehrung-ausreisepflichtiger-migranten-nutzen/

[3] Zentrum Automobil: Corona-Schließung aller Autowerke, 18. März 2020, https://www.zentrum-automobil.de/2020/03/18/corona-schliessung-aller-autowerke/ 

[4] Corona-Krise: Wir helfen uns gegenseitig!, 18. März 2020, https://www.einprozent.de/blog/aktiv/corona-krise-wir-helfen-uns-gegenseitig/2613 

[5] Heinrich Sickl: Corona: Gegen die Globalisierungfalle, Freilich Frei, 18.03.2020, https://freilich-magazin.at/corona-zeigt-uns-die-verletzlichkeit-des-globalismus-auf/

[6] Ronny Zasowk: Corona beweist: Globalisierung ist brandgefährlich!, 15. März 2020, https://npd.de/2020/03/corona-beweist-globalisierung-ist-brandgefaehrlich/

[7] Markus Buchheit: Sorgt Corona für das Ende der Globalisierung?, Blaue Narzisse, 5. März 2020, https://www.blauenarzisse.de/sorgt-corona-fuer-das-ende-der-globalisierung/