Ein fränkischer Spurenfinder

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Michael Schneeberger

Eine Ausstellung über das Leben und Werk von Michael Schneeberger…

„Er war ein religiöser Mensch, der sich mit dem Judentum auskannte, mit den Gebeten und den Bräuchen“, sagt der Würzburger Rabbiner Jakov Ebert anerkennend über den jüdischen Historiker und Heimatforscher Michael Schneeberger. „Wir haben sehr viel miteinander gesprochen, über das Judentum hier in Deutschland, denn da war er ein Experte.“

Der 2014 verstorbene Michael Schneeberger war eine schillernde Figur, die das Leben in seinen Extremen erfahren hat: intellektuell und doch in der Schule gescheitert, chronisch krank und ein zäher Kämpfer, ein Sinnsucher und sensibler Spurenfinder – und der letzte Jude von Kitzingen.

Früh schon spürte Schneeberger die Verlogenheit einer Gesellschaft, die nach der Shoa schnell zur Tagesordnung überging. Er wollte es nicht zulassen, dass nun auch die Erinnerung an die Menschen ausgelöscht wurde. Schon als Schüler interessierte sich der evangelisch Getaufte für das Schicksal der aus Kitzingen vertriebenen und ermordeten Juden, an die nur noch das Gebäude der ehemaligen Synagoge erinnert. Michael Schneeberger erforschte intensiv die jüdische Geschichte seiner Heimatstadt, knüpfte Kontakte zu Emigranten in den USA und Israel. Er war auch der Mitinitiator für den Erhalt des jüdischen Gotteshaus, das nach dem Krieg als Lager genutzt wurde.

Bald war Michael Schneeberger klar, er wollte Jude werden und in Israel leben. Eine schwere Nierenerkrankung ließ eine Übersiedlung jedoch nicht zu. Er konvertierte, blieb in Kitzingen und machte das fränkische und bayerische Judentum zu seinem Lebensinhalt. Er forschte zu jüdischen Familien und Gemeinden in ganz Bayern, mit einem regionalen Schwerpunkt in Franken. Vielen Menschen half er, ihre Wurzeln zu entdecken. Die Erinnerung an die Kitzinger Gemeinde und die auf dem jüdischen Friedhof in Rödelsee Bestatteten lag ihm besonders am Herzen.

Dieses Jahr wäre Michael Schneeberger 70 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass würdigt das „Johanna-Stahl-Zentrum für jüdische Geschichte und Kultur in Unterfranken“ sein Leben und Werk mit der Schau „Der Spurenfinder“. Dazu gehören auch Teile der legendären Ausstellung „Nichts mehr zu sagen und nichts zu beweinen“ über den jüdischen Friedhof in Rödelsee, die er Anfang der 1990er Jahre zusammen mit Christian Reuther erarbeitet hatte.

Michael Schneeberger ragte in ganz besonderer Weise aus dem Feld der vielen Heimatforscher heraus, die sich in Unterfranken mit der jüdischen Geschichte beschäftigen. Obwohl Autodidakt, hinterließ er eine beeindruckende Fülle an sorgsam und aufwändig recherchiertem Material. Es ist sein Lebenswerk – und sein Vermächtnis. „Es gibt niemanden, der in seine Fußstapfen treten kann, niemanden, der mit so einer Vehemenz die jüdisch-fränkische Geschichte erforscht hat“, stellt seine Schwester Brigitte mit Wehmut fest. Neben dem Würzburger Rabbiner wurde sie und drei weitere Weggefährten interviewt. Ausschnitte werden auf einer Videostation im Ausstellungsraum gezeigt. – (jgt/pm)

Eine kurze Biografie von Michael Schneebergen finden Sie hier

Bild oben: Michael Schneeberger 2007 auf dem jüdischen Friedhof im Fränkischen Ermreuth. Foto: Christian Reuther

Johanna-Stahl-Zentrum, Valentin-Becker-Str. 11, 97072 Würzburg
www.johanna-stahl-zentrum.de

Öffnungszeiten: Mo-Do 10-17 Uhr, Fr 10-14 Uhr, an den Sonntagen 10.11. und 1.12.2019, 12.1., 2.2.,1.3. und 19.4. 2020 11-16 Uhr. Der Eintritt ist frei.
Vom 5. November 2019 bis zum 19. April 2020