Das junge Deutschland und die Juden

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Der nächste Text, den wir in Kooperation mit dem Lexikus Verlag vorstellen, ist eine Publikation aus dem Jahr 1836 von Dr. Jakob Weil…

Weil, 1792 in Frankfurt a.M. geboren, war Pädagoge, Vorsteher einer Lehr- und Erziehungsanstalt und Verfasser zahlreicher Abhandlungen zu religiösen, politischen und historischen Themen. 1823 war er Mitbegründer des „Vereins zur Beförderung der Handwerke unter den Juden“. Er setzte große Hoffnungen in die Errungenschaften der Emanzipation und nutzte viele seiner Schriften zur Verteidigung gegen antijüdische Schmähungen und Angriffe. Im vorliegenden Text, „Das junge Deutschland und die Juden“ (Frankfurt am Main, 1836), wies er Anschuldigungen zurück, wonach die meisten jungen Schriftsteller, die Deutschland erregten, jüdischer Abstammung seien. Jakob Weil starb 1864 in Frankfurt a.M.

Das junge Deutschland und die Juden

In den, noch nicht lange verflossenen, finsteren Zeiten wurde jedes Unrecht, das ein Jude begangen hatte, allen zugeschrieben. Die Zeit ist fortgeschritten, die finsteren Ansichten früherer Jahrhunderte herrschen nicht mehr – und nun wird den Juden zugeschrieben – was Keiner von ihnen begangen hat.

Einst vertrieb sie Kaiser Claudius aus Rom – weil sie im Grunde Christen wären; und gewiss Judentum und Christentum treffen sich im Ursprung, in der Moral, im Monotheismus. Kaiser Claudius hatte nicht Unrecht. Mehrere Schriftsteller haben es ihm bezeugt. *) Als später christliche Kaiser Rom beherrschten, da verfolgte man sie als Nichtchristen. Natürlich, sie sind ja keine Christen. Im Mittelalter, wo der Rittergeist den Handel zugleich verachtet und unsicher machte, während die Kirche den Gläubigen verbot, Zinsen zu nehmen, ließ man ihnen nur diesen verachteten Stand und tat wohl daran. Als aber später das Vorurteil schwand, der Eigennutz stieg und aus beiden Gründen der Handelsstand mehr, oft nur zu sehr geachtet und verbreitet ward – da fand man die Juden als Kaufleute, und das war allerdings unerhört und nur ihre eigene Schuld!

Der Herzog von Modena hält sie hart, wegen ihrer revolutionären Gesinnungen – nicht mehr als billig! Herr v. Rotteck ist ihnen ungünstig, wegen ihrer servilen Denkungsart – das ist ganz konsequent! Ein reicher, um den Kredit der Staaten verdienter Bankier ist ein Jude – Grund genug für eine Partei, ein geistreicher, aber in revolutionären Ideen befangener Schriftsteller war ein Jude – Grund genug für die andere Partei, sie zu hassen. Das Alles mag nun wohl Unsinn sein, aber es hat, wie Polonius sagt, doch Methode. Aber das junge Deutschland zählt zu einer Schule nicht einen einzigen Juden – man müsste denn einen „Kutscher zu den Passagieren, den Verleger eines einzigen Buches zu den Verfassern aller dieser Schriften zählen – und doch müssen an allen Sünden, deren man es bezichtigt, nur die Juden Schuld haben!

*) Sueton. in Claud. Cap. XV. Neuere Kommentatoren nehmen die Stelle zwar anders. Unsere Erklärung ist aber die der alten Kirchenväter, so wie mehrerer früheren Kommentatoren, z. B. des Graevius u. A. Bartholozzi (Bibl. rabb. T. 3. p. 177) erklärt die Verwechselung so, wie wir oben anführen.

Wie Schiller von gewissen Gelehrtenvereinen sagt: Jeder, sieht man ihn einzeln, ist leidlich, klug und verständig; Sind sie in corpore – gleich wird Euch ein Dummkopf daraus. So ist hier jeder Einzelne zwar ein Christ, aber Sind sie in corpore – gleich wird Euch ein Jude daraus. Gutzkow ist kein Jude, Wienbarg ist keiner, Laube eben so wenig, Mundt ganz und gar nicht. Tut nichts, das junge Deutschland besteht doch aus Juden, wenigstens sind Juden dessen Väter in nuce. Das beweist Heine.

Freilich ist Heine auch kein Jude, und gehört auch nicht zu dem jungen Deutschland. Aber der Beweis ist darum nicht minder bündig. Er soll ja bei seiner Geburt ein Jude gewesen sein, und hat das junge Deutschland gelobt, und hat in mancher Beziehung ähnliche Ansichten. Zwar könnte man einwenden: hat ein als Jude geborener geistreicher Schriftsteller Einiges mit dem jungen Deutschland gemein, so hat ihn in der ganzen Literatur Niemand so früh und so derb dafür gegeißelt als ein anderer geistreicher Schriftsteller, der auch ein Jude war. Aber was beweist das? Börne ist ja jetzt ein Christ.

Freilich könnte man weiter fragen: beweisen Börnes sittliche und religiöse Ansichten nichts für die Juden – was wir gerne zugeben – warum sollen denn eine revolutionären Grundsätze gegen sie beweisen? Aber da ist eben zu unterscheiden. In dieser letzteren Beziehung repräsentiert er natürlicher Weise wieder die Juden. Denn er schreibt ja in dieser Beziehung ganz im Geiste Wirths, Siebenpfeifers, Harro Harrings und so vieler Anderen, von denen zwar jeder Einzelne ein Christ ist, die man aber doch wahrlich, eben so gut wie das junge Deutschland, in corpore für Juden erklären kann, wenn man nur will. Zwar hat Robert, der Verfasser der Macht der Verhältnisse, der Bruder der berühmten Rahel, der auch ein Jude war, Börne wegen seiner politischen Grundsätze hart mitgenommen. Aber freilich – war auch Robert kein Revolutionär – wie mag man durch diesen Einen beweisen wollen, dass die Juden überhaupt es nicht sind?

Das sind eben die rechten jüdischen Trugschlüsse, und wer weiß, was für Folgerungen irgend ein Autor wieder daraus gegen die Juden ziehen wird. Wir wollen also geschwind einlenken, und zu unserem jungen Deutschland zurückkehren. Dass die Juden Deutsche sein können, das will gewissen Leuten durchaus nicht in den Kopf. Junge Deutsche aber müssen die notwendig sein – sie mögen wollen oder nicht.

Nun frage ich: wie kann man ein junger Deutscher sein, wenn man gar kein Deutscher ist? Aber auch dafür wissen die guten Leute Rat, wie denn Pater Escobar niemals verlegen wird. Sie übersetzen das junge Deutschland, um es recht herabzuwürdigen, ins Französische, und nun kann ein Jude nicht etwa vom jungen Deutschland – Gott bewahre! – wohl aber von der „jeune Allemagne“ sein. Mit diesem Namen nämlich belegt ein Anonymus *) die Schule der jungen Schriftsteller, welche wir, eingedenk der Worte eines alten Heiden: res sacra miser, jetzt, da sie unglücklich sind, schonen zu müssen glauben, so sehr wir auch die Theorien, welchen Einige derselben das Wort geredet haben mögen, von ganzer Seele missbilligen. Unser Autor nun demonstriert a priori, dass diese jungen Schriftsteller durchaus Juden sein müssen. Er beweist das in der Tat mit vielen philosophischen und historischen Gründen, welche ganz vortrefflich sein müssen, da sie das Literaturblatt dafür erklärt, so dass es als eine wahre Tücke des Schicksals erscheint, dass sie doch keine Juden sind, nie Juden, sondern immer Christen, ja, aller Möglichkeit entgegen, selbst Deutsche waren.

So ist das Fatum immer ungerecht; uns aber wird, gegen die Ungerechtigkeit der Menschen der Mantel der Ironie zu enge, und wenn selbst Menzel – der für die gerechten Ansprüche der Israeliten mit so vieler Wahrheit und Geisteskraft kämpfte – solchen Unsinn oder solche Verleumdung mit Billigung anzuhören scheint, und dem Publikum in eben dem Literaturblatte mitteilt, worin er früher ähnliches Geschwätz so siegreich niederschmetterte – dann ziemt es wohl, der ernsten Sache auch ein ernstes Wort zu gönnen.

*) Die Jeune Allemagne in Deutschland. Stuttgart bei Liesching, 1836.

Also Juden müssen es, der Erscheinung zum Trotze, sein, welche das junge Deutschland bilden, oder doch hervorgebracht haben. Und warum Juden? Der Beweis ist eigentümlich. Wir teilen die schlagendsten Stellen daraus wörtlich mit, den Sprecher nur durch eingestreute Bemerkungen unterbrechend. „Wer konnten sie sein, diese heimatscheuen Zwitter, denen Alles feil, auch die Seele, denen nichts zu niedrig war, auch der Preis nicht, um den sie loszuschlagen die Tugend hatten.“

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