Jüdische Aphorismen

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Fabius Schach (1868–1930) wurde 1868 in Litauen geboren. Später studierte er in Riga und Berlin, wo er Max Bodenheimer traf, der ihn als Hebräisch-Lehrer nach Köln brachte. Zusammen mit Bodenheimer und David Wolffsohn gründete Schach eine erste nationaljüdische Vereinigung aus der die Zionistische Organisation Deutschland hervorgehen sollte. Schach nahm am ersten Zionistenkongress in Basel teil, auch seine Schwester Miriam Schach war eine der ersten Aktivistinnen in der Zionistischen Bewegung. Fabius Schach publizierte in und redigierte verschiedenen jüdischen Zeitungen. Der vorliegende Beitrag erschien 1922 in der Zeitschrift „Ost und West“, die sich als „Illustrierte Monatsschrift für das gesamte Judentum“ verstand und im Kontext der „Jüdischen Renaissance“ dem westjüdischen Publikum die kulturellen Leistungen der sog. „Ostjuden“ vorstellte…

JÜDISCHE APHORISMEN

Von Fabius Schach
Ost und West. Illustrierte Monatsschrift für das gesamte Judentum, Jg. 22 (1922), H. 7-9 (Juli 1922)

Die Juden lebten stets im Kampfe, die anderen vom Kampfe. Die äußere Beute trugen die anderen davon, die wahren Sieger blieben die Juden.

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Unter den Juden gibt es drei Richtungen: Die eine lebt von Erinnerungen, die andere von Hoffnungen. die dritte von Gedankenlosigkeit.

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Muß der Weg nach Zion immer durch die Wüste führen, wo das Meer doch näher und bequemer ist?

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Der Germane sucht seine Seele in der Natur, der Jude nimmt die Natur in seine Seele auf.

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Die Juden konnten nie Herrenmenschen werden, weil sie Knechte Gottes waren.

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Parteien lassen sich nicht so leicht wie alte Kleider wenden, weil da die Rückseite nicht immer sauber ist.

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Wir jagen die Gerechtigkeit von uns, und schreien: „Wo bleibt die Gerechtigkeit?“

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Warum sollen die Menschen nicht falsches Geld machen, wo das Geld falsche Menschen macht?

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Wo es mehr Dressur als Erziehung gibt, da wird es immer mehr Sklaven als freie Menschen geben.

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„Cogito ergo sum“, sagt der alte Cartesius. Ach nein, man muß aufhören zu denken, um existieren zu können.

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Das Leben ist schwer, weil wir es belasten.

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Je geringer der innere Lebensinhalt ist, desto stärker die Sehnsucht nach Schein. Das ist der tiefste Grund der jüdischen Prunksucht.

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Es ist im Leben wie auf dem Maskenballe. Die Hübschen freuen sich auf die Demaskierung, die Häßlichen fürchten sie.

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Parteien ohne Männer, Theorien ohne Taten, Kämpfe ohne Ziel, Leiden ohne Sinn, — das ist die Tragödie der Juden.

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In der Tiefe ist es dunkel, auf der Höhe kalt, — also bleiben wir im Tale!

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Die Moral der Geschichte ist ebenso zweifelhaft, wie die Geschichte der Moral.

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Die alten jüdischen Frauen ahmten ihren Müttern nach, die heutigen ihren Töchtern.

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An den schlechten jüdischen Witzen erkennt man den modernen Ghettojuden.

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Für den Juden führt der Weg zur Hölle über die Kirche.

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Mit der Reform des Gebetbuches ist es eine eigene Sache, man kürzt es meistens für solche, die nicht beten.

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Wozu brauchte Benjamin Franklin den Blitzableiter zu erfinden? Gab es da keine Juden?

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Das Judentum kennt keine Erbsünde, wohl aber sündige Erben.

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Was Friedrich Nietzsche von den Frauen sagt, kann man mit mehr Recht von den Juden sagen. Erst brach das Gesetz sie, dann brachen sie das Gesetz.

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Alte Kulturen sind wie alte Leute, es fehlt ihnen der Stoffwechsel, und ihr Reiz liegt in der Erinnerung.

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Nationaljuden und Assimilanten streben zwei Polen entgegen. Die einen warten auf die Erlösung, die anderen auf die Auflösung.

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Viele haben über den Ursprung des Wortes „Dawnen“ so viel herumphilosophiert daß sie dabei das Dawnen vergessen haben.

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Jede große Reform ist eine Operation, da muß man erst das Herz untersuchen, ob es sie vertragen kann.

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Einst gingen die Juden nach Palästina, um zu sterben. Heute gehen sie hin, um nicht zu sterben.

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Wo die Menschen nicht zu Gott können, da muß Gott zu ihnen kommen.

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Der beste Weg zu Gott ist die Naivität, daher stehen die Kinder Gott am nächsten.

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Den Großen fällt es schwerer gerade zu gehen als den Kleinen.