„Wutbürger“-Demo hinter Sperrgittern

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Verschiedene äußerst rechte Gruppierungen demonstrierten am Sonntag auf dem Kölner Neumarkt – die angemeldete Teilnehmerzahl von 300 wurde mit 110 Anwesenden deutlich unterschritten und schmolz rasch auf 70 zusammen…

Von Sven Schultz
Zuerst erschienen bei: blick nach rechts, 05.11.2018

Es waren skurrile Szenen, die sich auf dem Kölner Neumarkt ereigneten: Am Sonntagmittag hatten sich anfangs 110 proletarisch anmutende „Wutbürger“ versammelt, deren Zahl rasch auf 70 zusammenschmolz. Bei der Polizei angemeldet waren 300 Teilnehmer, die Polizei zeigte sich demgemäß zahlreich präsent. Angemeldet wurde die Kundgebung offenkundig von einem ehemaligen NPD-Mitglied im Namen des Anfang 2016 gegründeten „Kölner Begleitschutz“. Dieser hatte sich vor wenigen Monaten, als sein Geschäftsmodell „Begleitschutz“ nicht klappte, aus taktischen Gründen einen unverfänglicheren Namen zugelegt: Er nennt sich nun ausgerechnet „Internationale Kölsche Mitte“. Aufgerufen zu der Versammlung hatten auch die äußerst rechten Klein-Gruppierungen „Mütter gegen Gewalt“ und „Haus Deutschland“.

Ihnen gegenüber standen knapp 300 Gegendemonstranten, darunter auch Familien. Zum Gegenprotest hatte neben Gruppen wie „Kein Veedel für Rassismus“ und dem „Rheinischen antifaschistischen Bündnis gegen Antisemitismus“ auch die traditionsreiche Musiker-Gruppierung „Arsch Huh“ aufgerufen.

Hitlergruß im Bahnhof

Bereits Mitte Oktober, einen Tag nach der schockierenden Geiselnahme durch einen Syrer in einer Apotheke im Kölner Hauptbahnhof – bei der die Generalstaatsanwaltschaft entgegen ersten Annahmen keinen islamistischen Hintergrund festzustellen vermochte – hatten sich bereits 20 „Begleitschützer“ zu einer Kundgebung hinter dem Bahnhof versammelt, darunter mehrere einschlägig bekannte Kölner Rechtsextreme. Nach 45 Minuten marschierten sie wieder in ihre Stammkneipe am Friesenwall, ein Teilnehmer machte im Bahnhof „dennoch“ den Hitlergruß und wurde festgenommen.

Die Veranstalter achteten peinlich darauf, dass keinerlei rechtsextreme T-Shirts oder Symbole gezeigt wurden; entsprechende Tattoos waren dennoch vereinzelt zu erkennen. Für Aufsehen im Vorfeld der Kundgebung hatte eine Videokonferenz mit mehreren sehr rechten Teilnehmern aus mehreren Bundesländern gesorgt, bei dem der stets unbeholfen auftretende Sprecher der „Begleitschützer“, Dennis M., für Gewalt gegenüber Gegendemonstranten zumindest großes Verständnis aufbrachte: „Ich glaub das schwappt dann über dass die Antifa mal dann das bekommt was die meines Erachtens nach braucht…“

Politisches „Erdbeben“ angekündigt

Die gut zwei Stunden andauernde Standkundgebung hinter Sperrgittern – es war für die Kölner „Wutbürger“ Platz für etwa 1000 Teilnehmer reserviert worden – wirkte durchgehend schlicht bizarr: Als gelegentliche Redner hatten sie Personen aus anderen Städten eingeladen, die allerdings mehr Versatzstücke wie „Genau, wir sind hier im Widerstand“ (so eine Conny aus Hessen) zustande brachten. Ansonsten wurden mehrfach Kölsche Lieder abgespielt, auch von den „Bläck Fööss“. Letztere dürften darüber nicht erfreut sein, engagieren sie sich doch seit Jahrzehnten sehr gegen Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus.

Ein Redner der rechten Kundgebung sprach sich gegen den „Migrationspakt“ aus und kündigte ein politisches „Erdbeben“ an. Eher amüsant wirkte auch der Auftritt eines Sprechers mit wohl hessischem Dialekt, der sich mit seinem pastoralem Tonfall so gar nicht auf sein proletarisches Wutbürgerpublikum einzustellen vermochte. Als er sich nach etwa zehn Minuten dessen gewahr wurde, brüllte er auf einmal von einer Regierung, die „gemeinsame Sache mit Wirtschaftsfaschisten“ mache. „Die Elite hat die Waffen, das Geld“. „Dieses System“ sei bald „am Ende“.

„Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“

Zahlreiche Teilnehmer liefen immer wieder an die Sperrgitter, um die Gegendemonstranten zu provozieren und einzuschüchtern. Trotz aller Vorsätze skandierten die selbst ernannten Vertreter der „Kölschen Mitte“ mehrfach ausländerfeindliche und explizit rechtsextreme Parolen. Auch der mehrfache Ruf „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ wurde von der Polizei nicht beanstandet. In der ersten Reihe dominierten mehrere Rechtsextremisten aus Köln wie Cindy K. von der Gruppierung „Köln für deutschen Sozialismus“, Markus F., Administrator in der internen Facebook-Gruppe mit über 15.000 Teilnehmern und Michael K., der selbst Fotos von Symbolen der „Hells Angels“ postet. Bundesweite Berühmtheit erlangte jüngst Samy M.: In der soeben ausgestrahlten 3-Sat Dokumentation „Exodus?“ wurde ein Foto von ihm von einer Berliner „Anti Merkel Demo“ vom 3.3.2018 gezeigt, wo er offenkundig den Hitlergruß zeigt. Er ist seitdem bei mehreren sehr rechten Demonstrationen gewesen, auf seiner Facebookseite hat er die äußerst rechte Gruppierung „Bündnis deutscher Patrioten“ als Titelbild gewählt. Auf dem Neumarkt war er stets in der ersten Reihe präsent, wie auch schon bei den vorherigen Kölner Kundgebung dieser Gruppierung.

Kölsch unter Polizeibegleitung

Symbolhaft eine Szene, als neun mit Jogginghosen ausstaffierte Kölsche „Wutbürger“ mit Polizeibegleitung an den Gegendemonstranten vorbei geführt wurden – hin zum Kiosk. Dort tranken sie, trotz Alkoholverbots, das Bier in raschen Zügen aus beziehungsweise füllten es in Colaflaschen um. Mit Polizeibegleitung ging es dann wieder gestärkt zurück zum Sperrgitter.

Auf Facebook feierte Dennis M. im Nachhinein die skurrile Veranstaltung als großen Erfolg. Auch wenn ihr Mobilisierungsversuch erneut scheiterte ist davon auszugehen, dass sie weitermachen werden. Es ist die Fortsetzung der in Köln kläglich gescheiterten Pegida-Demonstrationen unter neuem Namen, mit Bereitschaft zur Einschüchterung von politischen Gegnern.