Unbemannte Flugzeuge ‚Made in Israel‘ sind weltweit sehr gefragt. Auch die Bundeswehr hat sie seit Jahren in ihren Arsenalen. Kein Wunder – schließlich waren die israelischen Streitkräfte Pioniere in ihrer Entwicklung und Nutzung…
Von Ralf Balke
Am Anfang war das Spielzeuggeschäft. „Dort haben wir unsere Ausrüstung gekauft“, erinnert sich Chaim Esched voller Nostalgie. Denn Ende der 1960er Jahre, als zwischen Israel und Ägypten am Suezkanal ein zermürbender Abnutzungskrieg herrschte, waren die israelischen Streitkräfte sehr daran interessiert, über die Truppenbewegungen der Gegenseite auf dem Laufenden zu sein. Doch klassische Aufklärungsflüge mit richtigen Flugzeugen und Piloten waren oft zu riskant. Also hatten einige findige Köpfe wie Esched, der im Verlaufe seiner Karriere es bis auf den Chefsessel der Abteilung für Raumfahrt des israelischen Verteidigungsministeriums bringen sollte, eine Idee. „Man besorgte sich einfach ein paar ferngesteuerte Modellflugzeuge und befestigte an ihnen mit Klebeband eine Kamera.“ Das war die Geburtsstunde der Drohne oder auch „Unmanned Aerial Vehicle“ – kurz UAV – wie sie offiziell heißen „Die Dinger flogen dann über die feindlichen Stellungen, und wir verfolgten ihren Weg mit Hilfe von Ferngläsern. Verschwanden die kleinen Flieger jedoch aus unserem Sichtfeld, was nicht selten geschah, gingen sie verloren.“ Doch ihr Verlust war keine Tragödie wie der Abschuss eines richtigen, mit Piloten bemannten Flugzeugs.
So sahen die ersten Erfahrungen aus, die die israelische Armee mit Drohnen sammeln sollte. Und offensichtlich haben die Modellflugzeuge genau das geliefert, was von ihnen erwartet wurde. Deshalb stellte man bereits 1971 die erste eigene UAV-Staffel auf. Spätestens 1982 machte sich dieser Schritt bezahlt. Drohnen wurden damals nicht nur zu Aufklärungszwecken über syrische Stellungen im Libanonkrieg hinweg geschickt. Zahal verwendete sie auch als Köder, um den Beschuss mit syrischen Flugabwehrraketen zu provozieren. Zum einen strapazierte das die Ressourcen des Gegners, zum anderen verriet er dadurch seine genauen Positionen und konnte leichter ausgeschaltet werden. Auf diese Weise sicherte sich Israel im Libanon seine unangefochtene Luftüberlegenheit.
Doch Lowtech war gestern. Heute verfügen die israelischen Streitkräfte über eine ganze Palette unbemannter Hightech-Fluggeräte in jeglicher Größe. Und sie erfüllen immer mehr Aufgaben, was sie zu fliegenden Alleskönnern macht. Da sind zum Beispiel am unteren Ende der Skala die zwischen 700 Gramm und 2,4 Kilo schweren und zusammenklappbaren Modelle Mavic und Matrice, die die Eliteeinheiten Givati oder Golani in ihren Einsätzen unterstützen sollen. Sie basieren auf Modellen des chinesischen Herstellers DJI, die Hobby-Drohnenfans bereits für rund 1.000 Euro im Internet bestellen können. Nur sind sie zusätzlich mit hochauflösenden Kameras, Nachtsichtgeräten und weiterem Zubehör ausgestattet. Auch dürften die Kommunikationsmittel mit der Person, die das UAV vom Boden aus steuert, deutlich ausgefeilter und vielseitiger ausfallen. Aber die Idee dahinter ist sehr interessant: Ihre User müssen nicht unbedingt Spezialisten sein, um sie bedienen zu können. Zudem sind die Discount-Drohnen innerhalb weniger Minuten einsatzbereit und brauchen keinerlei aufwendige Logistik. „Vor wenigen Jahren wäre so etwas noch undenkbar gewesen“, schwärmt Captain Nadav Peretz. „Man stelle sich nur eine unübersichtliche Straßenkampfsituation in einem Dorf oder eine Stadt vor“, so der für Drohnen zuständige Leiter bei der Heeresaufklärung. „Früher hatte ein Kommandeur nur seine Ferngläser, um sich einen Überblick über die Situation vor Ort zu machen und entsprechende Entscheidungen zu fällen. Heute kann er sich mit Hilfe einer solchen Einfach-Drohne ganz schnell einen detaillierten Gesamtüberblick verschaffen.“
Am oberen Ende der Skala ist die Super Heron, die 2014 auf der Singapore Air Show erstmals offiziell vorgestellt wurde. Sie ist eine Weiterentwicklung der Heron TP, die 2007 in Dienst gestellt wurde, hat eine Spannweite von 26 Metern und ist 14 Meter lang. Beide dienen nicht nur der Aufklärung, sondern sind bewaffnungsfähig. Und das nicht nur bei den israelischen Streitkräften. So gab im Juni 2018 der Deutsche Bundestag grünes Licht für die Anmietung von bis zu sieben allwetterfähigen Heron TP. Knapp eine Milliarde Euro ist der Deal mit Israel wert. Zuvor kam es zu einem heftigen Streit, weil Kritiker die Tatsache, dass die Heron TP entweder mit amerikanischen Hellfire Raketen bestückt werden kann oder mit israelischen Jedi-Flugkörpern, als einen Tabubruch betrachten. Doch ob die unter deutscher Flagge fliegende Heron TP bewaffnet sein wird, darüber soll laut Koalitionsvertrag erst „nach ausführlicher völkerrechtlicher, verfassungsrechtlicher und ethischer Würdigung“ noch gesondert entschieden werden. „Mit dieser Entscheidung machen wir einen Quantensprung im Bereich der unbemannten Luftfahrzeuge“, betonte der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Ingo Gerhartz, gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Offizieller Heimatverband der Heron TP im Arsenal der Bundeswehr soll das Taktische Luftwaffengeschwader 51 im schleswig-holsteinischen Jagel sein. Die Ausbildung findet sowohl vor Ort in Israel als auch simulatorgestützt in Norddeutschland statt.
Laut Bundesverteidigungsministerium sprachen die Möglichkeiten einer skalierbaren Bewaffnung sowie das ausgeklügelte Backup Landesystem für die Heron TP und gegen das Konkurrenzmodell, die Predator B des US-Herstellers General Atomics. Der eigentliche Grund aber für die Anschaffung von Drohnen ‚Made in Israel‘ ist folgender: Vor 2025 ist mit der Indienststellung eines UAV aus europäischer Produktion, auch Eurodrohne genannt, wohl kaum zu rechnen. Und nach dem Debakel mit dem Euro Hawk, wobei die Bundesregierung bis 2013 rund 500 Millionen Euro für eine mit spezieller Aufklärungstechnik des europäischen Konzerns EADS ausgerüstete Drohne des amerikanischen Anbieters Northrop Grumman in den Sand gesetzt hatte, sollte man mit Prognosen über europäische Modelle und ihre Verfügbarkeit generell vorsichtig sein. Zudem hat die Bundeswehr mit dem Vorgängermodell Heron 1, das nicht bewaffnet werden kann, seit 2010 in Afghanistan und Mali gute Erfahrungen gemacht. So liefern die drei gleichfalls von Israel gemieteten UAVs Tag und Nacht wertvolles Bildmaterial aus bis zu 9000 Metern Höhe. Gegenüber den bis dahin benutzten Tornado-Aufklärern haben sie den eindeutigen Vorteil, auch Videos, Infrarot- und Radar-Daten übertragen zu können. Diese werden anschließend über ein Remote-Video-Terminal an eine entsprechende Kommandozentrale weitergeleitet. Gerne wird die Heron 1 auch zum Schutz von Bundeswehrkonvois eingesetzt. Lautlos fliegt sie vor den Fahrzeugen und kann so frühzeitig vor Gefahren warnen. Und die Bundeswehr ist nicht der einzige Kunde im Ausland. Auch Indien, Singapur, Australien oder sogar Marokko setzen sie bei der Aufklärung oder Verbrechensbekämpfung ein.
Wie effizient und tödlich die Heron sein, bewies sie beispielsweise im Januar 2009, als sie im fernen Sudan einen Lastwagenkonvoi mit iranischen Waffen ortete, der Richtung Gaza unterwegs war, und ihn erfolgreich zerstörte. Zudem setzt Israel alles daran, seiner Technologieführerschaft in Sachen UAVs auszubauen. So flog 2013 eine Heron mehrere Tage lang über die Anden, um ihre Leistungsfähigkeit auch auf extrem schwierigen Terrain unter Beweis zu stellen. Eine maritime Version der Heron gibt es ebenfalls seit einiger Zeit. Ihre Aufgabe ist es, die Erschließung der vor der Küste Israels gelegenen Erdgasfelder vor möglichen Angriffen zu sichern. Rund 1.200 Kilo schwer, ist sie vollgestopft mit hochmoderner Elektronik. Deshalb ist die Heron TP in der Lage, in Echtzeit sehr detaillierte Bilder von Schiffen in der Nähe an das Kontrollzentrum zu senden und den Funkverkehr auf verdächtige Kommunikation abzuscannen und sogar zu dechiffrieren. Aber auch zur Grenzkontrolle lassen sich UAVs einsetzen. Israel Aircraft Industries (IAI) hat unter anderem das ‚Ground to Air Robot System for Border Surveillance‘ entwickelt, ein Boden-Luft-Roboterssystem, das ganz ohne menschliches Personal auskommt. Dabei arbeiten ein geländegängiger Roboter am Boden sowie eine Drohne in der Luft sich gegenseitig zu: Die Fluggerät kann das Bodenfahrzeug aktivieren, um ein Gelände zu überprüfen, und umgekehrt. Und Elbit Systems hat seit einigen Jahren ein Gerät im Angebot, das ähnliches zu leisten vermag: die Hermes, die es in verschiedenen Ausführungen gibt. Auch sie ist ein Verkaufsschlager. Die Hermes 900 kann beispielsweise 11.000 Meter hoch fliegen und bis zu 40 Stunden in der Luft bleiben. Sie übermittelt dabei ständig Informationen an die Grenzpolizei am Boden und macht so erfolgreich beispielsweise Drogenschmugglern und Menschenhändlern im mexikanisch-amerikanischen Grenzgebiet das Leben schwer. Der neueste Trend scheinen wohl Nano-Drohnen zu sein. Dabei handelt es sich um winzige Fluggeräte wie der nur 20 Gramm schwere ‚Schmetterling‘, der mit einer Minikamera ausgerüstet ist. „Sein Vorteil ist, dass er selbst im Inneren von Gebäuden so gut wie geräuschlos unterwegs sein kann“, erklärt Dubi Binyamini, Leiter einer entsprechenden Forschungsabteilung bei IAI.
Und Israel ist gut im Geschäfte mit seinen Drohnen. Allein zwischen den Jahren 2005 und 2012 exportierte man laut den Consultants von Frost & Sullivan wohl UAVs im Wert von 4,6 Milliarden US-Dollar. Und 2016 konnten für 525 Millionen US-Dollar Drohnen ‚Made in Israel‘ im Ausland abgesetzt werden. Das entspricht einem Anteil an den israelischen Waffenexporten von satten sieben Prozent – Tendenz steigend. Laut verschiedener Researchunternehmen wird der weltweite Markt für militärisch genutzte UAVs von 9,9 Milliarden Dollar im Jahr 2017 auf voraussichtlich 15,2 Milliarden Dollar im Jahr 2027 anwachsen. Denn im Vergleich zu konventionellen Kampf- oder Aufklärungsflugzeugen sind ihre unbemannten Pendants deutlich günstiger in der Anschaffung und Unterhaltung – in Zeiten klammer Verteidigungsbudgets ein wichtiges Verkaufsargument. Zudem entfällt die teure Pilotenausbildung und die Möglichkeiten ihres Einsatzes scheinen schier grenzenlos zu sein. Genau von diesem Kuchen will Israel ein großes Stück abhaben. Die Chancen stehen gut, dass es IAI, Elbit oder den zahlreichen anderen israelischen Herstellern gelingen wird, in manchen Segmenten die Marktführerschaft nicht nur zu behalten, sondern auch auszubauen. Schließlich verfügt man über Expertise wie kaum ein anderes Land und war einer der ersten auf dem Gebiet überhaupt. Das macht sich nun bezahlt.
Bild oben: 4X-UMF Super Heron HF, UAV , Produeced by IAI presented at the at the Air-Show to commemorate 40 years of UAV ’s in Israel. The air show took place at Rishon LeZion Israel. (c) LLHZ2805