Selbsternannte Bus-„Lebensschützer“ erhielten in Köln eine lautstarke Abfuhr…
Von Jennifer Marken
Das war schon eine skurrile Veranstaltung: Erneut, wie bereits im vorigen Jahr, tourt der Bus der organisierten Homofeinde um „die Freifrau“ von Beverfoerde durch Deutschland. Und erneut kamen sie nach Köln. Im vorigen Sommer hatten die 40 Bustouristen drei Stunden in einem Kessel von 600 Gegendemonstranten verbracht. Zu hören war von ihnen nichts. In diesem Jahr war es genauso, nur dass sie diesmal im hintersten Teil des Platzes vor dem Hauptbahnhof hinter einem Sperrgitter verbrachten. Drei Stunden dauerte der absurd anmutende Zirkus, von 15 bis 18 Uhr. Der Versuch einer Ansprache der „Freifrau“ endete kläglich: Nichts war von ihnen zu hören, absolut nichts. 500 bunt gekleidete Gegendemonstranten aus zahlreichen Schwulen-, Lesben-, Transgendergruppen, darunter auch Pro Familia sowie kleineren Antifagruppen, standen hinter den Sperrgittern und übertönten in sehr eindeutiger Weise jeden Redeversuch. Und sie inszenierten ihr eigenes Fest, mit Knutscheinlagen.
„Die Pleitetour“
Entstanden ist diese Bustour der ewig Gestrigen vor wenigen Jahren in Baden-Württemberg: Gut vernetzte erzreaktionäre Kreise der Evangelikanen, radikale Abtreibungsgegner und Rechtsradikale hatten sich 2014 „im Ländle“ zur „Demo für Alle“ verbündet, um gegen den „Bildungsplan 2015“ mobil zu machen. Vergeblich. Seinerzeit waren die durch Fernsehauftritte in Talkshows geadelte christlich-fundamentalistische Freifrau von Beverfoerde und Beatrice von Storch noch die gemeinsamen Organisatoren. Auch das Netzwerk um Birgit Kelle war mit dabei. Die äußerst rechte, AfD-nahe Ausrichtung der selbsternannten „Lebensschützer“ und Homofeinde war eindeutig.
Die FR hatte 2017 in einem geharnischten Kommentar zu dieser Bus-Inszenierung von der „Pleitetour der Freifrau von Beverfoerde“ gesprochen. Und der Spiegel schrieb bereits 2012 von „Rückzugsgefechten“ der Fundamentalisten.
Eines jedoch muss man diesen ewig Gestrigen lassen: Wenn sie auch politisch verloren haben – der letzte Bundestag hatte, was insbesondere das Verdienst von Volker Beck war, Ende Juni 2017, mit Wirkung ab 1.10.2017, die Einführung der Ehe für homosexuelle Paare beschlossen – so hat sich doch der Druck auf schwangere Frauen und insbesondere auf Ärzte massiv erhöht, die bisher Abtreibungen durchgeführt haben: „Zahl der Abtreibungsärzte in Deutschland drastisch gesunken“ bemerkte die Welt im August 2018.
Populistische Panikmache des KStA
Befremdlich mutet die am Vortag publizierte Panikmache des örtlichen KStA an: Dieser warnte, unter Berufung auf die Kölner Polizei, vor „massiven Störungen“ und empfahl, den Kölner Hauptbahnhof nur durch den Hinterausgang zu verlassen. Es war ein absolut wirklichkeitsfremdes Angst-Szenario: Es kam zu keinerlei Beeinträchtigungen. Die 500 Gegendemonstranten schirmten den ruhigen Bahnhofsvorplatz ab; weder dort noch auf der lautstark-fröhlichen, bunten Gegenkundgebung traten während der drei Stunden irgendwelche Beeinträchtigungen oder gewaltsame Störungen auf. Auch ein Polizeisprecher bestätigte am Ende, dass es keinerlei polizeiliche Maßnahmen gegeben habe.
„Ihr seid so lächerlich!“
Die Sprecherin der selbsternannten Lebensschützer war die gesamten drei Stunden lang nicht zu vernehmen. Nur hinter dem Bus vermochte man zu hören, dass „die Freifrau“ vor einer gezielten Sexualisierung von Kindern warnte, womit sie offenkundig jegliche Form von Sexualerziehung meinte. In Sprechchören schallte ihr entgegen, es gäbe in Köln „kein Recht auf homophobe und Nazipropaganda“ wie auch, unter großem Beifall, der Sprechchor „Ihr seid so lächerlich!“ Auch „Auf Wiedersehen“ wurde fortdauernd gefeiert, was aber denn doch noch drei Stunden dauern sollte.
Unter den 40 Evangelikanen und Homofeinden war auch eine Gruppe minderjähriger Mädchen. Auch eine Nonne war dabei. Trotz ihrer Vermummung schritt die Polizei nicht ein. Versuche jedoch, mit einigen Teilnehmerinnen der „Bustour“ – sie trugen ein gleichförmiges T-Shirt mit der Aufschrift „Schützt unsere Kinder“ – über den politischen Hintergrund ihrer aufwendigen, zweifelsohne teuren Bustour durch die Bundesrepublik zu sprechen, scheiterten: Ja, gewiss gehörten einige von ihnen der AfD an, aber sie seien politisch neutral. Aber es sei ihnen untersagt, sich politisch zu äußern. Dazu sei nur ihre Sprecherin befugt, beschied man mir. An einem ließ sie jedoch keinen Zweifel: Alle sonstigen Parteien im Bundestag seien für sie keine Ansprechpartner.
Ein Redner mit einer Lautsprecheranlage analysierte im Hintergrund in galanter Weise die AfD-nahe politische Zielsetzung der selbsternannten „Lebensschützer“: „Ich wusste schon immer, wie ich ticke“, betonte der Redner. Die Entscheidung über die eigene Sexualität müsse jeder für sich selbst treffen. Und er erinnerte an die hohe Zahl von Selbstmorden unter jungen Schwulen, die bis heute unter schwulenfeindlichen Kommentaren zu leiden hätten. Sie hätten schon immer für gleiche Rechte gekämpft. Und diese lasse man sich auf keinen Fall mehr nehmen. Er erinnerte auch daran, dass solche Rechte in vielen Teilen der Welt bis heute nicht gewährleistet seien, insbesondere nicht in der Türkei.
Auch die Kölner Bürgermeisterin und frühere Bundestagsabgeordnete Elfi Scho-Antwerpes hatte sich in die erste Reihe der Gegendemonstranten begeben: Deren Vorstellungen seien „lächerlich“ und „unangebracht für Deutschland und insbesondere für Köln“. So etwas bräuchte man in Köln heutzutage nun wirklich nicht mehr.
Auch „Die Partei“ war da, diesmal mit der „Losung „Ich hatte auch zwei Väter“.
Nach drei Stunden war der braun-homophobe Spuk vorbei. Der österreichische Bus mit der Aufschrift „Schützt unsere Kinder“ und der befremdlichen Forderung „Für Meinungsfreiheit“ verschwand unter großem Beifall wieder.
Alle Bilder: (c) J. Marken
Nachtrag:
Köln Pipinstraße / Ecke Heumarkt, Foto (c) Rheinisches antifaschistisches Bündnis gegen Antisemitismus (RABA)
Drei Tage später in München
Am Rande der „Demo für Alle“ – Kundgebung (#HassBus) in #München verteilte ein Mitglied der katholischen „Priesterbruderschaft St. Petrus“ gerade diese Flyer. Anschließend verschwand er in deren Münchner Niederlassung. Ekliger und NS-relativierender geht’s kaum. #NoFundis pic.twitter.com/bndPAhvUgQ
— Robert Andreasch (@robertandreasch) September 15, 2018