Pro Deutschland beschließt Selbstauflösung

0
48

Eine Erinnerung an die Entstehungsgeschichte einer rechtsradikalen Kleinstpartei und ihre beiden Protagonisten…

Von Susanne Müller

Irgendwann findet alles Elend einmal ein Ende. Kürzlich hat die rechtsextreme Kleinstpartei Pro Deutschland angesichts einer langen Kette von Misserfolgen bei Wahlen ihre Selbstauflösung beschlossen. Die 2005 gegründete Minipartei war bei der Bundestagswahl 2013 unter der Führung von Manfred Rouhs auf 0,2 Prozent gekommen. Ihr „Bundesvorsitzender“ – wenn man ihn denn so nennen möchte – der sehr rechte Biedermann Manfred Rouhs, forderte die verbliebenen Mitglieder dazu auf, sich der AfD anzuschließen. Diese wiederum will, so ließ sie verlauten, mit Rouhs brauner Resterampe nichts zu tun haben.

Das Ende der rechtsextremen Sektenpartei Pro Deutschland: Ein Anlass, auf die knapp 40 Jahre zurückreichende Geschichte dieser veritablen Rechtsextremisten zurück zu blicken. Personifiziert wird diese durch zwei ehemaligen Kölner: Manfred Rouhs und Markus Beisicht. Über 30 Jahre lang hatten sie gemeinsam in diversen äußerst rechten Gruppierungen in Köln gewirkt. In der Endphase ihres peinlichen Wirkens waren sie sich spinnefeind. 

Der 1963 in Leverkusen geborene Markus Beisicht und der 1965 geborene Manfred Rouhs haben vor allem in Köln über Jahrzehnte – wie es Pascal Beucker bereits im August 2000 in der taz („Völkisches für die Lebensfrohen“) konstatiert hat – , „gegen Schwule, Lesben und Multikulti-Projekte gehetzt“. Rouhs sei „einer der schillerndsten Neonazi-Aktivisten“.

Der auch in einem Blog geehrte Biedermanni   

Rouhs Engagement als selbsternannte Speerspitze der nationalen Bewegung ist nicht ohne Ehrung geblieben: Vor knapp 20 Jahren baute ein Journalist einen eigenen Blog über Rouhs auf. Er betitelte ihn mit Biedermanni verliert. Der Blog wurde ab 2006 nicht mehr aktualisiert, steht aber immer noch im Netz. Dort findet sich eine reizende Sammlung von Fotos, auf denen Rouhs in trauter Eintracht mit namhaften Neonazis zu bewundern ist. Selbstredend ließ Rouhs bei jedem neuen Foto verlauten, dass er die abgebildeten Personen gar nicht gekannt habe. 1999 sehen wir ihn mit dem selbsternannten „Hitler von Köln“ – dem aus Angst vor einer Haftstrafe (Mittelrhein-Prozess) „ausgestiegenen“ Neonazi Axel Reitz, mal sehen wir ihn gemeinsam mit dem Dortmunder „SS-Siggi“ Borchardt, mal gemeinsam mit dem wegen eines brutalen Überfalls auf Besucher einer KZ-Gedenkstätte vorbestraften Thorsten Crämer. Sogar zwei spätere Mörder gehörten zum Umfeld der Vorgängerorganisation von Pro Köln – der „Deutschen Liga“.

Bei der NPD, dem neofaschistischen „Ring Freiheitlicher Studenten“ und bei den Republikanern

Rouhs ist bereits als Schüler äußerst rechts engagiert: Mit 14 Jahren tritt der der Jungen Union bei, nach zwei Jahre wechselt Rouhs ins offen rechtsradikale Lager: Zu den Jungen Nationaldemokraten. Funktionärstätigkeiten in gleich sechs weiteren extrem rechten Gruppierungen folgen: Er wird NPD-Mitglied, mit 20 ist er bereits Kandidat der NPD für die Bundestagswahl. 1986 wird Rouhs NRW-Landesvorsitzender der Jungen Nationaldemokraten. Lange erträgt selbst die NPD Rouhs nicht: Als Student in Köln wird er, gemeinsam mit Markus Beisicht, Funktionär des rechtsextremen „Rings Freiheitlicher Studenten“ (rfs); 1981, hatte das Amtsgericht Münster dem rfs neofaschistische Tendenzen attestiert.

Ihre hetzerischen Auftritte in Köln teilen sie jeweils vorab den linken Uni-Gruppierungen mit. Auseinandersetzung, Eskalation ist ihr politische Strategie. Von 1984 bis 1987 ist Markus Beisicht Bundesvorsitzender des rfs; Nachfolger wird 1987 Beisichts spätere Ehefrau Gabriele Schlaeper. Manfred Rouhs fungiert als der „Generalsekretär“.

Rouhs und Beisicht suchen zweifelhafte, sehr rechte Prominenz: 1987 laden sie für den rfs den ehemaligen SS-Mann Franz Schönhuber („Ich war dabei“), Bundesvorsitzender der Republikaner, zu einem Vortrag nach Köln ein. Ordner der Rechten setzten gegen Gegendemonstranten Reizgas und Knüppel ein.

Kölner Stadtrat für die Republikaner

Danach wechselt der Kölner rfs unter Federführung von Beisicht und Rouhs zu den Republikanern. Im Oktober 1989 ziehen die Republikaner in der ach so liberalen und „antifaschistischen“ Millionenstadt Köln mit 7,4 Prozent in den Stadtrat ein. Bemerkenswert hierbei: 28 Jahre später, bei der letzten Bundestagswahl, sollte die AfD in Köln mit 7,2 Prozent ein etwas schlechteres Ergebnis erringen. Bei Pressekonferenzen fotografiert Rouhs häufig erst einmal alle anwesenden Journalisten ab. Seinem Übertritt zur AfD sollte also eigentlich nichts mehr im Wege stehen…

Eine frühe Erinnerung

Eine von mir erinnerte Szene aus den späten 1980er Jahre. Der rfs erringt einen Sitz in der Kölner Studentenvertretung. 200 Studenten wohnen der Stimmauszählung in einem Saal der Alten Mensa bei. Plötzlich wird die Tür krachend aufgerissen, eine Gruppe von 20 bis 25 Rechtsradikalen, unter ihnen Beisicht und Rouhs, stürmen brüllend in den Saal. Flankiert werden sie von mindestens einem Dutzend Skinheads mit obligatorischer Aufmachung. Dutzende von Studenten springen zur Seite. Es entsteht Panik. Wohl eine Minute später folgen ihnen 20 Polizisten. Nach wenigen Minuten ist der Spuk vorbei. 

1991: Deutsche Liga für Volk und Heimat

Lange geht er auch mit den Republikanern nicht gut. Nach zwei Jahren ist erneut Schluss. Selbst die Republikaner können den völkische und rechtspopulistische Themen forcierenden Rouhs nicht mehr ertragen: Im Oktober 1989 wird der 26-Jährige seiner Ämter enthoben, dann aus der Partei ausgeschlossen. Noch sind Rouhs und Beisicht ein verschworenes Team: 1991 schließen sie sich einer weiteren, kurz zuvor gegründeten rechtsradikalen Sekte an: Der Deutschen Liga für Volk und Heimat. Deren prominentesten Mitglieder kommen gleichfalls aus dem rechtsradikalen NPD-Spektrum: Der frühere NPD-Vorsitzende Martin Mußgnug und Harald Neubauer. Die Minipartei mit ihrem altbacken-nationalistischen Namen bleibt eine Sekte. Und doch beherrscht sie ihr rassistisches Handwerkszeug: Im März 1993 setzen drei ihrer Kölner Mitglieder, darunter Beisicht, ein Kopfgeld von 1.000 Euro gegen eine von Abschiebung bedrohte Romafrau aus. Im Verfassungsschutzbericht NRW wird die Partei als nationalistisch, rassistisch und völkisch-kollektivistisch eingestuft. 

1996 Gründung von Pro Köln

Irgend jemand muss ihnen einen Tipp gegeben haben: Mit dem Namen Deutsche Liga für Volk und Heimat kann man keinen Blumentopf gewinnen. 1996 gibt das Dreamteam Rouhs und Beisicht ihrer Sekte einen zugkräftigeren Namen: Pro Köln. Ihre rechtsextreme Programmatik ergänzen sie nun durch eine „Islamkritik“. Das reicht für Köln. Bis 2014 bleibt Pro Köln mit Fraktionsstärke im Stadtrat vertreten. Aufmerksamkeit finden sie mit ihrer Hetze gegen den Bau einer Moschee. Ihr vollmundiger, peinlicher „internationaler“ Anti-Mosche-Kongress auf dem Kölner Heumarkt endet 2008 als Lachnummer: Weit über 10.000 Menschen demonstrieren und blockieren den Heumarkt, etwa 100 Rechtsradikale verlieren sich auf dem menschenleeren Platz. Zugleich jedoch ist dies die Geburtsstunde der bis heute erfolgreichen Kampagne Kein Kölsch für Nazis.

Parteiinterne Kämpfe, Zerfall und Ende

Ab 2012 folgten staatsanwaltschaftliche Durchsuchungen und Prozesse gegen führende Pro Köln Mitglieder wegen „banden- und gewerbsmäßigen Betruges“. Sie hatten Unmengen fingierter Partei- und Gremiensitzungen finanziell abgerechnet. Die Mehrzahl der Prozesse enden mit Geldstrafen, ein Pro Köln Mitglied wird zu einer Haftstrafe verurteilt.

Pro Köln steht regelmäßig in den Berichten des Landesamtes für Verfassungsschutz. In den folgenden Jahren intensivieren sich die innerparteilichen Konflikte. Beisicht gegen Markus Wiener, Beisicht gegen Rouhs. 2005 vertreibt Beisicht Manfred Rouhs nach Berlin. Beisicht wiederum erhält kurz danach bei seiner früheren Hausmacht Pro Köln ein Hausverbot. Er zieht sich in seine Geburtsstadt Leverkusen-Opladen zurück, von wo aus er Pro NRW aufzubauen versucht. Auch dies misslingt. Anfang Januar 2017 führt Beisicht seine letzte Demonstration in Köln „wegen Sylvester“ durch: NRW-weit vermag er nur 60 Demonstranten zu mobilisieren. Selbst in der rechten Szene nimmt ihn nimmt mehr ernst.

Und nun die Mitteilung der Selbstauflösung von Pro Deutschland. Sogar die Kölner Mitglieder von Pro Deutschland stimmen der Selbstauflösung zu, wollen jedoch in Köln vorerst weiter bestehen bleiben. Schließlich hat man noch zwei Mandate.

Beisicht und Rouhs sind nach über 35 Jahren vollständig gescheitert. Das Elend hat ein Ende gefunden.

Bild oben: Rouhs (Mitte) und Beisicht (rechts daneben) beim „Anti Islam Kongress“ 2008, (c) Köln gegen Rechts