Gemeinsam gegen Soros

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Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán sieht in seinem israelischen Amtskollegen Benjamin Netanyahu einen Freund und in dem Philanthropen George Soros einen Feind. Die Rolle des Regimes Miklós Horthys in der nationalsozialistische Vernichtungspolitik verharmlost er…

Ein Kommentar von Karl Pfeifer
Erschienen in: Jungle World v. 26.7.2017

Die EU hat sich auf das Einstimmigkeitsprinzip verpflichtet, auch weil sie davon ausging, dass die Vertreter der europäischen Staaten rational denken, anders als Viktor Orbán also. Am Wochenende hielt Ungarns Ministerpräsident im rumänischen Băile Tuşnad eine Rede, die zeigt, dass er nicht nur Verschwörungstheoretiker ist, sondern auch zur Megalomanie neigt. Er meinte, das bedeutendste Ereignis des vergangenen Jahres sei das Erstarken der auch als »V4« bezeichneten vier Visegrád-Staaten (Polen, Slowakei, Tschechien und Ungarn) gewesen. Außerdem müsse die EU – so Orbán – ­gegenüber dem »Soros-Reich« ihre Souveränität wiedergewinnen. Er fabulierte von einem »Soros-Plan«, der unter anderem vor­sehe, jährlich eine Million Einwanderer in die EU zu bringen, die pro Kopf 15 000 Euro erhalten sollten. Davon könnten 41 Prozent der Ungarn, die in Armut leben, nur träumen.

Seit Ungarn mit Anti-Soros-Plakaten überschwemmt wurde, verbreitet Orbán absurde Behauptungen, die belegen sollen, dass der »internationale Spekulant« Soros die Absicht habe, ihn zu stürzen, um Ungarn unglücklich zu machen. Doch bei einer repräsentativen Umfrage gaben im Juli 73 Prozent der Befragten an, diese Plakatkampagne – die 19 Millionen Euro gekostet hat – sei Geldverschwendung. Jüdische Ungarn wurden durch diese Kam­pagne wieder an die Horthy-Zeit erinnert, und viele haben Angst. Yossi Amrani, Israels Botschafter in Budapest, warnte vor Netanyahus Staatsbesuch am 18. Juli, dass die Anti-Soros-Kampagne nicht nur Kritik an einer Person sei, »sondern auch traurige Erinnerungen weckt und Hass und Angst sät«. Netan­yahu desavouierte ­seinen Botschafter mit der Behauptung, Soros – der einige regierungskritische NGOs in Israel unterstützt – untergrabe die Sicherheit Israels.

Orbán hat es geschafft, Ungarn binnen weniger Jahre in eine illiberale Demokratie und eine Art Mafiastaat zu verwandeln. Im Gegensatz zu Netanyahu muss er keine unangenehmen Ermittlungen in seinem näheren politischen Umfeld befürchten. In Israel dagegen führt, die Polizei wegen Korruption beim Kauf von deutschen Unterseebooten eine Untersuchung und inhaftierte und verhörte sieben Verdächtigte, darunter auch Netanyahus Anwalt. Während des Staatsbesuchs in Budapest gab es eine Mikrophonpanne und man konnte hören, wie Netanyahu die V4-Gruppe aufforderte, dabei zu helfen, die Haltung der EU gegenüber Israel zu verbessern.

Doch die Regierungen Polens und Ungarns haben selbst ernsthafte Probleme mit der EU. Noch vor ein paar Wochen lobte Orbán den mit Hitler verbündeten Miklós Horthy als »Ausnahmestaatsmann« – den Anführer der ungarischen Konterrevolution und des »Weißen Terrors«, der Tausende Juden das Leben kostete, den Befürworter von Juden diskriminierenden Gesetzen und Mitverantwortlichen an der Ermordung von mehr als einer halben Million ungarischen Juden. Beim Treffen mit Netan­yahu jedoch sprach Orbán von einem »Fehler der ungarischen Regierung, die ihre jüdischen Mitbürger« 1944 »nicht schützte«. Es gehört schon eine Portion Zynismus dazu, die Deportation der Juden, die ohne die begeisterte und aktive Mitarbeit der von Horthy eingesetzten Regierung nicht hätte geschehen können, zum bloßen »Fehler« herunterzuspielen. Netanyahu hat nichts gegen die von Orbán und seinem Umfeld betriebene Holocaust-Verharmlosung und Geschichtsverdrehung sowie deren impliziten und expliziten Antisemitismus ­gesagt, womit er Ungarn und seinem eigenen Land einen Bärendienst geleistet hat.