Bogie will es wissen

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Ex-Verteidigungsminister Moshe ‚Bogie‘ Ya’alon plant die Gründung einer neuen Partei. Zugleich fordert er Netanyahu heraus…

Von Ralf Balke

Noch hat das Baby keinen offiziellen Namen. Auch sein Geburtsdatum steht bis dato nicht fest. Aber immerhin ist der Wille da. „Ich habe mich nunmehr entschlossen, eine neue Partei zu gründen“, erklärte Moshe ‚Bogie‘ Ya’alon am 4. März in Tel Aviv auf einer Shabbat-Tarbut-Veranstaltung. „Und ich werde bei den nächsten Wahlen als Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten antreten.“ Überraschend kam dieser Schritt nicht wirklich. Schon lange war darüber spekuliert worden, ob der im Mai 2016 von seinem Amt als Verteidigungsminister zurückgetretene Ya’alon nach einer Karenzzeit gegen Netanyahu in den Ring treten wird oder nicht. Offensichtlich war jetzt für ihn der richtige Zeitpunkt gekommen. Schließlich läuft gegen den Ministerpräsidenten ein Verfahren wegen Bestechlichkeit und die Korruptionsvorwürfe häufen sich. Zudem missfällt immer mehr Israelis der allzu pompöse und damit für den Steuerzahler teuere Lebensstil der Familie Netanyahu. „Ich musste noch nie teure Zigarren im Dienste unseres Landes rauchen“, stichelte er denn auch und gab nur einen Tag später seinen Austritt aus dem Likud bekannt, dem er seit 2008 angehört hatte.

Damit betritt ein weiterer Player die Bühne gegen Netanyahu. Und Ya’alon macht genau das, was andere israelische Politiker bereits vor ihm taten, wenn sie sich mit ihren Weggefährten von einst überworfen hatten oder ein ihrer Meinung nach wichtiges politisches Projekt nur in einer anderen Konstellation durchsetzbar war – so wie 2005 Ariel Scharon, der eigens die Partei Kadima ins Leben rief, um den Abzug aus dem Gaza-Streifen möglich zu machen. Ein Parteiprogramm existiert zwar noch nicht, aber die Richtung steht immerhin schon fest. Zumindest ungefähr. Man möchte den „seriösen Rechten“ wieder eine Stimme geben, heißt es. Denn schon länger ist Ya’alon der Auffassung, dass „extremistische und gefährliche Kräfte Israel und den Likud übernommen haben. Sie destabilisieren unser Land und gefährden damit seine Bewohner.“

Für den heute 66jährigen, der auf 37 Jahre militärische Karriere zurückblicken kann, die er als einfacher Fallschirmspringer begann und mit dem Rang eines Generals beendete, ist das keine bloße Rhetorik. Ein Schlüsselereignis war zweifelsohne der tödliche Schuss des Sanitätssoldaten Elor Azaria auf einen verletzten und bereits gefangengenommen palästinensischen Attentäter in Hebron am 24. März 2016. Ya’alon sah darin einen klaren Bruch mit den ethischen Grundsätzen der israelischen Armee und ein Verbrechen. Netanyahu dagegen begann den Fall zu relativieren, weil seine Konkurrenten um die stramm nationalistische Wählerschaft wie der damalige Außenminister Avigdor Lieberman sowie Erziehungsminister Naftali Bennett sich mit Elor Azaria solidarisierten und er deshalb eine Koalitionskrise befürchtete. Netanyahu telefonierte sogar mit den Eltern von Elor Azaria. Damit war die Krise zwischen beiden vorprogrammiert. Als dann auch noch der Plan des Ministerpräsidenten bekannt wurde, Lieberman zum neuen Verteidigungsminister zu machen und ihm den Posten des Außenministers anzubieten, eskalierte der Streit. Ya’alon trat zurück. Und zwar im Zorn.

„Das ist nicht mehr der Likud, dem ich einst beigetreten bin – der Likud von Zeev Jabotinsky und Menachem Begin“, wetterte er unmittelbar danach. „Es ist an der Zeit, dass die Mehrheit der Wähler der Partei die Dimensionen dieser Krise endlich begreift.“ Und weiter erklärte er: „Mit all meiner Kraft habe ich mich immer gegen Radikalisierung, Gewalt und Rassismus in der israelischen Gesellschaft eingesetzt. Genau diese Entwicklungen bedrohen auch die Widerstandskraft unserer Armee und haben bereits viel Schaden angerichtet.“ Seine Kritik an den Verhältnissen und den Akteuren in der Regierung darf aber deshalb nicht gleich als ein politischer Richtungswechsel verstanden werden. Ya’alon steht einer Zwei-Staaten-Lösung weiterhin skeptisch gegenüber, weil die Palästinenser seiner Meinung nach friedensunwillig sind. Gleichzeitig jedoch lehnt er eine Annexion von Teilen des Westjordanlandes ab. Eine Diskriminierung der israelischen Araber ist ihm ebenfalls zuwider. Mit seiner geplanten Partei wird er sich zwar ebenfalls wohl eher im nationalistischen Umfeld positionieren – aber in klarer Abgrenzung zu allem, was er als „billigen Populismus“ betrachtet.

Ob Ya’alons noch namenlose Partei Erfolg haben wird, scheint dahingestellt. Laut aktuellen Umfragen könnte sie vier oder fünf Sitze erhalten, was auf jeden Fall auf Kosten des Likuds gehen würde. Eine Unterstützung des linken Lagers dagegen ist ziemlich unwahrscheinlich. Ya’alon sieht sich erklärtermaßen nicht in einem Boot mit der Vereinigten Arabischen Liste. „Ich werde nicht derjenige sein, der die Bildung einer rechten Regierung blockiert“, sagte er denn auch die Tage. In einer solchen würde er sich aber mit seinen Widersachern von einst wiederfinden – dann wohl in der Rolle des Konservativen alter Schule und als Korrektiv. Aber auch eine Koalition mit der aktuell in allen Umfragen führenden zentristischen Yesh Atid-Partei von Yair Lapid wäre kein Ding der Unmöglichkeit. Womit Ya’alon auf jeden Fall punkten kann: Er bringt den Stallgeruch des Militärs mit. Bei den Israelis, die Sicherheitsexpertise bei den gewünschten Kompetenzen eines Politikers ganz weit oben auf der Wunschliste haben, ein klarer Vorteil.

Aus einfachen Verhältnissen in Haifa stammend, war Ya’alon in jedem militärischen Konflikt seit 1973 mit dabei – entweder als Soldat, Kommandant oder Minister. Er hat Hisbollah-Kämpfer gejagt und einen palästinensischen Terroristen persönlich mit einer Handgranate ins Jenseits befördert. Eigentlich entspricht Ya’alon damit genau dem Typus des Politikers, den Israelis gerne in der Residenz des Ministerpräsidenten sehen. Ob das auch im Zeitalter des Populismus noch greift, sei dahingestellt. Darüber hinaus wurde Ya’alon in dem vor einigen Wochen veröffentlichten Untersuchungsbericht über den Gaza-Krieg vom Sommer 2014 scharf kritisiert. Darin attestierte man ihm sowie Netanyahu und dem mittlerweile zurückgetretenen Generalstabschef Benny Gantz massive Versäumnisse, weil sie das Kabinett nur unzureichend informiert hätten – so beispielsweise über die Gefahren, die von den Tunneln ausgingen, die die Hamas ins israelische Kernland gegraben hatte. Ya’alon wehrte sich gegen die Beschuldigungen und sah das Kabinett in der Schuld, das alles andere als an einem Strang gezogen hätte.

Interessant dürfte ebenfalls die Frage sein, wer alles sich Ya’alons Partei noch anschließen könnte. Als One-Man-Show dürfte sie ansonsten kaum dauerhaften Erfolg haben. Konservative Politiker, die mit Netanyahu eine Rechnung offen haben, gibt es einige. Namen sind aber bis dato nicht genannt worden. Und schon oft genug blieb es im Falle von politischen Neugründungen bei spektakulär klingen Ankündigungen, woraufhin dann wenig Konkretes geschah. Oder sie verschwanden wieder in der Versenkung. Deshalb wird erst die Zeit zeigen, ob Ya’alons Plan aufgehen kann oder nicht.

Bild oben: Mosche Yaalon, 2012, (c) Reuven Kapuscinski