Gewerkschaftsseminar im Exil

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Die DIG rettet ein vom VER.DI-Bezirk Stuttgart abgesagtes Seminar…

Von Martin Jander

„Kriege gegen Israel“ lautet ein am 26. März 2017 stattfindendes Tagesseminar der DIG-Stuttgart.[1] Ich selbst werde der Referent sein. Thema des Seminars sind die verschiedenen offenen und verdeckten Kriege, die gegen Israel seit der Geburt seiner Idee durch Theodor Herzl geführt werden. Außerdem geht es darum, welchen Reflex diese Kriege gegen Israel in den beiden deutschen Nachkriegsstaaten hatten.

Eigentlich sollte das Seminar vom Bezirk Stuttgart der Gewerkschaft VER.DI veranstaltet werden. Es stand auch bereits in dessen Bildungsprogramm.[2] Die Gewerkschaft hatte mich im letzten Jahr angefragt, ob ich ein interessantes Thema anzubieten hätte. Neben Forschung und Lehre an der Universität, bin ich seit etwa 1980 in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit tätig.

Ich hatte daraufhin den Vorschlag mit dem Thema „Kriege gegen Israel“ gemacht. Nach der Einsendung des Entwurfs gab es einige Änderungswünsche des Veranstalters. Auch die für die Anerkennung der Seminare als Teil der politischen Bildung zuständige Abteilung der Zentrale der Gewerkschaft VER.DI mahnte Änderungen an. Ich arbeitete alles ein und war erfreut zu hören, dass alles gut gegangen war und das Seminar im Bildungsprogramm veröffentlicht wurde.

Inzwischen jedoch hat es sich der Bezirk Stuttgart der Gewerkschaft anders überlegt. Er ließ mir über seine Bildungsabteilung mitteilen, das Seminar werde nicht stattfinden, eine von mir bei haGalil veröffentlichte Buchrezension[3] zeige angeblich, dass ich als Referent für ein solches Seminar nicht geeignet sei. Eine Nachfrage, was genau der Bezirksvorstand der Gewerkschaft beschlossen hat, lief ins Leere. Ich erhielt keine Antwort. Die DIG-Stuttgart bekam von der Sache Wind und hat, in verkürzter Form, das Seminar in ihr Programm aufgenommen. Es gibt bereits 12 Anmeldungen, aber es sind immer noch Plätze frei.

Was die genauen Ursachen der Absage dieses Seminars durch die Gewerkschaft sind, lässt sich nicht beurteilen, eine Erklärung der Gewerkschaft dazu fehlt ja. Aber die Gründe lassen sich natürlich erahnen.

In meiner Buchrezension, die der Grund für die Absage des bereits im Bildungsprogramm der Gewerkschaft aufgenommenen Seminars gewesen sein soll, habe ich dargestellt, dass die DDR und einige radikale Linke aus der Bundesrepublik an den offenen und verdeckten Kriegen gegen Israel beteiligt waren. Der Historiker Jeffrey Herf hat in einer gerade publizierten Studie detailliert nachgewiesen, dass die DDR Waffen an die arabischen Nachbarn Israels lieferte, die seit 1948 immer wieder versuchten, den Staat Israel zu zerstören. Die DDR bildete, so sagen es die Dokumente aus den DDR-Archiven, auch Militärpersonal für diese Kriege aus, Guerillakämpfer der PLO sowie anderer Organisationen.

Die meisten Gruppierungen der radikalen und orthodoxen Linken aus der Bundesrepublik unterstützten ebenfalls, so zeigt Herf das in seinem Buch, die Kriegführung der PLO und anderer gegen Israel. Sie deuteten auch Anschläge auf Zivilisten in Israel als Teil eines nationalen und antiimperialistischen Befreiungskampfes. Schon damals haben große Teile der jüdischen Gemeinden in Deutschland immer wieder vor diesen Aktivitäten gewarnt. Insbesondere Heinz Galinski hat darauf hingewiesen, dass damals nicht nur nazistische Antisemiten Israel anfeindeten, sondern nun auch linke Israelhasser.

Sind dies ein paar Wahrheiten zu viel für den VER.DI Bezirk Stuttgart? Möglicherweise. Seit dem Sechs-Tage-Krieg 1967 sind auch Teile der sozialdemokratischen Linken in und außerhalb der Gewerkschaften in das Fahrwasser des Antizionismus übergewechselt. Außerdem drängten die Fraktionen der radikalen und orthodoxen Linken in die Gewerkschaften und brachten die von ihnen unterstützte antizionistische Ideologie mit.

Bis 1967 waren SPD und Gewerkschaften der Bundesrepublik ein weitgehend verlässlicher Partner Israels. Ohne die Unterstützung der SPD hätte Adenauer den ersten Vertrag mit Israel („Luxemburger Abkommen“) zu Beginn der 50er Jahre nicht durch den Bundestag gebracht. Junge Gewerkschafter, Sozialdemokraten sowie Christen aus der Aktion Sühnezeichen u. v. a. warben für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Israel. Dagegen stimmten Kommunisten und Mitglieder der Sozialistischen Reichspartei, einer Nachfolgeorganisation der NSDAP, im Bundestag gegen das erste Abkommen mit Israel.

Um all diese Dinge, die Beziehungen der beiden deutschen Nachkriegsstaaten zu Israel, die Beteiligung der DDR und Teilen der radikalen Linken an den Kriegen gegen Israel, wird es in dem Seminar der DIG-Stuttgart gehen, das der Bezirk Stuttgart der Gewerkschaft VER.DI nicht mehr anbieten will. Gewerkschafter sind natürlich zu einer Teilnahme herzlich eingeladen.            

 

Tagesseminar: Kriege gegen Israel

Zeit: Sonntag, 26. März 2017, 9:30 Uhr bis 17:30 Uhr

Ort: Stuttgart, Stadtmitte

Seit es die Idee eines Staates Israel gibt und seit im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts Juden aus ganz Europa sich dorthin aufmachten, um Schutz vor dem europäischen Antisemitismus zu suchen, wird Krieg gegen den Staat Israel und seine Idee geführt. Bereits die Nazis versuchten mit arabischen Partnern die Entstehung des Staates zu verhindern. Zwar gelang es den Nazis große Teile der europäischen Juden umzubringen, den Staat Israel aber verhinderten sie nicht. Nach der Shoah hat ein Teil der Weltgemeinschaft eingesehen, dass ein jüdischer Nationalstaat eine Existenzberechtigung hat. Die Kriege gegen Israel, öffentlich erklärte und heimliche, haben jedoch nicht aufgehört und halten immer noch an. In den beiden deutschen Staaten, DDR und Bundesrepublik, wurden diese Kriege mal öffentlich erklärt, mal eher verborgen geführt. – In diesem Tagesseminar erarbeiten wir einen Überblick zu ihrer Geschichte und überlegen, was man gegen Antisemitismus und Antizionismus in der Bundesrepublik Deutschland tun kann.

Buchempfehlung: Jeffrey Herf, Undeclared Wars with Israel, Cambridge University Press 2016

Anmeldung zum Seminar: bis spätestens 17.3.17 an stuttgart@digev.de an DIG Region Stuttgart e.V., Adresse siehe unten. Sobald Sie sich anmelden, erhalten Sie die Einladung zum Seminar, die Information zum Seminarort und den geplanten Ablauf des Seminars.

Gebühr: DIG-Mitglieder zahlen keine Seminargebühr. Für Nicht-Mitglieder beträgt die Seminargebühr 20 €, die beim Seminar in bar eingesammelt wird. Für Getränke während des Seminars ist gesorgt. Vorgesehen ist eine Mittagspause, in der wir uns an einem der Stände in der Umgebung mit Falafeln oder Ähnlichem versorgen können.

[1] Siehe die Website der DIG-Stuttgart: http://www.dig-stuttgart.net/?p=2009#more-2009

[2] Inzwischen findet sich auf der Website der Gewerkschaft der Hinweis, dass die Veranstaltung vom 26. März nicht stattfinde, die Ankündigung ist aber im Programm (S. 11) noch enthalten: https://stuttgart.verdi.de/++file++5852b684f1b4cd71019f49eb/download/Mitmachprogramm_2017.pdf    

[3] Es geht um das Buch von Jeffrey Herf „undeclared Wars with Israel“: https://www.hagalil.com/2016/06/herf-2/

1 Kommentar

  1. Dass VER.DI sich einer israelfeindlichen reaktionären Linken andient oder gar von dieser bestimmt wird, widerspräche nicht nur einer demokratischen Kultur sondern wäre für eine Gewerkschaft ein Unding und ist deswegen undenkbar.

    Wahrscheinlich war es so: Man hat über die Wettervorhersage festgestellt, dass es an diesem Tag möglicherweise regnet und deswegen fürsorglich entschieden, Mitglieder nicht der Gefahr eines Schnupfens auszusetzen. Es geht halt nichts über eine starke Gewerkschaft, die sich engagiert für die Gesundheit ihrer Mitglieder einsetzt.

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